Titelthema - Eine Mutter klagt an
Der Täter hat lebenslänglich. "Ich auch", sagt Marianne H. Sie trauert um Tochter und Enkelkind - und ringt um politische Haltung
Jonas Ludwig Walter
Kriminalität
Eine Mutter klagt an
Ihre Tochter und ihr Enkel ­wurden ermordet. Der Täter stammt aus Algerien. Marianne H. findet, seine Kultur hat den Täter gefährlich gemacht. Doch ist das wirklich so einfach?
Aktualisiert am 07.08.2024
17Min

Marianne H. ist 64 Jahre alt, als sie zum ersten Mal in ihrem Leben ­eine Demonstration besucht. Es ist der 8. März 2019, Weltfrauentag. Ein kalter Wind weht über den Hamburger Gänsemarkt. Die Vereinigung "International Women in Power" hat mit der "Initiative an der Basis" zu einem Protestmarsch aufgerufen, "­Migrantinnen demonstrieren in Hamburg gegen die Unter­drückung von Frauen und Mädchen". Einige Demonstrantinnen halten Fotos in den Händen. Viele der abgebildeten Frauen sind Iranerinnen. Sie sitzen in Haft oder sind tot – hin­gerichtet. Auch Marianne H. hat ein Bild dabei, es fällt auf, weil die Frau und der kleine Junge darauf blond sind. Auch sie leben nicht mehr – ermordet.

Marianne H. wirkt, als würde sie sich fragen, wo sie hingeraten ist. Drei Frauen schwirren um sie herum, eine von ihnen hat es eilig: "Schnell, stellt euch in die erste Reihe!", sagt sie. Als Hourvash Pourkian, die Organisatorin der Demo, ihre Rede beginnt, hält Marianne H. mit einer Hand ein Banner der "Initiative an der Basis" fest. Mit der anderen Hand reckt sie ein Schild hoch. "Wacht auf! Hört auf zu schweigen" steht in weißer Schrift auf schwarz bemalter Pappe. Pourkian fordert die Gruppe auf, ihre Parolen zu wiederholen oder ein dreifaches Nein! zu entgegnen. "Wir fordern Solidarität mit den Frauen im Iran!" Als Pourkian "Wir sagen Nein zu Ehrenmorden!" ruft, schreit Marianne H.: "Nein! Nein! Nein!" Es bleibt einer der wenigen Momente, in denen sie sich an diesem Nachmittag verstanden fühlt.

Die Demo zieht zum Rathausmarkt. Eigentlich sollte Marianne H. dort ihre Geschichte erzählen. Aber ihr Beitrag wurde gestrichen. Sie weiß nicht, wer das entschieden hat. Ihre Rede hätte mit den Worten begonnen, die sie oft wählt: "Meine Tochter Anne und mein Enkelkind Noah wurden mit dem Messer bestialisch ermordet. Der Täter war der Vater und Lebensgefährte, er war 2002 als Flüchtling aus Algerien gekommen."

Ortswechsel. Ein Dorf bei Eckernförde in Schleswig-­Holstein. Hier lebt Marianne H. als Künstlerin. Draußen blühen die Forsythien, in der Ferne ist die Ostsee zu sehen. Ihr Garten hat sie vor zwei Jahren daran erinnert, dass es irgendwie weitergehen muss. Nun ziehen Regenschauer auf. Marianne H. sitzt an ihrem Esstisch und sagt: "Ich gehe mit Anne ins Bett, und ich stehe morgens mit ihr auf. Ich war ihr nie so nah wie heute, obwohl sie tot ist."

Anne und Noah Metzger nach dem Umzug in die neue Wohnung im Mai 2017

Anne Metzger, Jahrgang 1978, ist das erste Kind von ­Marianne H. und ihrem Ex-Mann. Anne kam in Freiburg zur Welt, zwei Brüder folgten. Die Familie zog nach Schleswig-­Holstein, in ein Dorf nahe der Schlei, Marianne H. nennt es "unser Bullerbü", aber Freiburg fehlte ihr anfangs.

Marianne H.: Die Stadt war früh eine Grünen-Hochburg, das kam mir als Ökofrau entgegen. Das wollten wir an die Kinder weitergeben. "Du musst in die Welt hinaus!", haben wir zu Anne gesagt, als sie mit der Schule fertig war. Wir schickten sie ein Jahr nach Irland zur Schule. Heute würde ich sagen: Es gibt Gefahren, die nicht zu unterschätzen sind! Wir hatten eine gute Zeit in Deutschland. Das hat uns sorglos gemacht. Die Schrecken passierten früher woanders. Jetzt kommt alles zu uns. Ich mache mir Vorwürfe, dass ich die Kinder liberal und zur Gutgläubigkeit erzogen habe.

2002 zog Anne, die Tochter, zurück nach Freiburg. Sie heiratete, die Ehe scheiterte. 2009 traf sie Nasr-Eddine B., einen 13 Jahre älteren Mann, der 2002 als Asylbewerber aus Algerien nach Deutschland gekommen war. Beide machten in Heidelberg eine Ausbildung zur Pflege­dienstleitung.

Marianne H.: Anne sagte, ihr Freund heiße Dino. Ich fragte: Ist er Italiener? Sie antwortete: Nein, Algerier. – Ich freute mich für Anne, ihre Stimme klang optimistisch. Ich wollte nicht mit Vorurteilen kommen. Wir trafen uns. Dino nahm die Schirmmütze zur Begrüßung nicht ab. Das störte mich, und das zeigte ich auch.

Nasr-Eddine B. zog zu Anne nach Freiburg. Wenn Marianne H. zu Besuch kam, war er meist verreist. Eine Hochzeit gab es nie, nur ein ­Ritual, mit Imam. Wo und wann – das weiß H. nicht. ­Anne, die evangelisch war, aber nur zu Familien­feiern in die ­Kirche ging, besuchte mit Nasr-Eddine B. ein ­muslimisches Zentrum. Ihre Mutter fragte am Telefon: "Willst du das – oder musst du dahin?" Anne gab keine Antwort. Nach einigen Minuten erhielt Marianne H. ­eine SMS von einer Telefonnummer, die sie nicht kannte. Sie sei rassis­tisch und diskriminierend, schrieb Dino. ­Marianne H. entschuldigte sich.

Sie erhielt eine SMS: Dich kann man nur mit ein Hammer oder ein Kugel in Kopf ­hilfen."

Im Mai 2013 sagte Anne am Telefon: "Ich bin ­
schwanger." Marianne H. schenkte sich einen Cognac ein. Am 19. ­Juni 2013 kam Noah Metzger zur Welt, ein Frühchen, nur 1600 Gramm schwer. Eine Woche vor der Geburt wollte Marianne H. am Telefon wissen, wie Nasr-Eddine B. an die deutsche Staatsbürgerschaft gekommen sei. Unter Tränen erwiderte Anne, ob diese Frage sein müsse. Kurz danach erhielt Marianne H. eine SMS von Dino. "Dich kann man nur mit ein Hammer oder ein Kugel in Kopf ­hilfen." Ostern 2014 möchte Marianne H. Tochter und ­Enkel besuchen. Anne lässt sie wissen, dass Dino darüber nicht erfreut sein würde. Als sie im ICE Richtung Freiburg sitzt, kommt wieder eine SMS: "Mir und mein Sohn kommst du ein Schritt nähr, schwere ich bei Gott schlachte ich dich wie ein Hase aus. Dino."

Ihren Enkelsohn konnte Marianne H. nur heimlich ­treffen, solange er nicht erzählen konnte, dass er Oma ge­sehen hatte. Im Herbst 2016 war Anne am Ende ihrer ­Kräfte, sie sagte ihrer Mutter, ­Dino könne das Kind haben, nahm diesen Satz aber wieder zurück. Marianne H. weiß noch, dass sie 
ihre Tochter umarmte und sagte: 
"Anne, man muss nicht so ­leben, wir halten zu dir." ­Ende 2016 trennte sich Anne von ­Dino. Wer eine Wohnung fände, ­würde ausziehen, Noah sollte abwechselnd bei Mutter und ­Vater leben, geteiltes Sorge­recht.
Anne fürchtete sich zu­nehmend vor ihrem Ex-­Partner. Einer Freundin vertraute sie an, dass sie eingeäschert ­werden wolle, sollte sie eines un­natürlichen Todes sterben, sonst wünsche sie eine Erd­bestattung. Annes Vater kaufte eine Wohnung in Teningen, 20 Kilometer von Freiburg entfernt. Am 5. Mai 2017 entdeckte Nasr-Eddine B. im Flur einen Rucksack, in dem auch Sachen für Noah waren. Er erkannte, dass Anne mit dem Kind ausziehen wollte. Und er drohte ihr, laut Annes Aussage bei der Polizei mit den ­Worten: "Das Ganze wird für dich ­blutig enden." Die ­Beamten ­notierten in ihrem Bericht, Nasr-­Eddine B. wirke aggressiv. Unter Polizeischutz zog Anne am 6. Mai 2017 mit Noah aus. Die Adresse hielt sie geheim. Tags darauf bekam Annes Vater eine SMS: "Noah ist mein Sohn, kein Mensch auf der Welt kann ihn mir nehmen." Absender: Dino.

Es gab wieder eine ­Perspek­tive für Nasr-Eddine B. – aber auch schlechte Nachrichten

Am 11. Mai 2017 sprach das Amtsgericht Freiburg ein Annäherungsverbot aus. Nasr-Eddine B. musste wegbleiben von Anne und Noah. Dino machte Druck beim Jugendamt, das einen begleiteten Umgang beim Kinder­schutzbund vermittelte. Am 20. Juli 2017 sahen sich Vater und Sohn für eine Stunde, eine Mitarbeiterin des Kinderschutzbundes war dabei. Sie notierte, der Vater verhalte sich überbehütend, aber empathisch. Über zwei Monate hatte Dino Noah nicht gesehen, nun gab es eine ­Perspek­tive für ihn – aber auch schlechte Nachrichten: ­Anne wollte mit dem Sohn Urlaub in Schleswig-Holstein machen. Am 27. Juli 2017 schickte Nasr-Eddine B. um 21:22 Uhr eine Mail an seine Anwältin. Die weite Fahrt im Auto sei zu viel für das Kind, er werde "aktiv". Obwohl das Gericht es ihm verboten hatte, war Nasr-Eddine B. Anne zur neuen Wohnung gefolgt.

Am 28. Juli um kurz nach acht Uhr rammte Nasr-Eddine B. mit einem Mietwagen Annes Auto, als sie zur Arbeit fahren wollte. Mit dem Griff eines Messers schlug er Scheiben ein, Noah saß hinten im Kindersitz. Als Nasr-Eddine B. im Auto war, trat Anne nach ihm. Er stach zu, allein acht Mal in Annes Brustkorb, zwei Mal bis ins Herz. Nachbarn versuchten zu helfen, sie hörten, wie Anne um Hilfe schrie und wie ­Noah rief: "Nein, Papa, nein!" Eine Frau zog Nasr-Eddine B. am Hosen­bund. Einem Mann gelang es, mit einem Stein die Scheibe neben Noahs Sitz einzuwerfen. Als er das Kind befreien wollte, stach Nasr-Eddine B. zwei Mal auf seinen Sohn ein. Das Messer ließ er stecken, kletterte über seinen sterbenden Sohn hinweg ins Freie und fuhr davon. Ein Zeuge sagte der ­Polizei: "So ruhig, als wenn er Zigaretten geholt hätte, relaxt und gediegen, gelassen, als sei nichts gewesen."

Marianne H. sagt: "Er hat lebenslänglich – ich auch."

Im April 2018 verurteilte die 1. Große Strafkammer am Landgericht Freiburg Nasr-­Eddine B. wegen Mordes an Anne Metzger und wegen Totschlags an Noah zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Die Richterinnen und Richter gingen davon aus, dass Nasr-­Eddine B. seinen Sohn nach ­Algerien entführen wollte. Er hatte im Internet nach ­Flügen gesucht. Anne Metzger musste sterben, weil sie sich gegen die Entführung wehrte. Als der Täter erkannte, dass sein Plan nicht aufgehen ­würde, erstach er auch seinen Sohn. Das Gericht stellte die ­besondere Schwere der Schuld fest. Damit hat Nasr-­Eddine B. keine Aussicht, nach 15 Jahren freizukommen. Ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie be­scheinigte dem Täter ­eine narzisstische Persönlichkeitsstörung; ­eigenes Ver­sagen blende er aus. Kritisiere ihn jemand, könne er schnell entgleisen. Seine Schuldfähigkeit sei aber nicht beeinträchtigt.

Marianne H. war erleichtert, der Mörder hat die maximale Strafe erhalten. Ihr persönlicher Prozess geht ­weiter. "Er hat lebenslänglich – ich auch", sagt sie. Auf ihrer Anklage­bank: die Gesellschaft, die Politik, die Medien, sie selbst und das Schicksal, wieder und wieder, jeden Tag.

Sie klagt die Gesellschaft und die Politik an, das ist sie ihrer Tochter schuldig

Das Schicksal, weil Kleinigkeiten alles hätten verhindern können. Die Mail des Täters an seine Anwältin, er werde "aktiv" – hätte die Anwältin die doch früher gelesen, vielleicht hätte sie die Polizei verständigt? Dann wieder hadert sie, dass die geplante Reise in den Norden die Tat auslöste. "Das Messer galt mir, weil der Mörder es nicht ertragen konnte, dass die beiden zu uns kommen." Ein paar Sätze später klagt sie Gesellschaft und Politik an; sie findet, sie muss das tun, weil sie es ihrer Tochter schuldig ist.

Als Anne und Noah starben, war Migration ein großes Thema. Umfragen sagten voraus, dass mit der AfD eine ­Partei in den Bundestag einziehen würde, die rechts­extreme Positionen vertritt. Wenngleich er viel früher, 2002, nach Deutschland gekommen war, steht der Fall Nasr-Eddine B. für Fehler, die viele Menschen empören. Sein Antrag auf Asyl war als "offensichtlich un­begründet" abgelehnt worden. Im Bescheid steht, Nasr-Eddine B. ­habe eine "offen zur Schau ge­tragene Desinteressiertheit" ­gezeigt. Seine Behauptung, er sei in Algerien gefoltert worden, sei "erkennbar frei erfunden". Ihm drohte die Ab­schiebung. Aber er blieb, heiratete im ­November 2002 eine Deutsche. 2007 wurde Dino Deutscher, die Ehe wurde nach der Einbürgerung geschieden.

Marianne H.: In den Medien wurde der Mord als Beziehungs­tat abgetan, der Täter als in ­Algerien geborener Deutscher dargestellt. Für mich ist er kein Deutscher. Er ist Algerier. Wenn ein Mensch Kindheit und Jugend in einer anderen Kultur verbringt, ändert er sein Werte­gerüst nicht mehr so sehr. Ich habe Freunde, die ungehalten werden, wenn ich sage: Anne und Noah sind von einem ­Algerier ermordet worden. Sie sagen: Marianne, betone das doch nicht so! Es gibt doch auch die Lieben, Guten, Netten. - Das hilft mir aber nicht. Das war mehr als nur eine Beziehungstat. Und ich erwarte, dass wir uns damit auseinandersetzen.

