Ein neues Brot schneidet man nicht einfach an. Es verdient besondere Aufmerksamkeit: Mit dem Messer zeichnet, wer auch immer das Essen vorbereitet, ein Kreuz über das Brot, bevor er oder sie die erste Scheibe abschneidet. Man verharrt einen Moment, macht sich bewusst, was man in den Händen hält. So galt es über Jahrhunderte – im Rheinland, in Bayern, und sicherlich nicht nur dort und nicht nur früher.
Bei einer Klassenfahrt beobachtet eine Lehrerin muslimische Schüler, wie sie Lebensmittel küssen, die sie vor der Rückreise meinen, wegwerfen zu müssen – ganz so, als wollten sie dafür Abbitte leisten.
Dank für die Ernte - aber gegenüber wem?
Was ist so besonders an den Lebensmitteln, dass man sie respektvoll behandelt und vor einem Essen ein Tischgebet spricht? Wer direkt von der Landwirtschaft lebt – bis vor wenigen Jahrzehnten waren das noch sehr viele Menschen in Deutschland – dankt nach dem Einbringen der Ernte, schmückt den Altarraum der Kirchen mit Früchten aus Gärten, Feldern und Baumplantagen und feiert mit Umzügen auf den Dörfern.
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Das Fest lebt auch in der städtisch geprägten Welt von heute weiter. Die meisten Mitteleuropäer sind in der glücklichen Lage, auf kaum etwas verzichten zu müssen. Keine Selbstverständlichkeit. Viele Menschen ahnen: Es ist ein Segen, rundum mit Lebensmitteln versorgt zu sein. Grund genug, Dank zu empfinden.
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