Notfallseelsorge nach Terroranschlägen
Hilfe für die Seele
Bei Terroranschlägen sind oft zahlreiche Notfallseelsorger im Einsatz. Sie stehen den Betroffenen zur Seite, geben Halt und Orientierung. Doch auch sie müssen mit den Erlebnissen fertig werden
"Es macht was mit einem" - Notfallseelsorger helfen in Magdeburg
Notfallseelsorger stehen bereit, wenn Menschen bei einem Terroranschlag trauern - wie hier im Dezember 2024 in Magdeburg.
picture alliance/dpa/Matthias Bein
Aktualisiert am 14.02.2025
3Min

Bei furchtbaren Ereignissen wie Terroranschlägen schlägt auch die Stunde der Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger. Sie kümmern sich um die seelischen Wunden etwa der Verletzten, hilflosen und traumatisierten Menschen, die nach ihren Angehörigen suchen, oder betreuen die Einsatzkräfte. Einer von ihnen ist Diakon Matthias Marcinkowski. Der katholische Geistliche war auch am 20. Dezember 2024 in Magedeburg bis tief in die Nacht im Einsatz.

Bis zu 100 Notfallseelsorger und Kriseninterventionskräfte seien nach der Tat vor Ort gewesen, erzählte er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Diese seien zum Teil gezielt in die umliegenden Krankenhäuser geschickt worden, um dort Verletzte oder Angehörige zu betreuen. Auch am Tag darauf standen vor der Johanniskirche in der Nähe des Tatorts auf dem Weihnachtsmarkt Ansprechpartner für Hilfesuchende bereit.

"Alle verfügbaren Kräfte mobilisiert"

Marcinkowski betonte die gute Zusammenarbeit zwischen Polizei, Rettungskräften und Notfallseelsorgern. "Das Räderwerk hat hervorragend funktioniert", berichtete er. Zwei Notfallseelsorge-Teams gab es in Magdeburg, eines davon koordinierte Corinna Pagels. Doch auch zahlreiche Kräfte aus der Region seien im Einsatz gewesen. "Wir haben alle verfügbaren Kräfte mobilisiert, wir waren sehr gut ausgestattet", berichtete Pagels. Bis halb zwei in der Nacht sei sie selbst vor Ort gewesen.

Am Tatort hätten zudem viele Passanten mitgeholfen, etwa Isolierdecken oder Infusionsbeutel gehalten, erzählte Marcinkowski. Nach und nach seien die Verletzten in Zelte gebracht worden. An einem Einkaufszentrum habe man Angehörige und Leichtverletzte versorgt. "Für den Notfallseelsorger geht es darum zu schauen: Wer ist derjenige, der am wenigsten schreit und die meiste Hilfe braucht?", betonte der katholische Diakon. Oft sei er auch von anderen Helfern angesprochen und auf hilfsbedürftige Personen aufmerksam gemacht worden.

Durch die gezielte Ansprache hätten viele Betroffene eine erste Orientierung erhalten, beispielsweise auf der Suche nach verletzten Angehörigen. "Es war zwar chaotisch bis zum Schluss, aber nicht im negativen Sinne. Die Versorgung hat hervorragend funktioniert", berichtete der Seelsorger. Die Solidarität und die Professionalität, aber auch die Empathie seien positiv beeindruckend bei dem Leid, das über die Menschen hereingebrochen sei.

Lesen Sie hier: Wie man als Laie einem Menschen Beistand leisten kann

Die Notfallseelsorger sind laut Marcinkowski immer mit einer violetten Weste gekennzeichnet, um sichtbar zu sein. So gingen sie auf die Betroffenen zu, stellten sich kurz vor und fragten, ob die Person Hilfe brauche. "Dann muss man die Signale, die die Betroffenen senden, abschätzen, ob man länger bleiben sollte oder nicht", erklärte er. Dass er auf eine Abwehrhaltung bei den Menschen stoße, passiere dabei selten.

Für den Diakon hat dieser Dienst auch eine religiöse Dimension. "Der Gottesname 'Ich bin da' zeigt sich in dem Dienst von Notfallseelsorgern", sagte Marcinkowski. Das Leid wahrzunehmen und mitzutragen, das sei der entscheidende Dienst. Die Gewissheit, dass Opfer oder Rettungskräfte in ihrer Not nicht alleine seien, könne den Betroffenen Trost geben. Notfallseelsorger sorgten dafür, das Geschehene "mit tragbar" zu machen.

Wie er das Geschehen für sich selber verarbeitet, darauf hatte der katholische Diakon noch keine abschließende Antwort. Er wollte zu dem Gedenkgottesdienst im Dom gehen, der einen Tag nach der Tat abgehalten wurde: "Das ist für mich als christlicher Seelsorger die Form, das Geschehene ins Gedenken und ins Gebet zu nehmen." Hinzu komme die Supervision, also die interne Nachbesprechung. Marcinkowski wollte sich zudem bewusst Auszeiten nehmen, um Abstand zu dem Geschehenen zu gewinnen.

Corinna Pagels hilft sich noch auf andere Art: Sie denke an die Menschen, die verschont geblieben seien, und sei dankbar, dass sie selber unverletzt geblieben ist. "Aber es macht was mit einem, und es gibt Bilder, die man nicht loswird", gestand sie ein.

Eine erste Version dieses Textes erschien am 23. Dezember 2024.

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