Die Prozessakten sind voller Hinweise darauf, dass Nasr-­Eddine B. Frauen verachtet. Erst nach dem Mord erfuhren Annes Eltern, dass er ihrer Tochter schon früh verboten hatte, Freunde zu treffen. Sie musste sich sogar eine neue Handy­nummer zulegen. Nach Noahs Geburt ver­stärkte sich der Kontrollzwang noch. In einer Kindertages­einrichtung, die Noah besuchte, strich er einer Erzieherin übers Haar und sagte: "Die hat ja nichts im Kopf." Der Chef der Kita gab zu Protokoll: "Herr B. hat seinen Sohn und seine Frau als Eigentum behandelt." Ist das ein Gehabe, das viele Männer an sich haben, egal, woher sie kommen? Oder ist es typisch für bestimmte Kulturkreise?

2017 wurden 141 Frauen durch den Ehemann oder Ex-Partner getötet

2017 wurden in Deutschland 114 000 Frauen Opfer von häuslicher Gewalt, so steht es im "Lagebericht Partnerschaftsgewalt" des Bundeskriminalamtes (BKA). Zur Partner­schaftsgewalt zählen viele Delikte – Körperverletzung, Vergewaltigung, Bedrohung oder Stalking. In dem Jahr, in dem Anne und Noah Metzger starben, wurden 141 Frauen durch den Ehemann oder Ex-Partner getötet. "Familien­drama" oder "Beziehungstat" heißt es häufig in den Medien. Im Jahr 2023 sind 155 Frauen und 24 Männer sind im Jahr 2023 durch ihre Partner oder Ex-Partner getötet worden.

Im "Spiegel" kommentierte Familienministerin ­Franziska Giffey die Zahlen aus dem Jahr 2017. Auf die Frage, ob sie einen Zusammenhang zwischen den Zahlen zur häuslichen Gewalt und der gestiegenen Einwanderung sehe, sagte die SPD-Politikerin: "Beim Thema Partnerschaftsgewalt liegt der Anteil deutscher Staatsangehöriger unter den Tat­verdächtigen laut Statistik bei knapp 68 Prozent. Das Problem geht durch alle gesellschaftlichen Schichten und alle ethnischen Hintergründe. Die Einzelbericht­erstattung zeichnet ein anderes Bild. Wenn man die Zeitung liest, hat man manchmal das Gefühl, nur Flüchtlinge und ­Migranten verprügeln und töten ihre Frauen, weil diese Fälle immer ganz groß dargestellt werden."

32 Prozent aller Partner­schaftsdelikte gehen auf Menschen ­zurück, die keinen deutschen Pass ­haben

Wahr ist aber auch: 32 Prozent aller Partner­schaftsdelikte gehen auf Menschen ­zurück, die keinen deutschen Pass ­haben. Diese Gruppe ist unter den Tätern über­repräsentiert, denn der Anteil der in Deutschland ­lebenden Menschen mit fremdem Pass beträgt zwölf Prozent. Wahr ist wiederum auch: Die Männer, die 2017 eines Deliktes aus dem Bereich der Partnerschafts­gewalt verdächtig waren – die gestalkt, bedroht, eine Frau ­körperlich verletzt oder gar getötet haben – ­kommen nicht nur aus muslimisch geprägten Ländern. Acht ­Prozent haben einen polnischen und je vier Prozent einen rumänischen, serbischen und italienischen Pass. Und die meisten einen deutschen.

Den 141 Frauen, die 2017 durch ihre Männer zu Tode kamen, konnte die Polizei 142 Tatverdächtige zuordnen. Von ihnen waren 107 deutsche Staatsangehörige – mehr als 75 Prozent. Auch der Mörder von Noah und Anne ist deutscher Staatsbürger. Den Anteil der Verdächtigen mit Migrationshintergrund, die erst Deutsche wurden, erfasst das BKA nicht.

Marianne H.: Eine Freundin sagte mir, deutsche Männer morden auch. Ja, es gibt ein Problem mit Männlichkeit. Aber dieses Scharia-Geticke macht Männer gefährlicher. Diese Gefahr potenziert sich durch ihr soziokulturelles Verhalten, das uns fremd ist. Frauen gelten manchen Muslimen als minderwertig.

Anfangs mochte Marianne H. nicht ans Grab. Heute ist sie fast täglich dort und redet mit ihren Toten

Manchmal differenziert Marianne H., als sei sie um eine wissenschaftliche Einordnung ihres eigenen Dramas bemüht. Sie erzählt, der Mörder ihrer Tochter und ihres Enkels habe eine schwierige Kindheit gehabt. Er sei das Kind einer zwangsverheirateten Mutter, die den Vater verlassen habe, kein Wunder werde man so zu einem schwierigen Menschen. Und: Wer seine Heimat ver­lasse, verliere immer den Halt der eigenen Kultur. So ein Mensch fühle sich immerzu unter­legen. Dann wieder erklärt sie Muslime pauschal zu einer Gefahr für Frauen.

Christine Schirrmacher, Professorin am Institut für Orient- und Asienwissenschaften der Universität Bonn: Es ist sehr schwierig, Nordafrikanern oder Muslimen pauschal bestimmte Frauenbilder zuzuschreiben. Das kann ausländerfeindliche Vor­urteile befeuern. In einigen Bereichen im Nahen Osten, die oft von Bildungsferne, Abschottung nach außen, dörflichen, stammesähnlichen Strukturen gekennzeichnet sind, hat ein archaischer Ehrbegriff überlebt, der Frauen nicht als gleichberechtigte Partnerinnen betrachtet, sondern sich das Recht nimmt, sie bei Ehrverletzungen zu bestrafen – auch mit dem Tod. Ich sage bewusst: Im Nahen Osten, weil dasselbe ­Phänomen nicht nur bei Muslimen, sondern etwa auch bei Jesiden vorkommt. In islamisch geprägten Gesellschaften wird diese Kontrolle dort, wo sie praktiziert wird, oft mit ­islamischen Begründungen unterlegt, weil das traditionell ausgelegte Scharia-Recht den Gehorsam der Frau unter ihren Ehemann als konstitutives Element der Ehe vorsieht. Man mag bei Bestrafungen von angeblichen Ehrvergessen von "Scharia" sprechen, obwohl der Ehrenmord nicht aus dem Islam kommt, sondern viel älter ist, und sich weder im Koran noch in der Überlieferung eine Begründung für Ehrenmorde finden lässt.

War die Tat an Anne und Noah ein "Ehrenmord"? ­Marianne H. ringt um ihr Urteil: Nasr-Eddine B. habe dem psychiatrischen Gutachter berichtet, die Trennung verletze sein Ehrgefühl. Manchmal betont H. in ihren Erzählungen aber auch, dass sich Nasr-Eddine B. eine Gebetsapp auf sein Handy geladen habe, nachdem sich Anne von ihm getrennt hatte – und lädt die Tat fast religiös auf. "Ich muss damit leben, in die rechte Ecke gestellt zu werden, wenn ich so denke", sagt sie. Die Unsicherheit, wie sehr Kultur und – als Teil davon – Religion Menschen prägen, sei aber bei vielen groß, spürt die Künstlerin bei Diskussionen in ihrem großen Freundes- und Bekanntenkreis.

­"Einen ‚kulturellen Freischein‘ für Frauenfeindlichkeit gibt es nicht", schreiben zwei Grünen-Politikerinnen

Debatten darüber sind aufgeheizt. Im April 2019 veröffentlichten zwei Grünen-Bundestagsabgeordnete, Ekin Deligöz und Manuela Rottmann, ein Diskussionspapier, Überschrift: "Zuwanderungsgesellschaft stärken – Frauen­feindlichkeit bekämpfen". Sie schreiben: "Viele Geflüchtete kommen aus muslimisch geprägten Gesellschaften, die stark patriarchalisch geformt sind und keine Aufklärung, Säkularisierung, Frauenbewegung und ­sexuelle Revolution erlebt haben. Wer dauerhaft in Deutschland leben will, muss sich von herab­würdigenden Frauenbildern lösen, ­welche Frauen als den Männern unter­geordnet definieren. ­Einen ‚kulturellen Freischein‘ für Frauenfeindlichkeit gibt es nicht." Beide äußerten sich auf 
Anfrage nicht näher zu ­ihrem Vorstoß. Aus ihrer Partei gab 
es Zustimmung, aber auch Kritik. Susanna Kahlefeld, als Grüne ins Berliner Abgeordnetenhaus gewählt, schrieb auf Twitter: "Toxischer Pseudo-­Feminismus ist das. Eine ­Fassade für Rassismus – verletzend für alle, die in binationalen Familien leben und nicht nach Herkunft, sondern Charakter unterscheiden."

Mathias Rohe, Jurist, Islamwissenschaftler und Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg: Die Scharia ist kein starres Gesetzbuch, sondern ein komplexes System, das die gesamte Normenlehre des Islams beinhaltet. Es geht zum Beispiel darum, wie Muslime richtig beten. Das ist von unserer Religionsfreiheit gedeckt. Normen, die patriarchalisch vorgeformt sind, sind dagegen problematisch. Aber man muss die Scharia dynamisch lesen. In vorislamischer Zeit ­wurden Frauen vererbt. Die Scharia regelte, dass sie selbst erbberechtigt wurden. Das war ein Fortschritt, und der ist auch im Islam jederzeit möglich. Das Problem ist das Patriarchat. Alle Religionen müssen sich von traditionellen Vor­stellungen lösen, die es legitimieren. Der Behauptung, der Islam könne nicht anders, als Frauen kleinzuhalten, müssen wir so entschieden entgegentreten wie den Islamisten. Sie ist falsch. Es sind vor allem kulturelle und nicht religiöse ­Prägungen, die patriarchale Strukturen stützen. Ja, in ­manchen muslimischen Milieus gibt es problematische Frauen­bilder. Es wäre diskriminierend, nicht darüber zu reden, weil wir sonst muslimischen Frauen, die in ihrer Rolle leiden, nicht helfen. Bei uns sind alle Frauen gleichberechtigt. Die Frage ist: Wie nehmen wir die Menschen mit, die kulturell so geprägt sind, dass sie ein patriarchales Rollenbild ver­innerlicht haben? Es gibt keine Patentrezepte, aber gute ­Hinweise: In Berlin reden muslimische Männer miteinander. Viele haben nie gelernt, Konflikte ohne Gewalt zu lösen. Es 
ist ­wichtig, dass es islamisch-theologische Lehrstühle in Deutschland gibt. Wir brauchen Menschen, von denen junge Leute, die sich auf die religiös-spirituelle Suche begeben, ­lernen ­können. Sonst suchen sie im Internet. Dort finden sie selten Gutes.

Marianne H. wendet sich oft mit Briefen an ­Politiker. An Familienministerin Franziska Giffey richtete sie einen Forderungskatalog: Probleme in interkulturellen Paarbeziehungen müssten Thema im Schulunterricht werden. Es müsse ­eine Institution entstehen, an die sich Partnerinnen von ­muslimischen Männern bei Konflikten wenden könnten. Die Polizei müsse mehr und interkulturell geschultes Personal bekommen. Giffey bedankte sich. 
Die Unterschrift hat Marianne H. an­gefeuchtet, um zu sehen, ob die ­Ministerin selbst unterschrieben ­hatte. Die Tinte verwischte. Vertrauen kann sie nicht mehr – auch nicht den ­Medien.

Marianne H.: Früher lief bei mir immer Deutschlandfunk. Das ist vorbei. Ich will nicht immer hören, wie es den Flüchtlingen geht. In Deutschland sind Menschen ermordet worden, ich will wissen, wie es ihren Familien geht.

Übersehen Journalisten Gewalt, die von Menschen anderer Herkunft ausgeht? Wenn das je so war, ist die Stimmung gekippt. Holger Münch, BKA-Präsident, sagte im Frühjahr der "Zeit": Medienanalysen zeigten, dass sich die Berichterstattung über die Gewaltkriminalität von Zuwanderern seit 2014 deutlich verändert habe. Über die nicht deutsche Herkunft von Tätern sei 2017 viermal so häufig berichtet worden als drei Jahre zuvor.

Die Kriminalstatistik weist für das Jahr 2018 so wenige Verbrechen aus wie seit 1992 nicht mehr. Wahr ist aber auch: Im Jahr 2018 wurden 6046 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung – etwa sexuelle Nötigung und Vergewaltigung – erfasst, bei denen die Polizei mindestens einen Zuwanderer als Verdächtigen ermittelte. Ein Anstieg um 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Aber: Die aller­meisten Zugewanderten sind nicht kriminell, trotzdem schlägt besonders Muslimen viel Skepsis entgegen. Laut der "Mitte-Studie" der Friedrich-Ebert-Stiftung stimmen über 30 Prozent der Deutschen "eher" oder sogar "voll und ganz" dem Satz zu, sie fühlten sich "durch die vielen Muslime manchmal wie ein Fremder im eigenen Land".

Marianne H. am Weltfrauentag 2019 in Hamburg

Marianne H. hat auch Freunde, die das Vertrauen in die Medien schon lange verloren haben. So stieß sie auf Internetangebote wie "politikversagen.net". Täglich listet die Seite Verweise auf andere Medien. Manche führen auf Angebote mit verschwörerischen oder fremdenfeindlichen Inhalten, andere leiten weiter zu lokalen Medien, die Straftaten vermelden, an denen Täter mit Migrationshintergrund beteiligt sein sollen. Wer dort liest, gewinnt den Eindruck, dass Messerattacken Alltag sind. Das be­stätigt die Sicht von H. immer wieder. Sie sieht es so: "Hätten wir diese Fakten vorher gehabt, wir hätten anders gehandelt und Anne beschützen können."

Marianne H.: Nachdem ich Annes Wohnung ausgeräumt ­hatte, brachte ich viele Sachen nach Emmendingen zur Diakonie. Mitarbeiter, die aus der Türkei und dem Irak stammen, drehten sich weg, als ich sie auf die Tat ansprach, die drei Kilometer entfernt passiert war. Wenn ich mit dem Taxi fahre und der Fahrer nicht aus Deutschland kommt, frage ich nach dem Herkunftsland. Neulich sagte ein Fahrer, dass ihm die Tat leid tue. Das ist besser, als sich einfach wegzudrehen.

Zurück in Hamburg, auf der Demo zum Weltfrauentag. ­Eine der Frauen, die Marianne H. begleiten, ist Rebecca Sommer, sie gehört zur "Initiative an der Basis". Die Gruppe gibt an, für Menschen zu sprechen, die mit Zuwanderern zu tun haben und dabei schlechte Erfahrungen gemacht haben wollen. Darunter sollen Lehrer, Erzieher, Flüchtlingshelfer, Polizisten oder Ärzte sein. Bekannte hatten ­Marianne H. ein Interview mit Rebecca Sommer geschickt. Es liest sich wie eine pauschale Verurteilung von Muslimen. Marianne H. nahm Kontakt auf, endlich war da jemand, der sie verstand und sie nicht verurteilte, wenn sie erzählte, dass der Täter aus Algerien komme.

