chrismon: Ende Januar starben zwei Menschen in einem Regionalzug von Kiel nach Hamburg, ein Geflüchteter mit ungeklärter Staatsangehörigkeit hatte sie mit dem Messer angegriffen und weitere Fahrgäste schwer verletzt. Seitdem wird über sogenannte Ausländerkriminalität debattiert. Wie kann man Angst und Empörung versachlichen?
Cordula von Denkowski: Zunächst einmal ist eine sorgfältige Aufklärung der Tat und ihrer Hintergründe notwendig. Das ist Aufgabe von Polizei und Staatsanwaltschaft. Was die öffentliche Debatte über Gewaltkriminalität von Menschen ohne deutschen Pass angeht, gibt es sicherlich viele gute, wissenschaftlich gestützte Argumente, die zur Versachlichung beitragen und Vorurteile entkräften könnten. Sie werden seit vielen Jahren immer wieder vorgebracht. Das Problem ist, dass eine rein rationale Argumentation aus meiner Sicht zu kurz greift, da sie die Ebene der Gefühle ausblendet.
Wie meinen Sie das?
Wenn wir von Gewalttaten wie jenem Messerangriff im Zug erfahren, löst das in den meisten Menschen Gefühle aus: Mitgefühl, Trauer, aber auch Angst oder Wut. Gefühle zu empfinden und auszudrücken, wenn anderen etwas zustößt, auch wenn wir selbst nicht unmittelbar betroffen sind, ist etwas zutiefst Menschliches.
Cordula von Denkowski
Nils Husmann
Was folgt daraus?
Wir sollten emotionale Reaktionen auf Gewalttaten nicht per se als etwas "Irrationales" abwerten, das es mit Hilfe von Ergebnissen der aufgeklärten Wissenschaft zu überwinden gilt. Vielmehr sollten wir anerkennen, dass Gefühle für uns Menschen als soziale Wesen eine große Rolle spielen, wenn eine so schwere Straftat passiert. Diese Emotionen können wir nicht einfach wegwischen.
Wo kommen solche Emotionen her?
Das ist ganz unterschiedlich. Nehmen wir als Beispiel die Kriminalitätsfurcht. Viele Menschen haben Angst, Opfer einer Straftat zu werden. Diese Angst entspricht aber oft nicht dem tatsächlichen Risiko. Die Anzahl schwerer Gewalttaten in Deutschland ist seit Jahren rückläufig. Dennoch scheint uns der öffentliche Raum heute oft unsicherer zu sein als je zuvor. Wenn zwei unschuldige Menschen in einem Zug erstochen werden, sehen wir uns in unserer Angst bestätigt. Schließlich bekommen wir über die Medien in Echtzeit alles mit. Und diese Angst wird durch die derzeitige allgemeine Krisenstimmung noch verstärkt.
"Wir können unsere Gefühle kontrollieren"
Und wie nehmen Sie diese Stimmung wahr?
Wir befinden uns in einer Zeit mit vielen Krisen: Corona-Pandemie, Klimakrise, Ukrainekrieg, Energiekrise und Inflation. Diese Gleichzeitigkeit lang anhaltender globaler Krisen weckt und verstärkt Ängste, die aber schwer zu fassen sind. Denn die Ursachen der Krisen sowie die Wege hin zu ihrer Überwindung sind komplex und entziehen sich weitgehend unserer persönlichen Kontrolle. Damit umzugehen, ist für die menschliche Psyche sehr schwierig.
Warum?
Was unsere Ängste angeht, steckt in uns noch das Reaktionsmuster der Urmenschen, die von Raubtieren angegriffen wurden. Bis heute kann unser Gehirn - wenn es eine mögliche Bedrohung erkennt - unseren Körper in Sekundenbruchteilen auf Kampf oder Flucht vorbereiten. Aber bei den heutigen Bedrohungslagen hilft uns dieses Muster nicht. Gegen unsere heutigen Krisen kann man als einzelner Mensch nicht kämpfen, man kann auch nicht vor ihnen weglaufen. Und diese Erfahrung kann zu Ohnmachtsgefühlen und diffusen Ängsten führen. Der menschlichen Psyche fällt es leichter, mit Angst umzugehen, wenn diese Angst auf eine konkrete Ursache bezogen ist. Daher liegt es nahe, diffuse Ängste auf konkrete Menschen oder Menschengruppen zu projizieren.
Auf welche zum Beispiel?
