Im Schnitt wirft jeder und jede Deutsche jährlich 79 Kilo Lebensmittel weg - sagt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Und die Tendenz steigt: Im Jahr 2019 waren es laut BMEL nur 75 Kilo pro Person.
Das Ministerium beruft sich auf eine Studie der Uni Stuttgart, welche 2019 veröffentlicht wurde. 2024 erfolgte eine zweite Auswertung durch das BMEL mit Daten aus dem Jahr 2021.
Die Erhebung zeigt Erstaunliches: Nicht die Supermärkte verschwenden massenhaft abgelaufene Lebensmittel. Von der ganzen "Frischmasse", die im Müll landet, verschuldet der Handel lediglich sieben Prozent. Doch auch dieser Wert ist gestiegen: 2019 waren es nur vier Prozent.
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Die sogenannte "Primärproduktion", also etwa die Landwirtschaft, kommt in der Studie sehr gut davon. Die Menge ihrer Lebensmittelabfälle ist deutlich gefallen. Betrug ihr Anteil an den Abfällen im Jahr 2019 zwölf Prozent, waren es 2021 gerade mal noch zwei Prozent. Dies entspricht 0,2 Millionen Tonnen an Lebensmittelresten. Und sogar das verarbeitende Gewerbe, das oft mit technischen Störungen zu kämpfen hat (wenn zum Beispiel Essen verdirbt, weil die Temperatur in der Maschine oder in der Fabrikhalle nicht stimmt), steht mit 14 Prozent Anteil am Essensmüll noch relativ gut da.
Wir Konsumenten müssen sorgsamer sein
Die wahren Hauptschuldigen bei der großen Verschwendungsorgie, das sind - wir, die Konsumenten. 60 Prozent aller ungenutzten Lebensmittel landen in unseren Mülltonnen. Von allen in Deutschland lebenden Personen entstanden im Jahr 2021 6,6 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle! Das sind eine halbe Million Tonnen mehr als noch im Jahr 2019. Insofern lohnt es sich wirklich, einmal das eigene Verhalten zu überprüfen.
Das BMEL empfiehlt daher: besser planen, besser lagern, besser essen. Hilfestellung gibt dabei - auch dies eine Empfehlung des Ministeriums - die Internetseite "Zu gut für die Tonne!". Sie gibt Tipps zum Einkauf, zur richtigen Aufbewahrung und Verwertung von Lebensmitteln. Und stellt auch eine App für Smartphones und Tablets (im AppStore und bei GooglePlay erhältlich).
Die Initiative für "Too Good to Go" geht von techbegeisterten Unternehmerinnen und Unternehmern in ganz Europa aus. Sie wollten ihren Beitrag gegen Verschwendung leisten und dabei das Klimagas Kohlendioxid vermeiden. Mit jeder geretteten Mahlzeit - so heißt es - würden 2,5 Kilogramm CO2 eingespart.
Die Vereinten Nationen wollen bis 2030 die Lebensmittelabfälle halbieren. Ohne die Konsumenten - das zeigt die Studie der Stuttgarter Uni - ist das Ziel nicht zu erreichen.
Aber natürlich lassen sich auch andere Schwachstellen im Lebensmittelmarkt verbessern. Dem Handel hilft die "Foodsharing-Initiative" beim Essenretten. Auf der Online-Plattform foodsharing.de vernetzen sich Essensretter und -retterinnen. Über eine App melden Supermärkte, kleine Läden, Restaurants und andere überschüssige Lebensmittel. Sie geben sie kostenlos ab. Angemeldete Mitglieder der Plattform können mitteilen, wer wann wo etwas abholt. Jedes Mitglied baut eigene Kreise auf, wo es die Lebensmittel dann verteilt.
Was da an Resten zusammenkommt? Kekse, Gemüse, Milchprodukte, fertig zubereitete Gerichte, was auch immer. Über 200.000 ehrenamtliche User in Deutschland, Österreich, der Schweiz und weiteren europäischen Ländern sind nach Angaben der Plattform schon registriert.
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Auf kommerzieller Basis funktioniert eine App aus Finnland. Sie heißt ResQ und funktioniert ganz ähnlich wie die Foodsharing-App. Örtliche Restaurants bieten an, überschüssiges Essen kostengünstig abzugeben: in Deutschland, Finnland, Schweden, den Niederlanden und Estland. Gegen Geld, aber eben doch vergleichsweise wenig. Dass sich mit Resten noch etwas verdienen lässt, erhöht möglicherweise noch den Anreiz, mit Lebensmitteln schonend umzugehen.
Etwas Geld sparen und sich überraschen lassen
Auch SirPlus, ein Berliner "Social Impact Start-up" (wie sie sich selbst nennen), bringt Genießbare, aber (fast) abgelaufene Lebensmittel, die der Handel aussortiert, wieder zurück in den Handel. Krumm Gewachsenes, Süßigkeiten, Salzgebäck, Back- und Trockenwaren (Nudeln), Smoothies, Softdrinks, was auch immer gerade anfällt. Die Lebensmittel werden in "Retterboxen" verpackt und online verkauft. Man abonniert entweder eine Retterbox klassik und spart mindestens 45 Prozent der Kosten (so das Unternehmen). Oder man wählt die bio-vegane Retterbox und spart etwas weniger (30 Prozent der Kosten). Man sollte aber wissen: Der Inhalt ist jedes Mal wieder eine große Überraschung.
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Die Foodsharing-Initiative, aber auch Unternehmen wie SirPlus und ResQ tragen sicherlich dazu bei, dass der Handel in Sachen Lebensmittelrettung laut Stuttgarter Studie (s.o.) so außerordentlich gut abschneidet. Insofern lohnt es sich ganz bestimmt, hier mitzumachen.
Auch auf der Produzentenseite tut sich was. Manche Biobauern bieten an, krummes Obst und Gemüse, das für die Läden nicht gut genug aussieht, in Retterboxen bis vor die Haustür zu liefern. Dazu haben sie sich in der Initiative etepetete zusammengeschlossen. Damit helfen sie nicht nur den unansehnlichen, aber ebenso leckeren Feldfrüchten. So unterstützen Konsumenten auch die ökologische Landwirtschaft. Denn sie kann auf diese Weise noch mehr Lebensmittel absetzen.
Die Initiative etepetete arbeitet daran, das Netzwerk auszubauen, damit die Lieferwege kurz bleiben. Denn je mehr Ökolandwirte sich beteiligen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass man einen in seiner Nähe findet. Insgesamt konnten so bisher – laut Angabe des 2014 per Crowdfunding gegründeten Lieferservices – weit über 1,3 Millionen Kilo Obst und Gemüse vor dem Müll gerettet werden.
Eine erste Version des Textes erschien im September 2019.