Dahinter: Wie hast du das gemacht, Nils Husmann?

Als der Demonstrationszug den Rathausmarkt erreicht, wartet dort eine zweite Protestgruppe. Eine Fahne der "Anti­fa" weht im Wind. Hourvash Pourkian erneuert ihre Forderungen. "Wir wollen die Gleichberechtigung!" Alle jubeln. Als sie ruft "Wir sagen ‚Nein‘ zur Zwangsverschleierung von Frauen und Mädchen! Wir dürfen solche Forderungen nicht den Rechtspopulisten überlassen!", ist der Zuspruch leiser.

Jemand liest Namen von Frauen vor, die im Ausland ermordet wurden. Der von Anne Metzger fehlt. Später erklärt Pourkian gegenüber chrismon, es sei bei dem Marsch für Migrantinnen um Frauen gegangen, die gegen das ­Unrecht in ihren Herkunftsländern protestierten. Daher habe man Marianne H. über Rebecca Sommer ausgerichtet, dass ihre Geschichte an diesem Tag nicht gepasst habe.
Pourkian bittet um eine Schweigeminute. Und darum, die Fotos der Opfer an Gasballonen aufsteigen zu lassen. Als Marianne H. ihren Ballon loslässt, fängt sie an zu ­weinen. Eine Mitstreiterin von Rebecca Sommer nimmt sie in dem Arm. Sie kann nicht sehen, dass ihr Ballon, an dem das Foto von Anne und Noah hängt, gegen das Rathaus fliegt und fast hängenbleibt.

Dann schafft er es doch noch übers Dach und fliegt davon.

Infobox

Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" ist ein Beratungs­angebot für Frauen, die Gewalt erleben. Unter der Nummer 08000 116 016 und via Onlineberatung erhalten sie jeden Tag rund um die Uhr Hilfe. Das Angebot ist anonym und kostenfrei.

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Mit großem Interesse und mit noch größerer Betroffenheit habe ich Ihren Beitrag gelesen.
Und ich nehme an, dass dies sehr vielen Menschen so gegangen ist. Schon deswegen
war es notwendig, die Geschichte der Marianne H. in dieser behutsamen Ausführlichkeit
zu erzählen. Aber warum relativieren Sie diese Notwendigkeit zum Schluß wieder mit der
Bemerkung, um "sie nicht den Vereinfachern zu überlassen"?
Ich habe im Verlaufe meines langen Lebens fast alle muslimischen Länder bereist und dort
Christen der verschiedensten Glaubensrichtungen getroffen, aramäische, assyrische, chal-
däische, armenische und koptische Christen. Alle konnten sie auf Traditionen zurückblicken,
die teilweise doppelt so alt waren wie diejenigen der europäischen Christen. Und wissen Sie,
was für mich das Erstaunliche war? Ich konnte in den Unterhaltungen über Glaubensfragen
sofort erkennen, dass eine gemeinsame Wellenlänge da war. Anders ausgedrückt, die Bot-
schaft, die uns verband, war mit den Händen zu greifen: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!
Versuchte ich auf der anderen Seite aber eine Unterhaltung mit Muslimen über das gegebe-
nenfalls Verbindende, etwa über die Propheten des Alten Testaments, die Zehn Gebote und
Gott selbst, so erhielt ich regelmäßig, manchmal ziemlich harsch, Hinweise auf das Trennen-
de. Grundton: Gib dir keine Mühe, ihr seid und bleibt für uns die Ungläubigen!
Weder bin ich ein Vereinfacher, noch bin ich ein "Rechter", aber ich nehme für mich als Christ
das Recht in Anspruch, im Wettbewerb um das, was mich im tiefsten Inneren bewegt, meinem
Christengott und der Lehre Jesu Christi gegenüber Allah und der Lehre Mohammeds den Vor-
zug zu geben. Da mag Christine Schirrmacher noch sehr darauf hinweisen, dass sich im Koran
keine Begründungen für den Ehrenmord finden, die muslimische Umma und ihre Geistlichkeit
hat ihn über fast 1.400 Jahre hinweg nicht nur zugelassen, sondern es als Herrschaftsmittel
bis in die heutige Zeit hinein missbraucht. Gewiss, auch Christen haben im Verlaufe ihrer Ge-
schichte schreckliche Dinge getan. Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen! Dem
Islam ist aber bisher leider - im Gegensatz zum Christentum - eine Loslösung von der archa-
ischen Grundausrichtung des Glaubens nach der Vorgabe Mohammeds aus dem 7. Jahrhun-
dert nach Christus nicht gelungen. Und so lange das nicht geschehen ist, wird es immer wie-
der arme Teufel wie Nasr-Eddine B. geben, denen ein archaisches Glaubensgefängnis schein-
bar gebietet, seinen Mitmenschen Leid bis hin zum Tod anzutun. In der irrigen Annahme, es
rette seine Ehre oder sei Allah wohlgefällig. Wobei ich mich natürlich nicht als Richter über ihn
aufspielen will. Was sich tatsächlich in seinem Kopf abgespielt hat, das weiß nur Gott!

Antwort auf von Rolf Rohlfs (nicht registriert)

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Wie viele Islamwissenschaftler verweist Herr Prof. Rohe auf die akademische Sicht des Islam. Leider ist diese, im Großen und Ganzen durchaus akzeptable Sicht für unsere hiesige Gesellschaft irrelevant. Wir haben es mit dem Islamverständnis der hier lebenden Muslims zu tun. Zwischen beiden Sichte liegen offensichtlich Welten. Selbst die vom türkischen Staat entsandten Imame haben in ihrer Ausbildung nie die akademische Seite des Islams kennengelernt. Mangels gründlicher Ausbildung neigen sie ebenfalls eher zu einer wenig reflektierten Sicht. Bevor man empört ausruft, daß der hier beschriebene Mord nichts mit dem Islam zu tun hat, sollte man sich erst überlegen, welchen Islam man überhaupt meint. In meinen Augen hat diese Tat sehr wohl mit dem "volkstümlichen" Islam zu tun. Ich erinnere nur an die Sure 2,191.

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Mit großem Interesse habe ich den Artikel „Eine Mutter klagt an“ in Chrismon 06/2019 gelesen. Aus meiner Sicht macht es sich Marianne H. sehr einfach damit, die Begründung für den Mord an ihrer Tochter und ihrem Enkelsohn der Nationalität, der Kultur und der Religionszugehörigkeit des Täters zuzuschreiben. Genauso einfach könnte man nun über Frau H. urteilen: Da ihre Eltern meiner Berechnung nach im deutschen Nationalsozialismus sozialisiert worden sind und folglich auch nur dieses Gedankengut an Marianne H. weitergeben konnten, sollte mich Frau H.s Haltung nicht wundern. So einfach ist es aber nicht. Beim Lesen habe ich mich gefragt, warum Frau H. nicht schon nach der ersten oder zweiten SMS, die sie vom Partner ihrer Tochter erhalten hatte, zur Polizei gegangen ist oder zu ihrer Tochter gefahren ist, um persönlich nach ihr zu sehen. Diese Nachrichten deuteten doch auf abgehörte Telefonate zwischen ihrer Tochter und ihr hin und enthielten eindeutige Gewaltandrohungen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Frau H. ihr Gewissen plagt, weil sie selbst nicht tätig geworden ist, um ihrer Tochter zu helfen, sich aus ihrer Beziehung zu befreien. Gegen die Schuldgefühle scheinen dann leider sehr vereinfachte, pauschale Schuldzuweisungen an Abstraktes wie eine ganze Kultur oder eine Weltreligion am besten zu helfen. Ich hoffe sehr, dass dies nur ein Schritt in der Bewältigung des enormen Verlustes ist, den Frau H. erlitten hat und wünsche ihr von Herzen, dass der Trauerprozess sie nicht zu einer verbitterten, engstirnigen und vorurteilsbehafteten Frau werden lässt, als die sie in diesem Artikel bedauerlicherweise rüberkommt.

Richtig zynisch finde ich hingegen die Aussage des Juristen und Islamwissenschaftlers Mathias Rohde: „Bei uns sind alle Frauen gleichberechtigt.“ Das sollte laut Verfassung so sein, aber leider ist die Realität in Deutschland anders. Das erlebe ich tagtäglich. Im Tenor des Artikels kann man sich nun fragen, ob dies an der deutschen Kultur oder den in Deutschland vorherrschenden christlichen Religionen und deren Frauenbild liegt. Zielführender als so eine Ursachenforschung finde ich es aber, die noch vorherrschende Ungleichbehandlung von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft so schnell wie möglich aktiv zu beheben.

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Wie immer habe ich mich sehr gefreut, die Chrismon als Beilage der SZ zu erhalten, bin dann aber doch sehr über das Titelblatt und die Worte, die den dazugehörigen Artikel ankündigen gestolpert.
Zwar geht der Artikel durchaus differenziert mit dem Schicksal und den Einstellungen der betroffenen Frau um, der Titel gießt meinem Empfinden nach in der notwendigen Verkürzung jedoch undifferenziert Öl ins Feuer. Bleibt nur zu hoffen, dass die Menschen, die ihn in die Hand bekommen in der Regel dann auch den Weg bis zum Artikel hinten im Heft finden und dann auch lesen.

Ich hätte mir da eine andere Entscheidung gewünscht - andere Worte oder einen anderen Beitrag als Titelaufmacher.

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Den Artikel an sich, finde ich in Ordnung - das Titelbild aber nicht.
Hier fehlt es an Einordnung - auch der Untertitel leistet dies nicht.

Auch wenn es in Anführungsstrichen gesetzt ist: Erst wenn man den Artikel gelesen hat, kann man das Bemühen des Autors um eine differenzierte Darstellung der Geschichte erkennen. Bis dahin bleibt es ein unfassbar rassistisches Titelbild - auf einer Chrismon!

Zumal Sie sich aus meiner Sicht die Frage gefallen lassen müssen, warum Sie ein solches Zitat auf die Titelseite heben bei jemandem, der die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Mein Familie hat diese Staatsbürgerschaft väterlicherseits seit ca. 120 Jahren (Ruhrpolen) und mütterlicherseits seit ca. 70 Jahren (Flucht nach dem 2. WK aus dem heutigen Polen). Auch meine Familie ist noch durch Traditionen aus diesen Kulturkreisen geprägt. Wenn ich nun ein Auto klaue, würden Sie ebenfalls "Es war eine Polin" auf die Titelseite heben?

Wenn man nach dem Gesetz Deutsche ist, ist man Deutsche. Andere Kriterien sollten wir nicht anlegen. Und auf so eine Titelseite würde dann gehören: Mutter klagt an, das ein Mann, der in Algerien aufgewachsen ist und dort einen Teil seiner kulturellen Prägung erfahren hat, die durch schwierige Verhältnisse in der Kindheit u.U. in bestimmen Aspekten verstärkt wurde, der aber auch sonst unter Persönlichkeitsstörungen zu leiden schien, ihre Tochter nach Jahren eskalierenden Missbrauchs ermordet hat.

Nuancen und provokante Titelseitenverknappung gehen bei dem Thema nicht zusammen.
Es zeigt leider nur, wie weit die AfD und andere es geschafft haben, unseren Diskurs auszuweiten und zu verändern. Gerade bei der Chrismon erwarte ich hier mehr.

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Vorab:
Seit ich Ihre Zeitschrift über die Verteilung in der hiesigen LVZ erhalten habe, verschlinge ich sie, lassen die Inhalte doch meine Gefühlswelt jedesmal hoch und runter wallen!

Der Inhalt beider Artikel fesselte mich, so sehr, daß ich mehrmals las; in den Texten bin ich gesprungen’, ständig umgeblättert, wollte ich doch die Bestätigung meiner Gedanken bei der ‚ohne Not importierten Ausländer-Kriminalität’ finden. Ich las Widersprüche und dann wieder Gemeinsamkeiten, was blieb sind Zweifel. Wer von beiden hält das Recht fest, für mich nur eine Abkürzung von Gerechtigkeit, nimmt es für sich in Anspruch mit der gebotenen Ausschließlichkeit? Ich erkenne es nicht! 'Er hat lebenslänglich - ich auch‘ (!) steht gegenüber ‚Die Angst darf niemals größer als die Menschlichkeit (!) werden‘. Die Würde des Menschen ist unantastbar ist im GG zu lesen; hat der Mörder noch Würde selbst oder eine trotz seiner verwerflichen Tat vom Rechtsstaat, der nicht seiner ist, zugeordnete?

Die Ohnmacht macht sich in mir breit, einem ‚späten‘ Vater -45-iger Jahrgang- einer 9-jährigen wundervollen Tochter, heute zu warnen vor dem Unbill der Menschlichkeit, später erklären zu müssen, nicht dagegen aufgestanden zu sein. Und um gleich um ihrer Mutters Worte zu befinden‚ '…aber Täter sind die wenigsten, die hier Schutz suchen’. Den letzten Absatz des Artikels ‚Als sie neu war in der Demokratie…‘ lese ich nochmal und erinnere mich an meine Eltern. Sie haben sich nie erklärt zum Antisemitismus im sog. 3. Reich der Deutschen, zu den Morden an der eigenen Bevölkerung, waren die Ermordeten doch Deutsche nur mit dem 'verkehrten Glauben‘; oder? Fragten wir nach, meine beiden Schwestern und ich, erzählten Sie von den Mühen, dem Ballast der Flucht, wie sie uns Kinder retteten. Da hörten wir zu, waren abgelenkt.

Die Mutter hat etwas erlebt, was nicht mit Worten zu beschreiben ist. Angela Merkel war nie Mutter, erhält die Doktorwürde einer westlichen Universität fern Ihres Landes, für die Menschlichkeit, die sie den Bürgern aufbürdete; von oben verordnet, ohne Kommunikation, ohne Gefahrenhinweise. Welche Bedeutung haben die Worte der honoris-causa -Trägerin für die Leid aufgebürdete Mutter ‚Sie -die kriminellen Ausländer- verhöhnen uns? Wie ordnet die Politik die Verbrechen ein, die die Bürger erfahren? Kolletaralschäden auf dem Weg zu einer besseren Nation als Deutschland war und ist?

Das Leben bietet so viel, es ist bunt, immer in Bewegung, mach was draus… Das war mein Motto und ja, ich habe geliebt und gelebt, Reputation und Respekt waren mir wichtig; Äußerlichkeiten (?), wie ich heute erkenne, Respekt kommt von innen! Fehlte mir Gradlinigkeit in meinem Leben? Und wenn, das will ich's nachholen in der Erziehung meiner Tochter, wenn die Mutter mich läßt. Ich lese den letzten Absatz des Artikels … nochmal…; ja, und dann die Antworten im ‚Fragebogen‘ des EU-Parlamentariers Maximilian Krah = siehe Anhang, 43 Jahre und gradlinig. Genau seine Werte mach ich mir zu eigen, will ich meiner Tochter weitergeben. Und ich bin auf einem guten Weg; die geschundene Mutter aus Ihrer Zeitschrift und die Demokratie-zweifelnde Autorin geben mir im Kontext der Antworten aus dem Fragebogen Michael Krah Kraft.

