"I carry Naloxone". Tasha Withrow hat das T-Shirt selbst designt. So signalisiert sie anderen, dass sie Naloxon dabeihat, ein Medikament, das bei Überdosen Leben retten kann
Tasha Withrow hat das T-Shirt selbst designt. So signalisiert sie anderen, dass sie Naloxon dabei hat, ein Medikament, das bei Überdosen Leben retten kann
Milan Koch
Opioid-Krise in den USA
Sie hat ein Gegenmittel
Naloxon hilft bei Überdosen. Tasha Withrow trägt immer welches bei sich – um Opioidabhängigen im Notfall das Leben zu retten. Eine Reise durch die Appalachen, wo die US-Drogenkrise besonders heftig ­verläuft
Lena FiedlerMichael Heck
Milan KochMilan Koch
22.01.2025
13Min

Eigentlich wollte Tasha With­row, 38, nie Drogen nehmen. Das hat sie sich geschworen, als sie wieder einmal wach in ihrem Bett liegt und nicht schlafen kann. Ihre Mutter schmeißt gern Partys. Die Gäste sind laut, manchmal gewalttätig. Schon als Kind versteht sie, was die Überbleibsel im Badezimmer bedeuten. Das Pulver auf der Ablage und der gerollte Geldschein. Deswegen hasst Tasha Drogen und die Leute, die sie nehmen. Bis sie etwa 16 Jahre alt ist. Da wird ihr alles zu viel. Sie fängt selbst an, Gras zu rauchen, Ecstasy zu nehmen; aus dem ­Medizinschrank im Haus ihrer Freundin klaut sie Hydrocodon, ein Schmerzmittel. Sobald sie high ist, gehen sie und ihre Freundin zum Walmart und ­rennen durch die Gänge.

Als Tasha 21 Jahre alt ist, besorgt sie für ­ihre Mutter Kokain. Manchmal nehmen sie zusammen eine Line in der Küche, Mutter und Tochter. Als Tasha die Weisheitszähne ­gezogen werden, verschreibt ihr der Zahnarzt Oxycontin, viel davon. Das erste Mal auf Opioiden fühlt sich für Tasha an, "wie eine Umarmung Gottes". Die Wunden im Mund heilen, die Pillen nimmt Tasha weiter. Die Ärzte haben sie verteilt wie Süßigkeiten, erinnert sie sich. Als sie mit den Pillen aufhören will, hat sie höllische Schmerzen. Was ist nur falsch mit mir, fragt sie sich. Dann begreift sie: "Oh Shit, ich glaube, ich habe es mit den Pillen übertrieben."

Tashas Weg zu den Drogen ist typisch für die Opioidkrise in den USA. Sie begann 1996 mit der Einführung des Schmerzmittels Oxycontin. Das Arzneimittelunternehmen Purdue Pharma der Familie Sackler drückt dieses Schmerzmedikament mit dem Versprechen in den Markt, dass es weniger abhängig mache als andere Opiate. Ein falsches Versprechen.

In der Wohnung der erwachsenen Tasha hängen gerahmte Bilder an der Wand. Auf einem sieht man sie als kleines Mädchen im Ballettrock und rosa Strumpfhosen. Sie strahlt stolz in die Kamera. Sie war als Kind die meiste Zeit glücklich, erinnert sich Tasha. Bis sie mit 13 zu ihrer Mutter zieht. Die bekommt mit ihrem neuen Mann zwei weitere Kinder, auf die Tasha aufpasst. "Meine Mutter wollte arbeiten und auf Partys gehen, nicht die Verantwortung der Mutterrolle."

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