Ein Plakat an der Haltestelle oder ein Flyer in der Zeitschrift – irgendetwas daran spricht einen an, man denkt: Da will ich was tun, da will ich spenden. Aber dann die Vertrauensfrage: Ich kenn die nicht, sind die überhaupt seriös? Darin stecken diese Fragen: Kommt mein Geld an? Geht nicht zu viel in Werbung und Verwaltung? Nicht, dass sich da jemand bereichert!
Der erste Check: Haben die das "Spenden-Siegel"?
Das hoch anerkannte "Spenden-Siegel" wird von der Verbraucherschutzorganisation DZI vergeben (Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen) und zwar nur auf Antrag. Jede gemeinnützige Organisation, die bundesweit und regelmäßig Spenden sammelt, kann das Siegel beantragen. Dann wird sie geprüft, jedes Jahr neu. Rund 230 Organisationen tragen aktuell das Siegel. Zum Beispiel Brot für die Welt, Medico international, Deutsche Umwelthilfe, Heinz-Sielmann-Stiftung, Diakonie Katastrophenhilfe. Hier kann man nachschauen, ob eine Organisation das Spenden-Siegel hat. Die Verbraucherberatung des DZI wird finanziert unter anderem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Die haben kein Siegel – und jetzt?
Wird man gar nicht fündig, kann man das DZI hier per Einzelauskunft fragen, denn das DZI hat zu rund 1200 Spenden sammelnden Organisationen Informationen (insgesamt sammeln in Deutschland etwa 2000 bis 3000 Organisationen regelmäßig und überregional Spenden).
Das DZI macht zum Beispiel Basisprüfungen bei Organisationen, zu denen viele Menschen angefragt haben. Für solch eine Basisprüfung schaut sich das DZI unter anderem den Jahresbericht an und kommt im besten Fall zu dieser schwach positiven Einschätzung: "Bei der Durchsicht der vorliegenden Materialien haben sich für das DZI bisher keine kritischen Anhaltspunkte ergeben." Zu den Organisationen, die kein Siegel beantragt haben, aber auch nicht negativ aufgefallen sind, gehören auch so bekannte wie Nabu, Medica mondiale, Die Arche, Greenpeace. Die Kurzauskünfte zu Organisationen findet man über diesen Link.
Warum haben so viele kein Spenden-Siegel?
Erstaunlich, wie viele Organisationen kein Spenden-Siegel beantragt haben, nicht mal so große, bekannte wie Deutscher Tierschutzbund oder Weißer Ring. Vielleicht denken manche: Brauchen wir nicht, man kennt uns. Oder die Organisation möchte mehr als die beim Spenden-Siegel zulässigen 30 Prozent der jährlichen Gesamtausgaben für Werbung und Verwaltung ausgeben? Vielleicht steckt manchmal auch eine deutsche Eigenheit dahinter, wie Burkhard Wilke vermutet, der Leiter der Verbraucherschutzorganisation DZI: "Ich veröffentliche nur das, was ich muss, und nicht das, was sinnvoll ist."
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In vielen anderen Ländern schreiben Gesetze eine gewisse Grundtransparenz vor, etwa in Großbritannien oder den USA; auch in den Niederlanden und erst recht in skandinavischen Ländern gebe es eine viel größere Bereitschaft, der Öffentlichkeit (den Spendern und Spenderinnen!) Informationen zur Verfügung zu stellen, sagt Wilke. Aber natürlich sei eine Spendenorganisation ohne Spenden-Siegel nicht automatisch unseriös.
Ist das Spenden-Siegel denn so teuer?
Nein, das Antragsverfahren sei nicht teuer, sagt Wilke, auch die jährliche Folgeprüfung nicht. Das könnten sich auch nicht nur die Großen leisten, ein Drittel der Siegel-Organisationen nehme weniger als eine halbe Million Euro im Jahr ein. Kostenbeispiel: Wer Gesamteinnahmen von 100.000 Euro hat, zahlt für die jährliche Prüfung 642,60 Euro. Hier kann sich jede Organisation die Kosten ausrechnen lassen.
Was checkt das DZI-Spenden-Siegel?