Nun mach ich mich auf den Weg zu meiner Tochter; die 120 Km Entfernung zu ihr sind ob des erstrangigen Zieles, sie gleich in meine Arme schließen zu können, schnell überwunden. Und entschuldigen Sie, meine Zeilen sind für einen Leserbrief sicherlich nicht geeignet, aber es tat/tut mir gut, ‚das alles‘ niedergeschrieben zu haben, niederschreiben zu können dank der 3 hier genannten Personen als Impuls- und Initiativgeber.

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Als einem, der der protestantischen Kirche von Herzen zugetan ist, macht mir deren Einseitigkeit in der Migrationsfrage zu schaffen. Deshalb danke ich Ihnen für den Mut zu einer so umsichtigen und differenzierten Titelgeschichte. Wie gut ließen sich Katastrophen wie die dargestellte vermeiden, wenn unser Land politischen Konzepten wie denen der Oxforder Migrationsforscher Paul Collier und Alexander Betts folgte!

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Was mich stört sind Darlegungen über deutsche Staatsbürger. Mit einem deutschen Pass ist ein Ausländer nach wie vor der Angehörige oder Herkommende aus einem anderen Staatskreis.
Wenn ein Algerier mit deutschen Pass eine Straftat begeht ist und bleibt er für mich ein Algerier, daran kann auch keine Partei mit Ihren Ausführungen nichts ändern.
Ein Ausländer hat sich den hiesigen Gesetzen und Rechten entsprechend zu verhalten, sonst kann er kein Deutscher sein, wobei ich keinesfalls ausschließe dass auch Deutsche Staatsbürger kriminell sind.
Ich vertrete keinesfalls AfD Ansichten, aber Recht muß Recht bleiben.

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Danke! Nach (evangelischen?) Barbiepuppen endlich mal eine lesenswerte Titelgeschichte: „Es war ein Algerier“ ist unendlich tragisch und unglaublich traurig. Jeder kirchliche Freund bedingungsloser Einwanderung sollte die Geschichte lesen. Einzig der vorgeblich „einordnenden“ Bemerkungen gegen „Rechte“ hätte es nicht bedurft.

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Danke für diesen persönlichen Bericht einer Mutter! Ich lebe seit Jahren in Berlin und habe lange Zeit in Südamerika gelebt, hatte eine Beziehung mit einem bolivianischen Mann, wähle links-grün seit meinem 18ten Lebensjahr ... kurz um ich bin einfach NICHT rassistisch ...ABER auch ich finde die Frauenfeindlichkeit die vor allem von muslimischen, türkischen, nordafrikanischen Männern nach Deutschland getragen wird unerträglich! Und wenn man die Wanderungsbewegung von Eltern mit Kindern kurz vor der Einschulung in Berlin sieht, dann ist klar, dass viele Eltern ihre blonde Tochter nicht in einer Schule mit 40-60% „Ausländer Anteil“ sehen wollen.
Aber ich sehe das Problem bei der mangelnden Fähigkeit diese Punkte klar zu benennen. Es ist absolut nicht hilfreich Frauenfeindlichkeit von Muslimen, Türken, Nordafrikanern nicht zu benennen, nur um nicht als RassistIn verschrien zu werden! Das spült viele Menschen, die diese Problematik nicht so differenziert wahrnehmen den Rechten in die Arme und das ist fatal!
Auch in Deutschland gibt es keine vollendete Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen - dafür muss man nur die Vorstandsetagen der großen Konzerne ansehen - nichts desto trotz möchte ich den Level an Gleichberechtigung, den wir bisher erreicht haben wieder verlieren, auch dass würde nur den falschen Mächten in die Karten spielen

Die Diskussion muss geführt werden!! Bleiben Sie dran am Thema!! Ganz liebe solidarische Grüße an Frau H. und Danke für Ihren Mut sich zu positionieren!!

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Ich bin im Nahen Osten aufgewachsen. In einer Stadt mit vielen Religionsgemeinschaften (Marone Christen, Bahai, Shien, Sunen, Juden). Die im Beitrag angesprochenen Probleme haben, davon bin ich überzeugt, nichts mit der einzelnen Religion zu tun. Auch Juden und Christen misshandeln ihre Familien. Es hat, meine ich, alleine mit der örtlich gelebten Sozialstruktur zu tun.

Folgende Fragen werden in Ihrem Beitrag leider nicht angesprochen:
- Wenn man, als erwachsene Frau, einem Menschen mit den Verhaltensweisen des Mörders begegnet, dann nimmt man das wahr. Wenn man das wahrnimmt und nicht darauf reagiert bleiben Fragen offen;
- Wenn man als Eltern (hier die Mutter) das erfährt was Ihrem Beitrag zu entnehmen ist handelt man. Das hat mit der gebotenen Zurückhaltung erwachsenen Kindern wenig zu tun;

Das Versagen unserer Gesellschaft deckt ja viel breitere Felder als das hier behandelte: von der Verauhung des Umgangs bis hin zum Kollabieren von Solidarität und Rechtsempfinden.

Wer Frau und Sohn umbringt, tut das nicht wegen seines Glaubens oder seiner Religion. Wer sich aber zum Meucheln entschließt, kann sich in seinem Entschluss durchaus bekräftigt sehen, wenn sein Gott, Allah, Buddha oder sonst wer ihn davon überzeugt hat, dass die Frauen Gestalten sind, denen auf jeden Fall weniger als den Männern zu trauen ist. Müßig ist die Frage, ob Juden, Christen, Moslems oder Buddhisten in dieser Beziehung den Vogel abgeschossen haben.

Sich hinzustellen und zu behaupten, der Glaube sei eine herzensgute Angelegenheit und würde leider nur immer wieder missbraucht, ist allerdings genau so weit von der trüben Wirklichkeit entfernt.

Fritz Kurz

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Der Artikel hat daran erinnert, dass wir bis heute immer wieder auf ähnlich besitzergreifende, Frauen ignorierende und gewaltsame Männer treffe. Schaue dabei mal nur auf die deutschen aus unserem christlichen (!) Kulturkreis: Bauer, der entscheidet wen seine volljährige Tochter heiratet; Berufsbeamte, die ihrer Frau die PKW-Nutzung verbieten, Kontakt zu Eltern und alten Freunden unterbinden und ihr TV-Programm entscheiden. Ebenso Handwerker, Küchenberater und Autoverkäufer, die mit dem Ehemann, aber nicht mit seiner Frau reden. Mit Sätzen in der Bibel wie "Die Frau sei dem Manne untertan" und "In der Kirche schweige die Frau" sehen sich so Denkende bestätigt. Der Algerier kann uns die Augen für diese Realitäten öffnen.

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Mich hat der Aufmacher der aktuellen Chrismon (Juni 2019) geärgert. „Es war ein Algerier“: nicht „er“ sondern „es“, sächlich. „Es“ = der Mörder zweier Menschen – und dann unmittelbar folgend das vermeintlich wichtigste dabei: die Nationalität. Eine Mutter klagt an – na dann!

Diese Art der plakativen Zuspitzung ist tatsächlich eine „Schlag“zeile, die Aufmerksamkeit erzeugt – aber um welchen Preis?! Für eine christliche Zeitschrift finde ich das empörend - und abstoßend.

Eigentlich ist nicht klar, was der Artikel bezweckt. Soll hier Verständnis für eine Trauernde erzeugt werden, die um Deutungen ringt, die das Schreckliche fassbarer machen? Dann sollte der Artikel ernsthaft und empathisch die Geschichte der Mutter und ihrer ermordeten Tochter erkunden. Ihre Beziehung bleibt aber seltsam blass, in dieser Art von knackigem Journalismus („….sagte Anne am Telefon „ich bin schwanger“. Marianne H. schenkte sich einen Cognac ein.“). Und in welcher Not hat sich die später Ermordete während der Ehe mit dem späteren Täter befunden? Gab es Hilfe? Warum hat sie versagt? Das bleibt im Dunkeln. Es wird deutlich, dass der Mörder lange vor den beiden Morden ein gewaltbereiter Mensch war. In diesem Zusammenhang werden Statistiken zitiert, aus denen hervorgeht, dass gefährliche Körperlichverletzung in Partnerschaftsbeziehungen quer durch alle Gesellschaftsschichten geht. Aber dann erhält wieder Marianne H., die Hinterbliebene, das Wort und weiß es offenbar besser: „dieses Scharia-Geticke macht Männer gefährlicher“. Ich glaube nicht, dass ihr als Trauernde geholfen ist, wenn chrismon ihr eine Bühne für derartige Äußerungen gibt. Wenn es Nils Husmann tatsächlich wichtig ist, ihre Geschichte nicht „Vereinfachern zu überlassen“ – dann reicht diese Art der gegenüberstellenden Schreibe nicht. Die Positionen von Marianne H. werden nicht eingeordnet. Dadurch entsteht eher ein Duktus „Fachmeinungen sind ja schön und gut – aber Fakt ist doch, dass ein nicht-Deutscher aufgrund seiner Herkunft einen Mord begangen hat.“

Mit seinem reißerischen Titelblatt und dem textlichen Aufbau, der die dargestellten Fachmeinungen jeweils von Marianne H. „kommentieren“ lässt, befeuert der Artikel „aufgeheizte“ Meinungen.

Dies passt leider durchaus in ein gesellschaftliches Diskussions- und Wahrnehmungsgefüge, welches mehr und mehr von einer Zuspitzung von Gegensätzen geprägt ist: „wir“ vs „die anderen“, oder auch „christliches Verhalten“ vs „muslimisches Verhalten“ (Zitat „Scharia-Geticke“). Ein Teil der hier zu lesenden Kommentare bezeugen das auf für mich abstoßende Weise. Nationalität gilt wieder was. Und sie bestimmt offenbar sogar Verhaltensdispositionen. Tja, das deutsche Wesen – da kommt es wieder aus der Versenkung - oder war nie weg? Mich schockt das. Der Jesus, an den ich glaube, hat so nicht gehandelt. ER hat Menschen als Menschen erkannt, jenseits von Herkunft und gesellschaftlicher oder Stammeszugehörigkeit. Und genau diese Haltung erwarte ich auch in einer Zeitschrift wiederzufinden, die von der EKD kommt.

Interessant ist in diesem Zusammenhang übrigens auch der Artikel auf der letzten Seite „Verletzte Hunde bringe ich nach Israel“. Auch hier wieder ein knalliger Aufmacher über dem Portrait einer Tierschützerin in Palästina. Zu hinterfragen wäre hier der letzte Absatz mit seiner Take Home Message, dass Tierliebe nämlich christlich motiviert sei. Moralisch also Eins-zu-Null für die Christen? Auch hier möchte ich fragen, ob es denn wirklich religiöse Gründe sind, die leidende Katzen und Hunde zu Sympathieträgern machen? Wenn das so wäre: warum werden dann Masttiere wie Schweine und Hühner, die doch auch Teil der Schöpfung sind, in unserem „christlichen Abendland“ nicht würdig behandelt?

Es ist schlecht, aus jedem Thema einen religiösen Gegensatz zu konstruieren!
Ich erwarte von chrismon:
- dass es gegen derartige Polarisierungen Position bezieht,
- dass chrismon sich explizit distanziert (und damit auch von der Meinung von Marianne H), wenn Straftaten als direkte Folge einer bestimmten Religionszugehörigkeit dargestellt werden,
- dass klar zwischen Religion, gesellschaftlichen Praktiken und individuellem Fehlverhalten unterschieden wird.

Da reicht es nicht, wenn in dem einen Kasten (S. 39) steht „Im Koran finden sich keine Begründungen für einen Ehrenmord“ und im anderen „Wer aus einer anderen Kultur kommt, ändert seine Werte nicht so sehr“ (S. 37, diesmal keine Wissenschaftlerin sondern die selbsternannte Expertin Marianne H.). Wo steht aber der entscheidende Satz, dass weder der Koran noch das „Wertesystem einer anderen Kultur“ (der algerischen? wie eindimensional soll die denn sein?!?) in kausalem Zusammenhang mit dem Doppelmord stehen, den Nasr-Eddine B. begangen hat. Denn sowohl im Islam als auch nach algerischem „Wertesystem“ ist er ein Mörder.

Was soll das also alles? Hätte sich Herr Husmann nur besser vorbereitet, auf was er sich da eingelassen hat. Und von chrismon bin ich sehr enttäuscht, weil das friedensstiftende Potential, welches Religionen anbieten, an keiner Stelle thematisiert wird, sondern stattdessen Gegensätze zugespitzt werden, die niemandem zum Besten dienen. Auf diese Weise wird schwerlich Frieden entstehen, weder für ein Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft, noch für Frau H. in ihrer Suche nach Orientierung in Leid und Schuld.

Sehr geehrte Frau Heyer,

vielen Dank für Ihre sehr engagiert vorgetragene Meinung. Dass Sie mir vorhalten, ich hätte mich nur besser vorbereiten müssen, finde ich - ehrlich gesagt - fragwürdig. Aber es ist Ihre Sache, so zu argumentieren. Das hilft uns aber nicht weiter.

Zur Sache möchte ich Ihnen dennoch gern ausführlich antworten: Uns ist bewusst, dass dieser Text verstört. Dieser Text hat eine Vorgeschichte; ich würde mich freuen, wenn Sie uns die 20 Minuten schenken und sich diesen Podcast anhören:

Frau H. hatte sich an uns gewandt, weil sie sich an einem Streitgespräch im Heft gestört hatte. Sie können dieses Gespräch hier nachlesen:

Frau H. nahm das Gespräch zum Anlass, uns zu schreiben, dass ihre Geschichte nirgends erzählt werde - außer von Politikern wie Herrn Münz. Wie viele andere Menschen auch, findet sie sich in der Themenauswahl großer Medien nicht wieder. In ihrem langen Brief hat sie uns ihre Geschichte erzählt. Sicher hätten wir die Möglichkeit gehabt, den Brief entweder zu ignorieren oder aber freundlich zu antworten: "Liebe Frau H., was Ihnen passiert ist, tut uns leid. Das ist aber ein Einzelfall, den wir nicht zum Thema machen möchten. Bitte haben Sie Verständnis." Beides ist nicht besonders mutig, finde ich.

Wir haben uns für einen dritten Weg entschieden und Frau H. vorgeschlagen: "Sie erzählen uns Ihre Geschichte, aber es ist unsere Aufgagabe, die Schlüsse, die Sie daraus ziehen, einer Gegenrecherche zu unterziehen."

