Wir müssen das große Ganze schützen – es war der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, der den Ton vorgab an diesem Sonntag zur Eröffnung der EKD-Synode in Würzburg. Einem Sonntag, an dem nach dem verheerenden Wahlergebnis in den USA und dem Zerbrechen der Ampelkoalition ja tatsächlich die Frage ist: Was können wir halten, schützen und wertschätzen von dem, was wir haben an Demokratie und Zivilisation in Deutschland? Was wird in Gefahr geraten, wenn demnächst Populisten noch viel mehr Sitze im Bundestag haben? Wenn die USA sich aus wichtigen Feldern zurückziehen?
Es war gut, dass Schuster gleich zu Beginn ohne jedes Pathos in der Stimme feststellte: "Hätte es in den 1930er Jahren ein Land mit einem solchen Asylrecht gegeben, wie es heute die Bundesrepublik Deutschland kennt, dann wären nicht sechs Millionen Juden zum Opfer des Menschheitsverbrechens Schoah geworden." Das Asylrecht, es wird im Wahlkampf der nächsten Wochen ein Kampfthema sein. Wie gut, wenn man Schusters Worte dabei im Ohr behält.
Schuster traut der evangelischen Kirche, deren Kirchenparlament sich Synode nennt, durchaus etwas zu. Dass sie sich einmischt in die gesellschaftliche Debatte, dass sie "ihren Beitrag leistet", so Schuster. "Wir sind 18 Millionen, wir werden gehört", ergänzte die amtierende Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs selbstbewusst. Gestärkt vom gastgebenden Bürgermeister von Würzburg, Mitglied der CDU. "Stehen Sie auf für unsere Werte!", rief er den Synodalen zu.
Wofür könnten sie aufstehen, die 18 Millionen evangelischen Kirchenmitglieder, in den Wahlkämpfen der nächsten Wochen? Da wird es um viele evangelische Kernthemen gehen, längst nicht nur um Migration und Flucht, dem Schwerpunkt dieser Tagung. Man wird auch aufstehen müssen, wenn AfD-Politiker gegen Inklusion hetzen. "Menschen mit Behinderung wird jetzt schon Raum und Würde genommen", rief der Synodale Friedemann Kuttler, Vorstand einer Diakonie. Man wird aufstehen müssen gegen weitere Kürzungen in der Entwicklungshilfe. Noch sind die USA wichtige Player auf diesem Feld – was ihr Rückzug zum Beispiel für Brot für die Welt bedeuten würde, für den weltweiten Kampf gegen Hunger und Klimafolgen, das ist noch gar nicht abzusehen.
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Was können die Kirchen dabei leisten? Sie können Menschen stärken, die aus Nächstenliebe das Richtige tun – die Ratsvorsitzende nannte beispielhaft den "Hoffnungsgrund" bei Lübeck, ein umgebautes Pfarrhaus, wo 18 Geflüchtete Heimat finden und vorübergehenden Schutz. Sie können ihre Kirchen und Gemeindehäuser zur Verfügung stellen, um wirklich Demokratie einzuüben. Um Menschen zusammenzubringen, die sich scheinbar nichts mehr zu sagen haben – die Kirche hat nicht nur Gebäude, sondern auch Pastorinnen und Seelsorger, die wissen, wie man moderiert. Und sie kann trösten und beten.
Das ist viel. Und es braucht viel. Denn es geht, das sagte Josef Schuster ja völlig zu Recht, es geht um das große Ganze.