Das Siegel prüft zum Beispiel die "wirksame, wirtschaftliche und sparsame" Verwendung der Spenden. Auch transparente Gehälter der Mitarbeitenden sind wichtig. Und Details wie dieses werden gecheckt: Wie verhindert eine Kinderpatenschaftenorganisation, dass Paten heimlich Kontakt zu Kindern aufnehmen? (Das dient dem Schutz der Kinder vor sexualisierter Gewalt.) Auch die Spendenwerbung schaut sich das DZI genau an: Übt sie Druck aus, ist sie reißerisch, entwürdigt sie Notleidende?
Schlimme Bilder müssen doch sein, oder?
Bis zu einem gewissen Grad muss man ein Elend benennen und manchmal auch zeigen, will man Menschen davon überzeugen, etwas dagegen tun zu wollen. Aber dabei ist die Würde der abgebildeten Menschen zu achten. Und die Menschen, die um eine Spende gebeten werden, dürfen nicht bedrängt werden, zum Beispiel mit Sätzen wie diesen: "Lassen Sie die Kinder, die jetzt noch auf eine Operation warten, nicht im Stich! Wenn Sie nicht bis zum ... spenden, dann müssen die Kinder leider ..." Die Empfänger solcher Werbung haben keine faire Chance. Dafür gibt es kein "Spenden-Siegel". Eine Spende muss eine freiwillige Gabe sein.
Sind Werbungskosten schlecht?
Nein, Werbung um Spenden muss sein, sonst kommt ja nichts rein. Und es können auch hohe Werbungskosten bis 30 Prozent gerechtfertigt sein, sagt DZI-Chef Wilke. Es ist nämlich viel schwieriger und also teurer, zum Beispiel für hilfsbedürftige alte Menschen um Spenden zu werben als für Not leidende Kinder.
Und wie schlecht sind Verwaltungskosten?
Verwaltung ist notwendig, man denke an die Buchhaltung, die Wirtschaftsprüfung, die Spenderbetreuung, die juristische Beratung. "Wenn man zu wenig für Verwaltung ausgibt, verliert man den Überblick, macht dringend notwendige Kontrollen nicht", sagt Burkhard Wilke vom DZI. Weniger als zehn Prozent Verwaltungskosten – so wie bei Brot für die Welt – gelten als niedrig, aber auch 30 Prozent können noch angemessen sein, aufwendig ist zum Beispiel die Kommunikation mit Paten und Patinnen bei Kinderpatenschaften. Oder die Verwaltungskosten liegen mal bei außerordentlichen 40 Prozent, weil im ersten Jahr Büromöbel und Software gekauft wurden. Oder es musste wegen des Kriegs im Sudan die Projektarbeit reduziert werden, die Verwaltungskosten aber liefen weiter. "Wir bewerten das im Einzelfall und haken nicht blind einen Prozentsatz ab", sagt der DZI-Chef.
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Alles eine Familie oder was?
Wenn im Vorstand fünf Personen sitzen, darunter Mann, Frau, ihre zwei Kinder und nur eine nicht verwandte Person – solche Abhängigkeiten sind schwer vereinbar mit guter Unternehmensführung. Auch danach fragt das DZI in der Prüfung fürs Siegel. Und: Gibt es einen Aufsichtsrat oder kann da ein Vorstand gänzlich unbeaufsichtigt das Geld ausgeben?
Wie viele fallen durch?
Im ersten Angang fallen etwa 30 Prozent der das Spenden-Siegel beantragenden Organisationen durch. Sie werden aber beraten, was sie für den nächsten Versuch besser dokumentieren sollen, wie sie ihre Organisation besser aufstellen, welche Kosten womöglich zu hoch sind ...
Zu viel Bohei um Transparenz?
Man kann natürlich fragen, ob es nun wirklich so bedeutsam ist, dass eine Spenden sammelnde Organisation ausführlich über sich Auskunft gibt. Nur: Wie anders soll man als Spender/Spenderin dieses "Produkt" denn sonst beurteilen? Man kauft als Spenderin ja nicht Waren wie eine Hose, ein Auto, ein Lebensmittel, da kann man die Qualität selbst beurteilen und die Waren im Zweifelsfall zurückgeben. Bei einer Spende aber muss man vertrauen. Und vertrauensbildend ist, wenn eine Organisation ausführlich über sich selbst Auskunft gibt.