Offenbar empfinden Sie diese Gegenrecherche als unzureichend. Das ist ihr gutes Recht. Dennoch möchte ich hier nochmals einige Zitate entgegnen:

32 Prozent aller Partner­schaftsdelikte gehen auf Menschen ­zurück, die keinen deutschen Pass ­haben. Diese Gruppe ist unter den Tätern über­repräsentiert, denn der Anteil der in Deutschland ­lebenden Menschen mit fremdem Pass beträgt zwölf Prozent. Wahr ist wiederum auch: Die Männer, die 2017 eines Deliktes aus dem Bereich der Partnerschafts­gewalt verdächtig waren – die gestalkt, bedroht, eine Frau ­körperlich verletzt oder gar getötet haben – ­kommen nicht nur aus muslimisch geprägten Ländern. Acht ­Prozent haben einen polnischen und je vier Prozent einen rumänischen, serbischen und italienischen Pass. Und die meisten einen deutschen.

 

Mathias Rohe, Jurist, Islamwissenschaftler und Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg: Die Scharia ist kein starres Gesetzbuch, sondern ein komplexes System, das die gesamte Normenlehre des Islams beinhaltet. Es geht zum Beispiel darum, wie Muslime richtig beten. Das ist von unserer Religionsfreiheit gedeckt. Normen, die patriarchalisch vorgeformt sind, sind dagegen problematisch. Aber man muss die Scharia dynamisch lesen. In vorislamischer Zeit ­wurden Frauen vererbt. Die Scharia regelte, dass sie selbst erbberechtigt wurden. Das war ein Fortschritt, und der ist auch im Islam jederzeit möglich. Das Problem ist das Patriarchat. Alle Religionen müssen sich von traditionellen Vor­stellungen lösen, die es legitimieren. Der Behauptung, der Islam könne nicht anders, als Frauen kleinzuhalten, müssen wir so entschieden entgegentreten wie den Islamisten. Sie ist falsch. Es sind vor allem kulturelle und nicht religiöse ­Prägungen, die patriarchale Strukturen stützen. Ja, in ­manchen muslimischen Milieus gibt es problematische Frauen­bilder. Es wäre diskriminierend, nicht darüber zu reden, weil wir sonst muslimischen Frauen, die in ihrer Rolle leiden, nicht helfen. Bei uns sind alle Frauen gleichberechtigt. (...)

 

 

Aber: Die aller­meisten Zugewanderten sind nicht kriminell

 

Mein Eindruck ist, dass Sie befürchten, die Gesellschaft rücke noch weiter nach rechts; Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Islamophobie nähmen noch weiter zu und begünstigten den Erfolg rechtsextremer Parteien (als solche ist die AfD im Text übrigens bezeichnet), was in Summe die Demokratie gefährde. Ich jedenfalls habe diese Sorge.

Und dennoch kann ich nicht daran vorbei, dass in bestimmten Kulturen sehr schwierige, unakzeptable Frauenbilder eine Rolle spielen. Ich komme abermals auf Herrn Rohe zurück: Das gilt für alle Religionen als Teil der Kultur, ausdrücklich auch für die christliche. Darüber müssen wir reden, was ja mittlerweile auch Vertreterinnen der Grünen so sehen. Wie denken Sie denn über deren Vorstoß?

Ich finde, wenn wir uns dieser Debatte nicht stellen, hilft das nur den Rechten und den Vereinfachern. Denn auch das ist Teil der Geschichte von Frau H.: Von diesen Leuten wird sie gehört. Ihre Geschichte ist auch auf der Seite "Tichys Einblicke" nachzulesen. Dort fehlt aber eine Einordnung, wie wir sie vorgenommen haben. Sie spricht dort direkt zur Leserschaft. Und die ist erheblich. Im April 2019 ist diese Seite 2,4 Millionen Mal besucht worden. Das zeigt: Es gibt ein - oft vorurteilsgetriebenes Interesse - an diesen Themen. Wer nach Antworten zu Fragen sucht, die zu stellen allein schon als rassistisch missverstanden werden kann, glaubt sie dort zu finden. Aber es sind die falschen Antworten. Unser Ziel war es dagegen, Frau H. gerecht zu werden, ohne ihr in jedem Punkt recht zu geben. Wir erhalten viele Rückmeldungen, dass das auch gelungen ist und die Differenzierung durch Frau Schirrmacher, durch Herrn Rohe unsere Recherchen gelungen ist - aber es gibt auch viel Kritik.

Zum Titel des Heftes: Mir ist bewusst, dass dieser Titel aufwühlt. Bei dem Satz "Es war ein Algerier" handelt es sich aber um ein Zitat. Es ist keine Aussage der Redaktion, sondern die Aussage einer Frau, die wir im Heft erzählen. Die Klage von Frau H. wird dann im Text verhandelt. Ob nun in journalistisch gelungener oder schlechter Form - darüber werden wir uns vermutlich nicht nehr einig´werden. Aber wie schon geschrieben: Es ist ihr gutes Recht, diesen Versuch als gescheitert anzusehen. Aber unwidersprochen lassen möchte ich Ihre Aussagen nicht.

Mit freundlichen Grüßen aus der chrismon-Redaktion

Nils Husmann

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Immer mal wieder finde ich gute Artikel und Interviews in der Chrismon, die meiner Zeitung beiliegt.

Bei der aktuellen Ausgabe stieg mir allerdings schon beim Überfliegen des Titels die Wut in den Kopf.

Es mag in diesem Fall der kulturelle Hintergrund einen Einfluss auf eine Verrohung des Charakters gehabt haben und es mag für eine trauernde Mutter als hilfreiches Erklärungsmuster dienen, aber:

Ich bin fassungslos, dass sich ein Magazin, das sich evangelisch nennen darf, der gleichen billigen, provokanten, unglaublich dummen weil nicht differenzierenden Masche bedient, wie sie vermehrt von aggressiven, sehr einfach gestrickten, sehr ungebildeten Populisten zum demokratiegefährdenden Stimmenfang genutzt wird.

Was hat Sie um Gottes Willen - auch wenn Verunglimpfungen einer Nation durch Verkürzungen und Verallgemeinerungen sicher nicht seinem Willen entsprechen - dazu gebracht, in großen Lettern die Nationalität eines Mörders in den vordersten Vordergrund zu rücken?

Nicht ohne Grund gilt es, angefangen bei der deutschen Polizeikommunikation bis hin zu Medien, zumindest bei solchen, die sich in ihrer Berichterstattung von Skrupel, Maß und Menschenfreundlichkeit leiten lassen, längst als unangebracht, weil brandgefährlich, die nationale oder „ethnische“ Zugehörigkeit bei kriminellen Taten mit anzugeben.

Schade, dass Sie sich offenbar von der persönlichen Trauer einer - natürlich zu Recht - verzweifelten Mutter und Großmutter oder einem nicht nachvollziehbaren Missions oder Aufmerksamkeitswillen haben lenken lassen.
Das „evangelisch“ oder das „chris(t)“ gehört von dieser schändlichen Titelseite dann aber gestrichen.

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Vielen Dank für diesen Artikel. Ich finde es sehr mutig von Chrismon, über das traurige Schicksal dieser Familie zu berichten und der Großmutter die Gelegenheit zu geben, ihre persönliche Geschichte zu erzählen. Es hat für mich generell wirklich nichts mit Rassismus zu tun, den Islam sachlich und konstruktiv zu hinterfragen. Zwangsheirat, Beschneidung, die sogenannten „Ehrenmorde“ und nicht zuletzt die Bevormundung und Unterdrückung der muslimischen Frauen im Alltag sind reale Probleme, mit denen wir uns als Christen kritisch auseinandersetzen sollten, auch wenn es schwer fällt. Man ist nicht automatisch ein Nazi, wenn man der Meinung ist, dass steinzeitlich anmutende Verhaltensweisen nicht zu unserer modernen und gleichberechtigt orientierten Lebenshaltung passen. Hier in Berlin leben Migranten aus allen Teilen der Welt weitestgehend offen und harmonisch zusammen. Die allermeisten Menschen mit Migrationshintergrund achten die Gesetze unseres Landes und akzeptieren unsere gesellschaftlichen und kulturellen Grundregeln für ein friedliches Miteinander. Es ist leider eine hervorstechende Tatsache, dass sich eine einzige bestimmte Gruppe davon abgrenzt. Und diese Gruppe besteht nun einmal aus männlichen Muslimen, wer das abstreiten oder beschönigen möchte, macht sich unglaubwürdig. Je eher wir als Gemeinschaft in der Lage sind, dieses Problem offen aussprechen und benennen, umso bessere Chancen haben wir, langfristig damit fertig zu werden. Wir sollten versuchen, die Barrikaden der islamischen Parallelgesellschaften einzureißen. Das wird nur gelingen, wenn wir selbstbewusst auftreten und unsere Werte und Gesetze klar und deutlich kommunizieren. Diese Männer brauchen Regeln, davon bin ich fest überzeugt.

Antwort auf von Stefanie PC (nicht registriert)

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Volle Unterstützung - ganz meine Meinung.
Der sehr ausgewogene Artikel nähert sich dem Vorgang vorsichtig und von mehreren Seiten. Ein AUSDRÜCKLICHES LOB für den Verfasser!
Irritierend dagegen viele der Kommentare, die sich mehr um die Auswirkungen der im Artikel dargestellten Vorgänge auf vermeintliche Ansichten vermuteter Andersdenkender und auf die Wahrung der eigenen wohlgefühlten Denkungsart sorgen als um die Tat und um Maßnahmen zu Verhinderung künftiger Vorfälle.

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Es klingt m. E. rassistisch wenn das Titelblatt schreibt:
"Es war ein Algerier". - Es hätte auch ein Deutscher sein können, oder?

Also, als christliches Magazin:

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Bitte stellen Sie sich einen Moment vor, wie es sich anfühlt, morgens neben meinem algerischen Mann beim Frühstück zu sitzen und DIE ZEIT aufzuschlagen. Dabei fällt Ihr Blatt heraus mit dem (beigefügten) Titel, reißerisch wie die Bildzeitung.

Da Ihr Magazin unvermeidbar ist, fände ich es angebracht, wenn Sie solche Provokationen in Zukunft sein lassen.

Weder mein Mann noch ich sind in irgendeiner Weise religiös. Er stammt aus einer unterprivilegierten Familie, in der ALLE Kinder einen Universitätsabschluss haben—ja, auch die Mädchen. Gleichberechtigung war immer selbstverständlich. Es nervt, ständig mit “den Arabern” in einen Topf geworfen zu werden, und so zieht er es vor, sich mit seiner angenommenen US Staatsbürgerschaft zu identifizieren. Wegen Titelseiten wie Ihrer, die immer wieder die Klischees bedienen.

Bitte unterlassen Sie sowas in Zukunft. Das Frühstück schmeckt uns heute nicht mehr.

Antwort auf von Antje Kharchi (nicht registriert)

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Liebe Frau Kharchi,

danke für Ihren Brief – das wollten wir nicht. Ihnen das Frühstück verderben. Was wir wollten: Uns jenen Bürgerinnen und Bürgern widmen, die so reden. Und uns dann – das leistet der Artikel meines Erachtens – anzuschauen: Warum? Warum reden und denken Menschen so, was daran ist berechtigt, was ist zumindest nachvollziehbar, was kann widerlegt werden? Ein genuin demokratisches, ja auch christliches Anliegen.

Aber Sie monieren ja nicht den Artikel, sondern das Titelblatt. Wir wollten, dass er zum Lesen anregt, das ist zwar gelungen. Aber wir wollten Sie nicht kränken. Dafür möchte ich mich entschuldigen.

Danke, dass Sie sich melden, wir diskutieren bei der nächsten Blattkritik selbstkritisch alle Überschriften.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Ursula Ott

Chefredakteurin chrismon

Antwort auf von Antje Kharchi (nicht registriert)

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Wieso fühlen Sie sich angegriffen? Niemand hat Sie oder Ihren Mann beleidigt.
Aber Sie identifizieren sich sofort - noch beim Lesen der Überschrift - mit einem Täter. Möglicherweise hätte ich es ja verstanden, falls Sie sich zuerst mit dem Opfer identifiziert hätten.

Antwort auf von Gast (nicht registriert)

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Der derzeitige Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Herr Prof. Dr. Peter-André Alt, hat in einem Interview in Bezug auf Studienanfänger geklagt: "Längere Texte zu lesen und zu schreiben, falle den Studierenden schwerer." (Zitiert nach Frankfurter Rundschau vom 19. Juni 2019, Seite 19).

Offenbar liegt hier kein spezielles Verständnisproblem von Studienanfängern vor. Auch bei Leserkommentatoren von chrismon tritt dieses Unvermögen auf. Sogar bei kurzen, ja extrem kurzen Texten, nämlich Titeln von Artikeln. Herr Maxim Graf vermag nicht die vorsätzliche, massive Beleidigung zu erkennen, die in dem Untertitel steckt: "Es war ein Algerier - Der Mörder ihrer Tochter ist verurteilt".

Ich hoffe, in einem nicht selbst wieder zu langen Kommentar diese Beleidigung aufzuzeigen. Im Titel, der muss kurz sein, ist das Unwesentliche wegzulassen und das Wesentliche zu benennen. Wir erfahren also: Mord, Tochter und Verurteilung. Und was noch? Doch wohl das Motiv! Habgier, Eifersucht, verletzte Ehre, evtl. Schraube locker? Pustekuchen, keine Silbe davon! Aber Algerier!

Das ist die gängige Tour der strammen Rechten, Hass auf Ausländer zu schüren. Es ist die Behauptung, Algerier zu sein wäre die Erklärung für das Verbrechen. Das ist eine Beleidigung aller Algerier. Und diese Beleidigung hat sich Frau Antje Kharchi in der Zwangsbeilage chrismon verbeten und die Chefredakteurin Frau Ott hat sich entschuldigt.

Um die Opfer geht es sowieso nicht, wenn die Law-and-Order-Abteilung des AfD-Umfeldes zur Ausländerhatz anstachelt.

Sollte die Beleidigung immer noch nicht klar sein, melden Sie sich bitte erneut, lieber Herr Graf!

Sepp Stramm

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In den Kommentaren zu diesem Artikel geht es nur um Fremdenfeindlichkeit und das Verhalten Islamischer (Ehe-)Männer. Ein Satz in dem Artikel sollte aber nicht unerwähnt bleiben "Ich mache mir Vorwürfe, dass ich die Kinder liberal und zur Gutgläubigkeit erzogen habe." Einerseits zeigt lenkt dieser Satz den Blick auf die Mutter, die ihre eigene (vermeintliche) Schuld nicht bearbeitet hat. Die in meinen Augen nur wenig Kontakt mit der Tochter gesucht hat, außer Handy-Telefon-Nachrichten; oder zumindest über diese Besuche nicht berichtet.
Zweitens und für mich wichtiger ist der Aspekt der Gutgläubigkeit, vielleicht hätte etwas mehr Zweifel der Tochter und etwas mehr Vorsicht zwei Leben gerettet. Nicht alle Menschen islamischen Glauben sind schlecht aber auch nicht alle gut.