Auf wen Angst projiziert wird, hat mit Vorurteilen zu tun, also mit negativen Einstellungen gegenüber Personen, die wir einer bestimmten Gruppe zuordnen. Vorurteile machen sich oft an äußerlich sichtbaren Merkmalen fest. Beispielsweise wird eine Person allein aufgrund ihres männlichen Geschlechts und ihrer dunklen Hautfarbe für gewalttätig und kriminell gehalten, weil dies dem Vorurteil "krimineller Ausländer" entspricht. Krisenbedingte diffuse Ängste lassen sich daher gut auf Menschen übertragen, denen wir Gewalt und Kriminalität aufgrund äußerer Merkmale zuschreiben. Das passiert automatisch, Vorurteile werden in Sekundenbruchteilen in unserem Gedächtnis aktiviert, auch bei ganz aufgeklärten, reflektierten Menschen. Angenommen, ich als Frau sitze in einem Bus und zwei junge Männer mit dunklem Teint und Kapuzenpullis steigen ein und setzen sich in meine Nähe. Ich reagiere auf sie intuitiv anders, als wenn zwei mittelalte Männer mit weißer Haut und Krawatte zusteigen.
Das klingt so, als könnten wir unseren Vorurteilen überhaupt nicht entkommen.
Doch, denn die gute Nachricht ist: Wir können zwar nicht verhindern, dass Ängste in uns aufsteigen - aber wir können unsere Gefühle kontrollieren, indem wir sie uns bewusstmachen. Auf diese Weise können wir verhindern, dass unser Handeln von unbewussten Vorurteilen gesteuert wird.
Aber dann kommt so eine schreckliche Nachricht wie die aus dem Regionalzug, der in Brokstedt in Schleswig-Holstein zum Halten kam …
Ja, so ein fürchterliches Ereignis macht etwas mit uns. Solche Straftaten führen dazu, dass Vorurteile hochkommen und Emotionen aufflammen. Damit muss man umgehen, es hilft nichts, Gefühle zu verdammen. Auch bei so einer Katastrophe gilt, dass wir unsere Emotionen bewusst wahrnehmen, reflektieren und kontrollieren können. Rationale Argumente können dabei helfen.
Welche Argumente können das sein?
Wir wissen, dass Gewaltkriminalität überwiegend ein männliches Phänomen ist. Unter Geflüchteten in Deutschland sind bislang junge Männer überrepräsentiert, und junge Männer begehen seit jeher und in den meisten Gesellschaften mehr Straftaten als ältere. Es ist deshalb logisch, dass es in dieser Gruppe überproportional viele Straftäter gibt. Das heißt aber eben genau nicht, dass alle Geflüchteten kriminell sind. Außerdem sind die Kriminalitätsraten von Zuwanderern in Deutschland seit 2016 rückläufig, besonders bei Gewalttaten. Diese Argumente können wir Emotionen entgegensetzen. Aber noch mal: Dass wir mit starken Gefühlen auf solche Taten reagieren, ist vollkommen normal!
"Menschen, die an einer psychischen Störung leiden, sind nicht generell gewaltbereit"
Häufig heißt es nach Straftaten wie in Brokstedt, der Täter habe einen psychisch auffälligen Eindruck gemacht. Was sagt uns das?
Ob der Täter psychisch erkrankt ist, lässt sich nicht aus einem ersten Eindruck schließen. Dafür ist eine ausführliche psychiatrische Diagnostik notwendig. Klar ist aber: Menschen, die an einer psychischen Störung leiden, sind nicht generell gewaltbereit. Das belegen viele Studien. Psychischen Störungen und Gewaltdelikten liegen aber gemeinsame Risikofaktoren zugrunde. Beispielsweise erhöhen Erfahrungen körperlicher und sexueller Gewalt in der Kindheit oder fehlende soziale Unterstützung sowohl das Risiko, psychisch zu erkranken, als auch eine Neigung zu Gewalttaten auszuprägen.
Und das gilt ohne Einschränkungen?
Lediglich unbehandelte Psychosen und Suchterkrankungen gehen mit einem erhöhten Gewaltrisiko einher. Dieses Gewaltpotenzial lässt sich durch geeignete medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung aber deutlich verringern. Menschen mit Psychosen nehmen die Welt mitunter ganz anders wahr als andere. Sie sehen beispielsweise eine Bedrohung, wo keine ist, und reagieren deshalb aggressiv. Wenn sie nach einer Gewalttat für schuldunfähig erklärt werden, heißt das nicht, dass sie dann auf freien Fuß kommen. Um ihre psychische Störung angemessen behandeln zu können, werden sie im Maßregelvollzug untergebracht.
Sie haben sich auch mit traumatischen Erfahrungen beschäftigt, die Menschen vor, während und nach ihrer Flucht machen. Viele fragen sich nun: Sind traumatisierte Geflüchtete potenziell gefährlich?