Machen die mit meinem Geld die Welt wirklich besser?
Als Spenderin möchte ich nicht nur sicher sein, dass die Organisation mein Geld nicht in die eigene Tasche steckt oder verschleudert, ich will auch wissen, ob sie ihre Ziele erreicht, ob mein Geld die Welt besser macht. Spendenorganisationen sollten also regelmäßig Wirkungsanalysen durchführen und aus Fehlern dann auch lernen. Das DZI prüft, ob eine Organisation geeignete Verfahren zur Wirkungsbeobachtung anwendet und lässt sich auch Aufsichtsratsprotokolle vorlegen: Zieht die Organisation aus einer kritischen Wirkungsanalyse Schlüsse für die Zukunft?
Manche finden, dass das DZI zu wenig Gewicht legt auf die Beurteilung der Wirksamkeit, etwa die Spendenplattform "Effektiv Spenden". Laut DZI ist man am Thema Wirkungsanalyse dran, will die Organisationen aber auch nicht überfordern.
Sind die denn jetzt seriös oder nicht?
Es gibt ein sehr niederschwelliges Label: die Selbstverpflichtung der Initiative Transparente Zivilgesellschaft. Wer zehn bestimmte Informationen über die eigene Organisation auf der Homepage gut auffindbar bereithält (meist unter dem Reiter "Über uns"), darf das Label "Transparente Zivilgesellschaft" tragen. Man muss zum Beispiel angeben, wie viel Geld man im vergangenen Jahr einnahm, wie viel man ausgab, wer die Führungspersonen sind, auch einen Tätigkeitsbericht muss man online stellen. Ob die Informationen stimmen, wird nicht überprüft. Wie so eine Transparenz aussehen kann, macht Transparency International Deutschland am eigenen Beispiel vor. Fast 2000 Spenden sammelnde Organisationen haben sich bislang zu dieser Transparenz selbst verpflichtet, hier auffindbar. Manche tragen außerdem noch das viel aussagekräftigere Spenden-Siegel.
Selbst prüfen – so gehts
Was tun, wenn eine Organisation nicht mal das Transparenz-Label trägt? Man kann auf der Website nachschauen, ob sie von einer öffentlichen Institution gefördert wird, etwa von einem Bundesministerium – das wäre dann auch ein Hinweis, dass noch jemand auf das Geschäftsgebaren guckt. Ansonsten hilft nur ein Selbstcheck anhand der Website: Ist die "Gemeinnützigkeit" der Organisation vom Finanzamt anerkannt? Gibt es auf der Website einen Jahresbericht? Den findet man meist unter dem Reiter "Über uns" oder unter "Transparenz".
Soll ich wirklich einen Jahresbericht lesen?
Ja, und das ist gar nicht schwer. Ein Jahresbericht ist ja kein reiner Bilanzbericht. Vielmehr berichtet die Organisation, was sie gemacht hat, was besondere Herausforderungen in dem Jahr waren, natürlich auch, wie viel Geld reinkam, wie viel man für was ausgegeben hat – was für Werbung, was für reine Projektkosten (zum Beispiel für die Rettung von schiffbrüchigen Flüchtlingen). Tipp: Auch checken, ob ein größerer Batzen für "Sonstiges" angegeben wird, ohne dass erklärt wird, was "Sonstiges" beispielsweise beinhaltet. Enthält der Jahresbericht sogar Angaben zur Wirkungskontrolle bei den Projekten, zu Erfolgen und Misserfolgen, dann ist das ein bereits überdurchschnittlich aussagekräftiger Bericht und also ein guter Hinweis auf Vertrauenswürdigkeit, sagt das DZI in seiner Liste für den Selbstcheck. Und hier gibt es eine nüchterne Checkliste für einen aussagekräftigen Jahresbericht.
Eine erste Version dieses Textes erschien am 27.06.2024.