In meinem Umfeld ist vor einigen Jahren ein vergleichbarer Fall geschehen. Eine Mutter und zwei Kinder werden vom Ehemann und Vater ermordet, die Mutter berufstätige Juristin hatte diesen Mann während des Referendariats in der Haft kennengelernt. Als Tochter eine sehr sozial engagierten Familie auch alle Warnungen und Hinweise während der Ehe bis zu Schlägen schön geredet.

Vielleicht an den alten Ehespruch "Gleiches Gesangbuch und gleiches Sparbuch" denken.

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Die Reportage hat bei mir sehr viel Betroffenheit ausgelöst, auch das diffuse Gefühl von Wut über eine völlig sinnlose Tat und ja auch Ratlosigkeit. Zuerst: ich empfand den Bericht weder reißerisch noch in irgendeiner Form fremdenfeindlich, sondern um sehr viel Differenziertheit bemüht und Marianne H. Raum gebend für ihre Emotionen und Ansichten. Egal, wie man im Einzelnen zu diesen stehen mag, ich kann die Verbitterung und die daraus resultierenden Äußerungen nachvollziehen. Ihr Kind und Enkel sind sinnlos ermordet worden, und sie hat auch "lebenslänglich" darunter zu leiden. Was die Reportage nicht beantwortet, wohl auch gar nicht beantworten kann oder wollte: was treibt Menschen wie Anne in die Arme solcher frauenverachtender, gewalttätiger Männer - völlig egal, woher dieser Typus Macho-Mann stammt oder wo er groß geworden ist? Die Aussage des Psychologen, es handele sich beim Täter um eine narzisstisch gestörte Persönlichkeit, die halte ich für einen Schlüssel, diese Tat versuchsweise "erklären" zu wollen. In dem Zusammenhang sei die Frage erlaubt, welche Milieus, Kulturen, Sozialisation solche furchtbaren Entwicklungen verstärken mögen - und was man tun kann, um dem entgegen zu wirken.
Ein unbequemer, gut recherchierter und auch notwendiger Bericht, der zu vielfältiger Auseinandersetzung anregt. Deshalb Danke dafür.

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Ich bin entsetzt über Ihren Beitrag. Ein deutscher Bürger meiner Stadt wurde gerade wegen Totschlags verurteilt, er hat seine Ehefrau getötet und monatelang die Leiche in seiner Garage versteckt. Niemand kommt auf die Idee, zu fragen, welcher Religion gehört er an, welche Kultur ist für diese Tat verantwortlich. Er trägt allein die Bürde der Tat. In Ihrem Artikel beschreiben Sie, wie zum Beispiel Betreuerinnen die Mutter vermeintlich stützen, indem sie der Herkunftskultur des Mörders die Schuld geben und den deutschen Staat und die Medien anklagen, nicht genug über diese Gefahr zu informieren, so dass sie gemeinsam einen Forderungskatalog an den Staat aufstellen. Die Mutter muss sich fragen lassen, warum sie nicht alle Hilfen , die der Staat Gewaltopfern bietet, genützt hat. Warum hat sie nicht bei der ersten SMS Strafanzeige gestellt? Warum hat sie nichts unternommen, ihre Tochter aus dieser Beziehung mit einem offensichtlich schwer gestörten Menschen herauszuholen? Rebekka Sommer und die Initiative "Wir von der Basis" stellen generell Flüchtlinge unter Verdacht, fordern eine Grundgesetzänderung und sind sich für regelrechte Hetze nicht zu schade. Ich bin seit 4 Jahren ehrenamtlich an der Basis tätig, seit einigen Wochen verfolge ich die Hetze dieser angeblich kompetenten Berichterstatter von der Basis. Ich möchte für mein Land nicht, dass die Art Bericht, wie Rebecka Sommer sie verbreitet, salonfähig wird. Zitat:"Aber ich musste mir, mich in meinem Ehrenamtsumfeld um- und sich wiederholende Erlebnisse über die Jahre mit ansehend, eingestehen, dass, sobald es muslimische Geflüchtete betrifft, diese mit ganz anderen Werten groß geworden sind; dass sie seit ihrer Kindheit einer Gehirnwäsche unterzogen und mit dem Islam indoktriniert wurden und mit Hochmut und Arroganz auf uns Ungläubige herabschauen. Ich nenne es “das Kopftuch im Kopf”. Zusätzlich, wenn sie hier ankommen, geraten viele in die Fänge von fundamentalistischen Imamen, dem politischen Islam (importiert aus der Türkei, aus Saudi-Arabien, Iran etc.), was sie noch in ihrem Fundamentalismus bestärkt und ihnen verbietet, sich mit uns Ungläubigen und unserer Lebensweise zu mischen, unsere Weltanschauung und Wissenschaften anzunehmen, worüber der deutsche Staat schon überhaupt keine Kontrolle mehr hat." Quelle: https://diekolumnisten.de/2018/03/02/interview-mit-der-fluechtlingshelferin-rebecca-sommer/ Diese Erfahrungen und viele andere, vor denen diese Protagonisten warnen, können wir in unserem Umfeld nicht feststellen. Durch die Umpolung des entsetzlichen Schmerzes dieser Mutter auf agressive Anklage wird die Frau noch einmal schwer geschädigt. Danke für andere Kommentatoren in Ihrem Bericht, die etwas ausgleichen, trotzdem bin ich darüber, wie eine schreckliche Tat benutzt wird , ein bestimmtes Bild zu zeichnen, gerade in Ihrer Zeitung sehr betrübt.

Sehr geehrte Frau Bürger-de Castillo,

auch für Ihren Beitrag möchte ich mich bedanken. Ich finde es wichtig, dass der Beitrag über Marianne H. diskutiert wird. Auch Frau H. ist das wichtig.

Mir fällt auf, dass viele Leserinnen und Leser, die sich an dem Beitrag stören oder gar - wie Sie - entsetzt sind, sofort erwidern: Deutsche Männer begehen auch Partnerschaftsdelikte, bis hin zum Mord. Das haben auch unsere Recherchen ergeben, und wir haben das in dem Text auch klar benannt. Die Geschichte von Frau H. besteht aber exakt aus dieser Replik, die oft - und ich kann es auch verstehen, es ging mir nicht anders - wie ein Reflex kommt: Deutsche tun das auch.

Dieser Reflex hilft Frau H. und anderen Opfern aber nicht. Ihre Frage geht weiter, ist politisch heikel und verlangt nach einer differenzierten Antwort: Kann die Kultur, die einen Mann geprägt hat, ebenfalls ein Faktor (ein Faktor, es gibt immer auch andere) sein, der zu Straftaten führt? Diese Frage ist in der Welt, es gibt viele Menschen, die diese Frage aufwerfen. Ich habe in der Antwort auf die Zuschrift einer anderen Leserin schon ausgeführt, dass es durch die Digitalisierung Medienangebote gibt, die diese Fragen aufgreifen - und eben nicht differenziert beantworten, sondern höchst einseitig, um es vorsichtig zu formulieren. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Seiten wie "Tichys Einblicke" in einem Monat zwei Millionen Besucher verzeichnen. Meine Frage an Sie: Was ist gewonnen, wenn wir Fragen, wie Marianne H. sie für stellvertretend für viele andere Menschen formuliert, solchen Medienmachern überlassen?

Zur sog. "Initiative an der Basis": Ich habe die Antworten, die Frau Sommer für Marianne H. bereithält, im Text auch als rassistisch bezeichnet. Was die Auswirkungen dieser Initiative auf die Arbeit mit Geflüchteten angeht, wäre ich auch sehr interessiert an einem Gespräch mit Ihnen, wenn Sie mögen (Kontakt: husmann@chrismon.de).

Was ist in Ihrem Kommentar schwierig finde, ist der Umstand, dass Sie Frau so etwas wie eine Mitverantwortung zusprechen. Warum hat sie die SMS nicht angezeigt? Ich kann Ihnen sagen, warum sie das nicht getan hat: Weil sie, wie Eltern das nun mal so machen, gehofft hat, dass die Geschichte irgendwie noch gut ausgeht. Weil sie durch eine Anzeige befürchtete, alles könne nur noch schlimmer werden. Weil es schwierig ist, sich in das Leben eines erwachsenen Kindes einzumischen.

Ich finde, das ist nachvollziehbar. Und ich bitte Sie, sich mal einen Moment in die Lage von Frau H. zu versetzen und dann zu lesen zu müssen, man habe es ja vielleicht als Mutter selbst in der Hand gehabt, so eine Tat zu verhindern. Wie würden Sie sich fühlen? Vielleicht bekommen Sie dann einen Eindruck davon, was Frau H. mit der Aussage meint, sie selbst habe auch lebenslänglich erhalten.

Mit freundlichen Grüßen

Nils Husmann, Redaktion chrismon

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Frau Bürger-de Castillo hat per E-Mail meine Nachricht kommentiert. Sie bitte darum, Ihre Antwort hier zu veröffentlichen. Der Bitte kommen wir gern nach. Die Antworten auf meinen - gefetteten - Kommentar sind daran zu erkennen, dass sie nicht gefettet sind.

Grüße aus der chrismon-Redaktion

Nils Husmann

Mir fällt auf, dass viele Leserinnen und Leser, die sich an dem Beitrag stören oder gar - wie Sie - entsetzt sind, sofort erwidern: Deutsche Männer begehen auch Partnerschaftsdelikte, bis hin zum Mord. Das haben auch unsere Recherchen ergeben, und wir haben das in dem Text auch klar benannt. Die Geschichte von Frau H. besteht aber exakt aus dieser Replik, die oft - und ich kann es auch verstehen, es ging mir nicht anders - wie ein Reflex kommt: Deutsche tun das auch.


Mein Reflex ist nicht: Deutsche tun das auch. Sondern: Wenn ein Deutscher das tut, wird der Fall als Partnermord verhandelt, als Beziehungstat. Es wird nicht ein Hintergrund im System des Täters konstruiert, aus dem heraus nicht nur eine Erlaubnis zum Töten, sondern geradezu ein Auftrag herausgelesen wird.

 

Dieser Reflex hilft Frau H. und anderen Opfern aber nicht. Ihre Frage geht weiter, ist politisch heikel und verlangt nach einer differenzierten Antwort: Kann die Kultur, die einen Mann geprägt hat, ebenfalls ein Faktor (ein Faktor, es gibt immer auch andere) sein, der zu Straftaten führt? Diese Frage ist in der Welt, es gibt viele Menschen, die diese Frage aufwerfen.

 

Dieser Frage kann ich nur zustimmen. Natürlich gibt es solche Faktoren. Da muss ich aber präzisieren, welche Kultur führt zu welchen Straftaten? Die Kultur der italienischen Mafia erzieht zu Betrug, Geldwäscherei bis hin zum Mord. Die der mexikanischen Drogenbarone zu allen möglichen Verbrechen. Beide Gruppen sind überwiegend Katholiken. Es gibt in Deutschland Gruppen, die zu Sozialbetrug, Geldwäsche, Prostitution etc erziehen, die können russisch oder libanesisch sein, christlich oder moslemisch. Es gibt Gruppen, in denen die Blutrache von Generation zu Generation als kulturelles Gut weitergegeben wird. Ich kenne Fälle aus den Medien von Familien mit moslimischem oder jesidischem Hintergrund, die zu "Ehrenmorden" angestiftet haben. Ich kenne keine Prägung in einer kulturellen Gruppe, die zu Partnermord anstiftet oder ihn nicht ächtet.

 

Ich habe in der Antwort auf die Zuschrift einer anderen Leserin schon ausgeführt, dass es durch die Digitalisierung Medienangebote gibt, die diese Fragen aufgreifen - und eben nicht differenziert beantworten, sondern höchst einseitig, um es vorsichtig zu formulieren. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Seiten wie "Tichys Einblicke" in einem Monat zwei Millionen Besucher verzeichnen. Meine Frage an Sie: Was ist gewonnen, wenn wir Fragen, wie Marianne H. sie für stellvertretend für viele andere Menschen formuliert, solchen Medienmachern überlassen?

 

Ich teile Ihr Erschrecken über solche Seiten und ihre Kommentare. Aber kann es sein, dass wir, um diese Themen nicht "solchen Medienmachern" zu überlassen, eigene Diskussionen in einer Weise anzetteln, über die sich AFD , Junge Freiheit und  Islamhasser nur freuen? Sie feiern ihre Erfolge.


Was ist in Ihrem Kommentar schwierig finde, ist der Umstand, dass Sie Frau so etwas wie eine Mitverantwortung zusprechen. Warum hat sie die SMS nicht angezeigt? Ich kann Ihnen sagen, warum sie das nicht getan hat: Weil sie, wie Eltern das nun mal so machen, gehofft hat, dass die Geschichte irgendwie noch gut ausgeht. Weil sie durch eine Anzeige befürchtete, alles könne nur noch schlimmer werden. Weil es schwierig ist, sich in das Leben eines erwachsenen Kindes einzumischen.

Ich finde, das ist nachvollziehbar. Und ich bitte Sie, sich mal einen Moment in die Lage von Frau H. zu versetzen und dann zu lesen zu müssen, man habe es ja vielleicht als Mutter selbst in der Hand gehabt, so eine Tat zu verhindern. Wie würden Sie sich fühlen? Vielleicht bekommen Sie dann einen Eindruck davon, was Frau H. mit der Aussage meint, sie selbst habe auch lebenslänglich erhalten.

Sie halten mich für empathielos.

Ich halte Folgendes dagegen:

Natürlich ist das Verbrechen schrecklich für die Mutter, gar nicht zu verkraften. Natürlich fragt sie sich, wie alle Eltern, ob die das Geschehen irgendwie hätte verhindern können. Bei ihrer Suche nach Antworten begegnet sie dieser Gruppe. Von ihr  lässt sich die Mutter  instrumentalisieren. Statt  wirkliche Trauerarbeit zu leisten,   benützt diese Gruppe ihre Geschichte und ihre Gefühle des Hasses auf den Täter, die natürlich zu verstehen sind,  um das Objekt des Hasses auszuweiten  und direkt oder indirekt zum Hass auf eine ganze Gruppe aufzurufen, die der moslemischen (jungen) Männer. Die Mutter will jetzt ihren Beitrag leisten,  die Gesellschaft "wachzurütteln" im Hinblick auf die Gefahr, die von muslimischen Männern als tickende Zeitbomben ausgehen. Oder verstehe ich diese Zeilen falsch: "Wer dort liest, gewinnt den Eindruck, dass Messerattacken Alltag sind. Sie sieht es so: "Hätten wir diese Fakten vorher gehabt, wir hätten anders gehandelt und Anne beschützen können."

Sie sieht also Versäumnisse, die die Tat  hätten verhindern können, aber welche sieht sie? Was ist es denn, was sie jetzt erst, nach Aufklärung durch diese Gruppe weiß? Sie wusste ja schon, dass dieser Mann gefährlich und gewaltbereit war.  Was wusste sie denn damals noch nicht?  Dass alle jungen Muslime tickende Zeitbomben sind? Sie sieht doch hier Fehler, die nicht sie, aber die Gesellschaft angeblich gemacht hat. Angesichts der Morddrohungen, was mehr an Information hätte sie denn gebraucht, um den Mord angeblich verhindern zu können? 