Längst nicht alle Geflüchteten sind traumatisiert. Auch extrem belastende Erfahrungen vor und während der Flucht führen nicht zwangsläufig zu einer Traumafolgestörung. Doch selbst Geflüchtete, die etwa unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden, haben kein generell erhöhtes Gewaltpotenzial im Vergleich zu Nichttraumatisierten. Zwar kommt im Zusammenhang mit sogenannten Flashbacks – also dem unwillkürlichen Wiedererleben traumatischer Situationen – aggressives und gewalttätiges Verhalten durchaus vor, aber das ist nicht die Regel, da Menschen mit Traumatisierungen eher dazu tendieren, sich sozial zurückzuziehen. Geflüchtete sind jedoch häufig von einer Mehrzahl der bereits genannten Risikofaktoren betroffen, die sowohl zu Gewalt als auch zu psychischen Störungen führen können.
Also sind es eher die Lebensumstände, die Gewaltkriminalität bei Geflüchteten begünstigen? Und nicht die Fluchterfahrung?
Psychologische Forschung hat mehrfach gezeigt, dass insbesondere eine unsichere Bleibeperspektive sowie alltägliche Erfahrungen von Ausgrenzung und Diskriminierung im Aufnahmeland die psychische Gesundheit von Geflüchteten langfristig beeinträchtigen – und zwar unabhängig vom Ausmaß belastender Erfahrungen vor und während der Flucht. Hinzu kommt, dass der Zugang zu psychotherapeutischer Behandlung für Geflüchtete erschwert ist.
Warum ist das so?
Dies liegt unter anderem daran, dass die medizinische Versorgung von Asylsuchenden durch das Asylbewerberleistungsgesetz erheblich eingeschränkt ist, indem nur solche Leistungen vom Sozialamt bezahlt werden, die der Behandlung von akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen dienen oder die für die Sicherung der Gesundheit unerlässlich sind. Ob eine Psychotherapie im Einzelfall als eine erforderliche Behandlung eingeschätzt wird, liegt im Ermessen der Behörden. Eine ähnliche Schwierigkeit ergibt sich bei der Finanzierung von geschulten Sprachmittlern, obwohl unstrittig ist, dass eine Psychotherapie nur erfolgreich sein kann, wenn Klienten und Therapeuten sich gut verständigen können.
Der Täter von Brokstedt ist mehrfach vorbestraft und war kurz vorher aus der Haft entlassen worden. Wie ist das zu bewerten?
Ob es in diesem konkreten Fall Versäumnisse der Justiz gab, wird zurzeit geprüft. Aus der kriminologischen Forschung wissen wir, dass die häufigsten Rückfälle von Straftätern relativ kurz nach Haftentlassung geschehen. Ein professionelles Übergangsmanagement sowie Bewährungshilfe durch Sozialarbeitende kann jedoch Rückfälle verhindern. Bei haftentlassenen Geflüchteten wird die notwendige Unterstützung bei der Wohnungs- und Arbeitssuche sowie der Entwicklung von legalen Zukunftsperspektiven allerdings durch asyl- und aufenthaltsrechtliche Einschränkungen erheblich erschwert. So kann es, wie im Fall Ibrahim A., dazu kommen, dass Geflüchtete nach der Haft in Sammelunterkünfte oder in die Obdachlosigkeit entlassen werden – mit allen Problemen, die damit verbunden sind.
Emotionen
Chrismon: "Wo kommen solche Emotionen her?"
Ganz einfach: Die URSACHE, aller Probleme unseres konfusionierten "Zusammenlebens" in gleichermaßen unverarbeiteter Bewusstseinsschwäche (Angst, Gewalt und egozentriertem "Individualbewusstsein"!!!) und wettbewerbsbedingter Symptomatik im geistigen Stillstand (die in Vorsehung zur Überwindung gestellte "göttliche"/vernünftige Sicherung), seit Mensch (Das ganzheitliche Wesen des Geistes der Gott/Vernunft und ... ist!!!) erstem und bisher einzigen geistigen Evolutionssprung ("Vertreibung aus dem Paradies"), ist der WETTBEWERB (Wettbewerb um die Deutungshoheit des zeitgeistlich-reformistischen Kreislaufes im imperialistisch-faschistischen Erbensystem!!!), wo ebenbildliche Kommunikation das globale Gemeinschaftseigentum "wie im Himmel all so auf Erden" fusioniert-organisiert gestalten sollte, OHNE ...!
Auflösung holographischer Konfusion
NICHTS gehört dem "Einzelnen/Individualbewussten" allein, sogar unsere Gedanken nicht, weil diese auch immer abhängig von Geist und Gemeinschaft geprägt wachsen/wachsen können, um den Illusionen des holographisch-programmierten Universums den Sinn des Lebens zu geben (Möglichkeiten der gottgefälligen / einzig vernünftigen Fusion zu geistig-heilendem Selbst- und Massenbewusstsein).
Für das GANZHEITLICHE Wesen Mensch: Jesaja 55, 8-11
"... kann man als einzelner nicht kämpfen"
Ja, schon Jesus hat dies den Menschen versucht klar zu machen und frustrierte - Matthäus 21,18-22