Das Kunstwerk - Beißen und zerfleischen
Hamishi Farah: "Dog Heaven 2, Ghost of the black dog" (2021)
CM Courtesy of the Artist, Fri Art Kunsthalle, Fribourg and Arcadia Missa, London. Photography by Guillaume Python
Hunde in der Kunst
Beißen und zerfleischen
Hinter einem schlechten Hund steht meistens ein noch schlechterer Mensch
Lukas Meyer-BlankenburgPrivat
08.09.2021

Herrchen und Frauchen müssen jetzt tapfer sein: Hunde kommen in der Kunst­ge­schichte schlecht weg. ­Erstaunlich ist das schon. Die Vierbeiner firmieren hierzulande schließlich vor allem unter wohlmeinenden Bezeichnungen wie "der beste Freund des Menschen" oder "treuer Begleiter", und wenn sie leiden müssen, dann unter dem Ausmaß an Verniedlichung, mit dem sie von ihren zwei­beinigen Besitzern überzogen werden.

Aus der Hand europäischer Künstlerinnen und Künstler flossen in den letzten Jahrhunderten da­gegen ganz andere Exemplare. Ent­weder werden Hunde gleich komplett ignoriert oder sie erscheinen verschlagen und hintertrieben, sind böse Menschenfresser (wie im vorliegenden Fall, doch dazu gleich) und müssen verfolgt und eingesperrt werden.

Den somalischen Künstler Hamishi Farah interessieren diese menschlich-moralisierenden Projektionen auf den Hund und andere Tiere besonders. Vielleicht, weil er selbst Erfahrungen damit gemacht hat, wie es ist, wenn einem von anderen schlechte Eigenschaften ­zugeschrieben werden. Mit Identitäts­fragen beschäftigt sich ­Hamishi Farah nicht nur aus eigenem Antrieb, er wird darauf auch immer wieder gestoßen. Am Flughafen in Los Angeles hinderten ihn Sicherheitskräfte einmal an der Weiterreise, nahmen ihn unter sehr vagem Terrorverdacht fest und ­ließen ihn kurze Zeit später aus­fliegen. Künstlerisch verarbeitet hat er die Episode gleich in einer humorvollen Graphic Novel.

Angesichts solcher Erfahrungen mag es aber nicht verwundern, dass Hamishi Farah geneigt ist, sich eher mit dem Bösen im Menschen und seinen Vorstellungen auseinanderzusetzen. Beim Hund liefert ihm der Volksglaube passende ­Vorlagen. Durch dieses Bild springt eine englische Moorbestie, ein Mix aus Bluthund und pferdegroßer Dogge mit blutunterlaufenen Augen und hängenden Lefzen. Der Hund hat die Fährte seines Opfers aufgenommen. Beißen und zerfleischen, das ist seine Natur. Das hastende Tier ist hier ganz dynamischer Vordergrund. Es wirkt fast ein bisschen irre und verloren im eigenen Trieb. Dahinter sieht man zwei Menschen. Männer, die das Tier fangen wollen? Oder treiben sie es im übertragenen Sinne mit ihren Projektionen in die Enge, stülpen ihm die schlechten Eigenschaften über?

Leseempfehlung

"Dog Heaven 2, Ghost of the Black Dog" ist eines von mehreren ­Werken des Künstlers, die sich mit dem ­Mythos Hund ­auseinandersetzen. Und der ist abseits von Leckerlis und Hundefriseuren eben eher düster. Krimifans dürften längst aufgemerkt haben: Was Hamishi Farah hier abliefert, ist die mit Öl und Bimsstein gedruckte Kopie ­einer berühmten Vorlage. Der Brite Sidney Paget illustrierte mit dem Motiv Arthur Conan Doyles berühmte Sherlock-Holmes-­Erzählung "Der Hund der Baskervilles". Der Text ist ein moderner Klassiker des Hunde-Horrors. Aber am Ende hat natürlich Sherlock Holmes den richtigen Riecher und enthüllt eine Binse, die Hamishi Farah mit seiner Kopie auch im Sinn gehabt haben dürfte: Hinter einem schlechten Tier steht meistens ein noch schlechterer Mensch.

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