Welche Erkenntnis wollen Sie denn als Sprachrohr dieser Mutter verbreiten? Um welche Fakten geht es ?

 

Soweit meine Antwort auf Ihren Kommentar. Ihr Verdienst ist es , einiges wenigstens nicht umkommentiert hingestellt zu haben, was die Mutter als "neues Wissen" hinstellt.  

 

Aber trotzdem geben Sie eben mit dieser Geschichte einen Raum in einem kirchlichen Blatt, in der die Mutter vom Opfer zur Anklägerin wird und von einer Gruppe instrumentalisiert wird, die nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes steht und faschistisches Denken verbreitet und Hass nicht nur auf die Gruppe der muslimischen Männer verbreitet, sondern darüber hinaus auf alle Flüchtlinge. Die Belege liefere ich unten.

 

Die folgenden beiden Kommentare mögen dazu dienen, zu veranschaulichen, was ich meine.

 

 Herr Steinmeier fragt: In dem Zusammenhang sei die Frage erlaubt, welche Milieus, Kulturen, Sozialisation solche furchtbaren Entwicklungen verstärken mögen - und was man tun kann, um dem entgegen zu wirken.

Susanne Koch:" Es ist absolut nicht hilfreich Frauenfeindlichkeit von Muslimen, Türken, Nordafrikanern nicht zu benennen, nur um nicht als RassistIn verschrien zu werden! Das spült viele Menschen, die diese Problematik nicht so differenziert wahrnehmen, den Rechten in die Arme und das ist fatal!"

 

Umschreibungen wie "solche furchtbaren Entwicklungen" oder "diese Problematik" werden den Fakten nicht gerecht. "Partnermord" ist nicht in einen Topf zu werfen mit anderen Straftaten, für die es Sinn macht, zu schauen, welche Sozialisationsbedingungen dazu führen. Partnermord hat in allen Kulturen   was zu tun mit  verletzter Ehre , oder gegenüber einem Kind mit  der Devise: Wenn ich den Nachwuchs nicht krieg, soll ihn keiner haben". Solche triebgesteuerten Taten lassen sich vielleicht aus der Entwicklungsbiologie erklären, mit unserer Verwandtschaft mit anderen Säugetieren, aber keinesfalls aus dem Islam. Ob es in moslemischen Gesellschaften mehr Psychopathen gibt, als in anderen, glaube ich nicht. Eine Freundin hat heute gerade gepostet: Was provoziert Gewalt in einer Paarbeziehung? Verachtet zu werden. Die Verachtung ist Mörderenergie, genauso zerstörerisch wie die physische Gewalt." Damit kann ich mehr anfangen, als mit der Zuschreibung zu einer bestimmten Religion und Kultur.

Auch Gesellschaften mit einem anderen Frauenbild setzen sich aus Familien zusammen, in denen die Eltern für den Nachwuchs aufkommen und diesen meist sehr lieben.

Dadurch, dass die Mutter  sich instrumentalisieren lässt, reduziert sie  mein Mitgefühl, wie andere Opfer, die zum Rachefeldzug aufrufen, auch. Ihr Schwiegersohn war von Hass erfüllt, und sie lässt sich von einer Gruppe dezidierter Islam- und darüber hinaus Religionshasser benutzen, die Maßnahmen vom Staat fordern, um uns vor diesen tickenden Zeitbomben zu schützen und die Flüchtlingspolitik zu revidieren.

Eine Haltung, die ich für Ihre Zeitung passender finde, ist diese: : Vous n'aurez pas ma haine. "   

https://www.20minutes.fr/societe/1819967-20160405-attentats-novembre-antoine-leiris-perdu-femme-bataclan-raconte-vie-apres

https://www.theguardian.com/books/2016/oct/16/antoine-leiris-you-will-not-have-my-hate-interview-paris-attacks-helene-bataclan

https://www.bbc.co.uk/programmes/articles/5pyQ8y7NsFpB5nQ1C9xxRSb/you-will-not-have-my-hate-by-antoine-leiris

https://www.parismatch.com/Actu/Societe/Tue-au-Bataclan-Fabrice-Dubois-victime-de-la-haine-865559

 

Diese Haltung ist vorbildlich: Wenn ich mit Hass antworten würde, wäre ich den Tätern ähnlich.

Sie zitieren Auszüge aus meinem Leserbrief, um Ihre Argumentation gegenüber Herrn Husmann zu stützen. Dagegen verwahre ich mich ausdrücklich. Günstigstenfalls haben Sie meinen Leserbrief einfach nur so flüchtig gelesen wie meinen Namen, denn ich heiße Steinheimer und nicht Steinmeier. Ungünstigstenfalls ist Ihr Vorgehen manipulativ, denn Sie zitieren das, was Ihnen passt und verfälschen dadurch den Gesamtkontext. Ich schrieb nämlich auch "...völlig egal, woher dieser Typus Macho-Mann stammt oder wo er groß geworden ist..." Ihre aus dem Zusammenhang gerissene Einzelpassage verkürzt also den Inhalt meines Leserbriefes unzulässig. Ich bin im übrigen ehrenamtlich seit 6 Jahre als Jobpate tätig - unter anderem für Flüchtlinge, und das mit Herz und Einsatz. Auch deshalb bin ich mit Ihrer Vorgehensweise nicht einverstanden.

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Es ist ehrenwert, dass Sie Frau H. zuhören. Ihr Schicksal ist furchtbar und Ihre Perspektive nicht überraschend. Wie und was man denkt, wenn das eigene Kind ermordet wird, kann wohl niemand vorher erahnen und kann von außen auch kaum be- oder gar verurteilt werden.
Dass Sie diese Perspektive salonfähig machen ist allerdings hochproblematisch. Ja, es herrschen unterschiedliche Vorstellungen des Miteinanders von Mann und Frau auf der Welt und Unterdrückung von und Gewalt gegen Frauen ist ohne Ausnahme zu verurteilen. Dabei aber den rassistisch konstruierten Zusammenhang von "Kultur" und "Frauenunterdrückung" unhinterfragt zu übernehmen ist schlichtweg brandgefährlich. Schon mal überlegt, dass die Gruppe der Migranten (unter anderem aufgrund politischer Entscheidungen) überwiegend aus jungen Männern besteht? Und dass diese Gruppe (junge Männer) überwiegend für Straftaten in Dtl verantwortlich ist? Noch dazu sind Geflüchtet häufig traumatisiert und brauchen dringend psychologische Hilfe. So ist der überdurchschnittliche Anteil von Ausländern an Sexualstraftaten auch ganz ohne "Kultur" zu erklären. Und manche sind auch einfach Arschlöcher, wie es sie überall gibt.
Außerdem ist es mitnichten so, dass alle Deutschen ohne Migrationshintergrund Gleichberechtigung super finden und Gewalt gegen Frauen ablehnen. Vergewaltigung in der Ehe ist bspw. noch nicht besonders lange in Dtl. eine Straftat. Haben Sie schon mal Statistiken ausgewertet, wie Gewalt gegen Frauen und Wahlverhalten korrespondieren? Oder Stadt- und Landbewohner sich diesbezüglich unterscheiden? Oder Ost- und Westdeutschland? Könnte ihre nächste Titelschlagzeile dann bitte sein "Es war ein bayerischer CSU-Wähler vom Dorf"? Hört sich irgendwie unangemessen an für einen Titel oder? Würden Sie wohl nicht schreiben, weil es reißerisch und pauschalisierend klingt. Und genauso ist es mit dem von Ihnen gewählten Titel.
Jetzt können sich die AfD-Sympathisierenden zurücklehnen und sagen: Seht, endlich hat's die Kirche auch gemerkt. Wir haben also Recht. Mir, als Kirchenmitglied und Pfarrerin, ist es ein großes Ärgernis, dass ein solcher Artikel in einem Magazin steht, dessen Herausgeber der Ratsvorsitzende ist und das als Magazin der ev. Kirche gelesen wird. Der Effekt Ihres Artikels ist m. E. nicht, dass Frau H. "nicht den Vereinfachen überlassen" wird, sondern dass diese sich von der Kirche bestätigt fühlen. Furchtbar!

"Mir, als Kirchenmitglied und Pfarrerin, ist es ein großes Ärgernis, dass ein solcher Artikel in einem Magazin steht, dessen Herausgeber der Ratsvorsitzende ist und das als Magazin der ev. Kirche gelesen wird. "
Als Pfarrerin machen Sie der Kirche mit Ihrer recht konventionell anmutenden Haltung wenig Ehre !
" Und manche sind auch einfach Arschlöcher, wie es sie überall gibt."
Mag sein, aber um die geht es nicht explizit, denn das besondere an dem Fall ist die Kombination aus beidem, nämlich dem generell männlich narzisstisch gewalttätigen Ego und der kulturellen Prägung zugleich.
Außerdem zeugt Ihre Ausdrucksweise von recht wenig Kompetenz als Pfarrerin, die doch irgendwie auch eine Art kulturelle Leitfigur darstellen sollte ?
Der Titel ist provokativ, aber er will ja auch stärker die allgemeine Stimmung ansprechen, als hier nur lediglich der Kirchen eigenen Konformität genüge tun. So verstehe ich es, und je länger ich über das Thema nachdenke, desto klarer wird es mir, dass da wohl sehr vieles schief gelaufen sein muss !
Vielleicht ist die Kritik, Ihre Kritik am Artikel auch berechtigt, denn die Probleme sind zu spezifisch für eine öffentliche Diskussion. Wichtig ist doch, dass es hier nicht um Hetze und Rassismus geht, sondern um die konkrete Benennung von Schwierigkeiten, die in solchen belasteten Beziehungen auftreten können. Man muss doch der Gefahr ins Antlitz sehen, statt sie aus falsch verstandener politischer Sorge, zu relativieren.
Wir haben zwar alle Recht auf unsere eigenen Erfahrungen, heißt es, doch das soll ja nicht heißen, dass man sehenden Auges in Gefahren nahezu hineingeworfen wird, so nach dem Motto : Wo die Liebe nicht hinfällt ! Oder. Du bist selber schuld ! Oft genug in Bezug auf `normale`Beziehungen angewendet. Oder noch deutlicher, mit dem Hinweis auf den Gekreuzigten ! Wer sich der Gefahren bewusst ist, reagiert anders als jemand, der sich auf eine Beziehung einlässt, ohne zu wissen, was er da tut.
Die Betroffene, Frau H. hat viele Warnhinweise überhört, aber sie ist ja auch `nur` Opfer christlich politischer Propaganda früherer Zeiten geworden, mehr nicht. Dass sie heute die Stärke besitzt, an ihrem Schmerz nicht zu zerbrechen, sondern dafür zu kämpfen, dass wir uns dem Thema mit einem nüchtern reflektierenden Bewusstsein zuwenden, ist ihr hoch anzurechnen, finde ich. Dass sie auch mal ungerecht wird, ist normal, weil der Schmerz ein irrationales Empfinden ist. Es liegt an uns, darauf mit Empathie, statt mit Zurückweisung und Flucht in eine konforme, relativierende und zugleich wertende Haltung, zu reagieren.

Sehr geehrte Frau Dr. Eisenberg,

wer Antisemit ist, dem können Sie gerade nicht damit kommen, dass Sie und die Statistik viele gute Juden kennen. Sie gewinnen auch keinen Blumentopf mit dem Hinweis, dass es auch unter den Nichtjuden üble Gestalten gibt. Das weiß der Antisemit alles selber und lässt trotzdem nicht von seinem Antisemitismus. Den hat er nämlich nicht aus der Statistik, sondern aus falschen Vorstellungen darüber, wie die Gesellschaft abläuft, in der die Juden angeblich so verderblich wirken sollen.

Gleiches gilt für die zeitgenössischen besorgten Bürger, also die Fremden-, Ausländer- und Moslemhasser. Die zeigen sich voll resistent gegen Hinweise, egal ob mit oder ohne Statistik, dass es auch nichtmordende Moslems gibt oder dass auch originaldeutsche CSU-Wähler wissen, wie man Frau und Kinder umlegt. Den Hass auf die Ausländer haben auch die Rechtspopulisten nicht aus der Kriminalstatistik gelernt, sondern aus unzutreffenden - übrigens von der gesellschaftlichen Mitte hochgehaltenen - Vorstellungen darüber, wie Arbeits- und Wohnungsmarkt und der Sozialstaat funktionieren und was es mit den kleinen Gaunereien und großen Verbrechen auf sich hat.

Auch wer bei "junge Männer" gleich mal auf etwas Fäkales tippt, wird nicht durch Hinweise auf evtl. auch existierende aushaltbare Bartträger jüngerer Produktionsreihen oder Verweise auf die Schandtaten älterer Damen irre gemacht. Ein jüngerer männlicher Übelbolzen bekräftigt dann eben das, was man sich über diese Spezies schon immer gedacht hat.

Negative Erwartungen werden nicht durch Statistik erschüttert, sondern allenfalls über die Kritik der Vorstellungen, die zu diesen Erwartungen führten.

Bei positiven Erwartungen ist es genau so. Wer die positive Erwartung hat, in einem Kirchenblatt keine Überschriften zu finden, die sich erst nach Konsultation des Beipackzettels von der AfD-Propaganda unterscheiden, wird seine positive Erwartung nicht aufgeben, auch wenn er mit einer Vielzahl von Hinweisen konfrontiert wird, dass diese Erwartung ziemlich grundlos ist. Wetten?

Mit freundlichen Grüßen

Friedrich Feger

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Dieser Bericht und seine Tendenz macht mich fassungslos. Es fängt mit der vorwurfsvollen Zeile auf dem Titel an: „Aber sie klagt weiter an…“ Ja, was denn sonst ? Die juristische Aufarbeitung ist das eine, die seelischen Qualen der Mutter etwas anderes. Da erwarte ich in einem christlichen Magazin, das ich über viele Jahre schätzen gelernt habe, Mitgefühl, Respekt und Verständnis für die Opfer-, nicht für die Täterseite. Aber irgendwie, so kommt es mir vor, verschieben sich unter der neuen Redaktionsleitung die Wertmaßstäbe: Differenzierte, gar kritische Sichtweisen zu Migrationsthemen, zu Integration, zu bestimmten Punkten islamischer Kultur werden mehr oder weniger unterschwellig in eine fremdenfeindliche Ecke gestellt. Das kollidiert mit dem neuen Claim auf dem Cover, der Gefühl, Verstand und Haltung verspricht.

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Ich war sehr überrascht, daß Chrismon so einen Artikel veröffentlicht.
Nach meinen Erfahrung werden insbesondere von Flüchtlingshelferinnen der mittleren und älteren Generation solche Verbrechen und Übergriffe zwar nicht gutgeheißen, jedoch oftmals relativiert, und es wird den arabischen männlichen Flüchtlingen sogar noch ein stückweit Verständnis entgegengebracht.

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Es ist für mich völlig unverständlich , warum Sie diesen, in meinen Augen tendenziösen, Bericht, noch dazu in dieser epischen Breite veröffentlicht haben. Leid trifft auch andere Familien und zwar öfter, als man denkt und es kommt immer auf die Betroffenen an, wie sie damit umgehen und den Schicksalsschlag bearbeiten. Verarbeiten kann man diesen in den meisten Fällen sicher nicht. Nach meiner Meinung ist diese Sichtweise im Hinblick auf die vielen anderen Betroffenen nicht zu rechtfertigen.

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Ich habe Ihre Zeitschrift nicht bestellt aber dennoch erhalten. Das Titelblatt erinnert stark an eine Schlagzeile der Bild Zeitung oder ähnelt einem AFD Wahlplakat. Es hat allerdings nichts mit den christlichen Werten wie Nächstenliebe zu tun. Ich schäme mich dafür evangelisch zu sein wenn ein evangelisches Magazin einen Hauptartikel veröffentlicht wie "Es war ein Algerier - Der Mörder ihrer Tochter ist verurteilt".
Bitte besinnen Sie sich auf die christlichen Werte oder schreiben Sie für ein anderes Magazin. Wenn ich nochmal ein solches Hetze-Tietelblatt auf einem "evangelischen Magazin" lesen muss werde ich aus der evangelischen Kirche austreten, damit möchte ich nichts zu tun haben.

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Ich möchte Ihnen und der Redaktion herzlich für Ihren Artikel über die Mutter, die da anklagt, danken.
(Das muss eine großartige Frau sein?!) Ich finde es sehr sehr gut und wichtig, dass so ein Artikel
in einer Zeitschrift erscheint, die nicht im Verdacht steht, fremdenfeindlich oder rassistisch zu sein.
Sie haben soo recht! Wir, die wir uns um Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft bemühen, dürfen
das, was Sie beschreiben, nicht ausblenden; denn es ist leider auch ein Teil der Realität.
Setzen Sie Ihren Artikel doch mal fort und helfen Sie uns, mit so etwas umzugehen - nicht wie die
Populisten, aber auch nicht wie die, die so etwas einfach nicht wahrhaben wollen und darauf verweisen,
dass es auch unter ethnisch deutschen Männern Gewalttätigkeit gibt - (Was für ein schwachsinniges
Argument!?) - und damit das Problem einfach unter den Teppich kehren.

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Seine Tochter zu verlieren und gleichzeitig seinen Enkel und noch dazu auf diese Weise... das Leid von Frau H. muß unvorstellbar sein. Ich möchte Frau H. auf diesem Wege mein aufrichtiges, tief empfundenes Beileid aussprechen. Ihr Bedürfnis, durch eine Warnung andere vor einem ähnlichen Schicksal zu bewahren, ist nur zu verständlich.
Aus meinen Erfahrungen würde ich aber eine andere Schlußfolgerung hinsichtlich des Täterprofils ziehen. Ich hatte 2005 das Glück, Algerien zu bereisen. Es ist ein wunderschönes, großes Land mit unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Eine Vereinheitlichung ist von daher schon schwierig, so wie es "den" Deutschen ja auch nicht gibt. Erfahrungen, die zu einer Erklärung des Verhaltens von B. führen könnten, habe ich dort nicht gemacht. Wohl aber mit einem Deutschen aus einer deutschen christlichen Familie. Das Verhalten von B. ist geradezu typisch für einen Soziopathen. Das sind Menschen, die keine Empathie haben und daher kein Gewissen besitzen. Sie sind deshalb frei von Regeln und es geht ihnen nur darum, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Es gibt sie überall auf der Welt, in allen Religionen und allen sozialen Schichten, bei Männern und Frauen. Die Amerikaner haben einen als ihren Präsidenten gewählt. Soziopathen besitzen oftmals großen Charme, umgarnen zunächst ihr Opfer, fangen es mit Komplimenten ein und beginnen dann, ihr Opfer zu manipulieren und zu isolieren. Das erklärt, warum sich die Opfer nur schwer aus dieser Lage wieder befreien können, warum Freunde und Familienangehörige sie nur schwer erreichen können. Oftmals erst, wenn die Situation für die Opfer nicht mehr auszuhalten ist. In Frauenhäusern kann man viele ähnliche Geschichten hören. Soziopathen sind in Gesellschaften nur einzudämmen, wenn der Grundtenor ein klares Bekenntnis zu einem menschlichen Miteinander ist. Wenn dies in Frage gestellt wird, indem ganze Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt werden sollen, weil "die Muslime", "die Ausländer", "die Dunkelhäutigen" vermeintlich ganz anders sind, als "die Deutschen", werden die Soziopathen diese Meinungslage gnadenlos für ihren Vorteil auszunutzen zu wissen. Die Deutschen haben diese Erfahrung vor nicht allzu langer Zeit gemacht.
Die Geschichte von Frau H.'s Tochter und Enkel zu verbreiten, um andere Menschen zu warnen, halte ich für wichtig und nötig. Aber um zu zeigen, daß nicht alle Menschen (gleich welcher Nation, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, Bildung) gut sind, daß vermeintlich Nette gemeingefährlich sein können, daß Menschen, die sich als Opfer stilisieren, um dadurch Mitleid erzeugen zu können, andere nur manipulieren wollen.
Danke für diesen sehr einfühlsamen Artikel und den Mut, dieses Thema mit allen seinen Seiten beleuchten zu wollen!

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Auch wenn mich der Titel abgeschreckt hat, ich musste den Artikel lesen, auf der Suche nach Informationen...

Unbegreiflich das Leid der Frau, Tochter und Enkel zu verlieren.
Ein wirklich schlimmer Mensch, der das getan hat. Dass die Mutter sich auf den Aspekt des Algerischseins konzentriert, vielleicht verständlich. Sie muss es ja irgendwie fassen können.

Aber für den Leser fehlt schon der Weitblick.
Vieles wurde in dem Artikel nur angedeutet, zu sehr wurde der Blick auf die Wut der Mutter zugelassen, sehr repititiv.
Was hatte die Tochter für eine Geschichte,sie hatte eine Ehe hinter sich, warum hat sie sich auf so einen Mann eingelassen, wie können wir Frauen so stärken, sich nicht von Männern dominieren zu lassen? Eine Frau, in Deutschland sozialisiert, was hat sie bei einem Mann gesucht, der sie, wie angedeutet wird, wohl von Anfang an nicht auf Augenhöhe behandelt hat?

So ein trauriges Schicksal, das in dem Artikel leider nicht in seiner ganzen Schwere reflektiert wird, vieles wird nur angedeutet, zu sehr wird auf den Algerier geschaut und nicht auf die junge Frau.

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Sie haben Ihren Artikel im Innenteil so überschrieben: “Eine Mutter klagt an”.
Auf dem Titelblatt hätte aber statt “Es war ein Algerier” auch die Schlagzeile stehen können: Es war ein Partnermord .
Denn das oft mörderische Problem der Partnertäterschaften geht durch und zwischen alle Gesellschaften, Kulturen und Religionen:
allein im Kreis Stormarn wurden in den letzten 2 Jahren 4 Frauen von ihren Partnern deutscher Herkunft umgebracht ; solche Macho-Verbrechen sind grenzenlos.
Richtig ist, daß Prävention auch bei spezifischen Bedingungen ansetzen muß.

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Den Mörder von Tochter und Enkel von Marianne H. halte auch ich trotz deutschem Pass für einen Algerier. Wer nicht die geringste Bereitschaft zeigt, sein archaisches Wertesystem auch nur ansatzweise zu hinterfragen, der bleibt im wahrsten Sinne des Wortes darin verhaftet. Da hilft die Statistik nicht weiter. Wer seine Weltanschauung mit religiösen Bezügen begründet, sollte sich auch fragen bzw. fragen lassen, was er denn unter Religion versteht. Jedenfalls ist es nicht damit getan, Religion als ein aus standardisierten Vorschriften bestehendes geschlossenes System darzustellen. Insofern sitzen alle, die meinen, religiöse Werte und Rituale könnten in einem unveränderlichen und damit zeitlosen Rezeptbuch eingefangen werden, mit auf der Anklagebank.

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Dieser Bericht ist so sachlich und zugleich erschütternd. Er zeigt wie schnell man als Frau in einen Strudel von Gewalt und fanatischer männlicher Dominanz gezogen werden kann. Keiner kann mehr beurteilen, wann welches Fehlverhalten anfänglich maßgeblich war.
Nur Offenheit zu Beginn und konsequentes Verhalten, wie rechtzeitige Abschiebung, bei Fehlverhalten können ein Lösungsansatz sein.

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Vielen Dank für diesen Artikel, er war an vielen Stellen aufschlussreich, insbesondere was das Lesen und Auswerten der Statistiken betrifft.

Ein absolutes no-go war allerdings das Titelblatt der letzten Ausgabe - "Es war ein Algerier".
Bei einer sich epidemisch ausbreitenden Fremdenfeindlichkeit haben sie ihr bestes gegeben, noch mehr Öl ins Feuer zu gießen- bravo!
Keineswegs möchte ich hier das begangene Verbrechen oder gar das Leid der Mutter in Frage stellen. Aber eine solche Aufmachung auf der Titelseite ihres Magazins ist meines Erachtens nach Meinungsmache erster Klasse. Besser kann es wohl nur die Bildzeitung, aber das liegt wahrscheinlich an den schönen roten Großbuchstaben.

Vielleicht war alles, was sie mit dieser Formulierung erreichen wollten, die Aufmerksamkeit ihrer (potentiellen) Leser zu erreichen, doch genau hier sehe ich das Problem: was meinen sie wie viele „Leser“ (also insbesondere Bezieher von Zeitungen, denen die Chrismon beigelegt ist) tatsächlich den zugehörigen Artikel lesen? Und wie viele im Durchblättern (mal wieder) nur die Botschaft erreicht „schon wieder einer von denen“?

Ob und inwieweit das die Richtung ist, die sie mit ihrem Magazin generell einschlagen wollen, kann und möchte ich hier nicht beurteilen, doch es drängt sich schon die Frage nach dem „warum“ auf.

Die schönste Erklärung für diesen Reinfall wäre noch reine Gedankenlosigkeit, aber mit Verlaub: die können sich Zeitungsherausgeber heutzutage weniger leisten denn je.
Als Teil der Medienlandschaft haben sie das Recht und die Pflicht, die Öffentlichkeit zu informieren. Über das „was“, „wie“ und „wann“ entscheiden Sie im Sinne der Pressefreiheit dabei natürlich selbst.

Selbstverständlich sind diese Informationen nie ganz neutral, sie werden von Menschen mit Meinungen und persönlichen und kulturellen Prägungen erfasst, festgehalten und veröffentlicht und das ist nicht nur völlig in Ordnung, sondern macht den Journalismus ja gradezu aus. Ihrem Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung und der immensen Verantwortung die ihnen hierbei zu Teil wird, sollten sie sich allerdings bewusst sein und insbesondere bei so sensiblen Themen wie dem der letzten Ausgabe mehr Fingerspitzengefühl zeigen und unbedingt auf reißerische Formulierungen verzichten.

Vielleicht das perfideste: auf der Rückseite drucken Sie Werbung für eine Billig-Marokkoreise zu einem Preis von knapp 12€ pro Tag, inklusive Flug - das ist (generell aber ganz besonderes) in dieser Kombination höchst respektlos und hat einen starken Beigeschmack von Doppelmoral!

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Dieser Bericht sprach mir aus der Seele, ich bin in jungen Jahren auf einen ähnlichen Menschen hereingefallen und denke, dies hätte mir unter Umständen auch passieren können.
Ich würde mich freuen, wenn sich Frau H. zwecks Gedankenaustausch bei mir melden würde. Vielleicht können Sie Ihr ja meine E-Mail Adresse weiterreichen, vielen Dank.

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Im Text heißt es, "über die nicht deutsche Herkunft von Tätern sei 2017 viermal so häufig berichtet worden als drei Jahre zuvor." Das wird implizit als Erfolg gewertet. Doch warum eigentlich? Es bedeutet im Klartext, dass darüber bis dahin nur in Einzelfällen berichtet wurde. Dafür gab es sogar (und gibt es noch heute) einen eigenen Pressekodex, nach dem abzuwägen ist, "ob für die Nennung einer Gruppenzugehörigkeit ein begründetes öffentliches Interesse vorliegt". Offenbar gab es bisher kein begründetes Interesse, wobei sich die Frage stellt, wer das eigentlich festlegt.

Ja, "die Stimmung [ist] gekippt". Aber bei wem? Zuerst mal beim gemeinen Volk, als es nämlich immer mehr Menschen satt hatten, von Politik und Medien deren politisch korrekte Ansichten als Wahrheit verkauft zu bekommen. Sehr viel später erst, als die wütenden Proteste in den Leserkommentaren nicht mehr zu unterdrücken waren und die Auflagen unaufhörlich in den Keller gingen, rang man sich dazu durch, der Leserschaft Informationen zur Herkunft von Straftätern nicht länger vorzuenthalten (oder wenigstens nicht mehr so häufig). Anfangs sinnigerweise dadurch, dass man Täter deutscher Herkunft als solche benannte – die anderen durfte sich der Leser im Umkehrschluss dazudenken ...

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Liebe Marianne H., mein aufrichtiges Beileid für Ihr grausames Schicksal. Ich bin hier geboren, meine Eltern stammen aus der Westtürkei.Wir sind Aleviten.Das ist eine zum Großteil in der Türkei lebende Minderheit,die unterdrückt wurde (wird)von strenggläubigen Islamangehörigen.1993 haben Islamisten ein Hotel abgebrannt, in der sich Intellektuelle, Gelehrte,Künstler meist alevitischer Herkunft getroffen haben.Über 40 Menschen sind ermordet worden.Ich habe eine 12jährige Tochter, die ich liberal erzogen habe.Nun ist ein Junge arabischer Herkunft hinter ihr her,der schon ausrastet, wenn sie sich mit Ihren Cousins trifft.Ich bin ratlos, da ich sie nicht verlieren möchte.Die Kultur aus dem dieser Junge stammt macht mir Angst.Über einen persönlichen Austausch würde ich mich sehr freuen.Mit herzlicher Anteilnahme

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""Natürlich"" sind für jeden die ungewollt erhaltenen Gene für viele bösen Taten verantwortlich. Aber die familiären, gesellschaftlichen und religiösen Vorprägungen sind es nicht minder. Wenn in vielen Länder das offene Messer zur männlichen Standardausrüstung gehört, brauchen wir uns doch nicht zu wundern, wenn es auch bei uns gezückt wird. Aber wehe der Staat weist solche Leute aus. Dann kommt von den so Verständnisvollen doch sofort der Vorwurf einer femdkulturellen Bevormundung. Die naive Willkommenseuphorie ist das Problem. Ihr Brüder (incl. Frauen, Sitten, Ehrbegriffe?) seid alle eine Bereicherung. Wir nehmen Euch wie Ihr seid! Die Messer und den politischen Antisemitismus auch?