Was hat die Apfelallergie mit der gegen Birkenpollen zu tun?
Klaus Eisendle: Allergene lösen allergische Reaktionen aus. Bei Menschen, die auf Birkenpollen oder Äpfel reagieren, sind dies Proteine, also Eiweiße, die in Birkenpollen und Äpfeln zu finden sind und gegen die der Körper Abwehrstoffe produziert. Diese Allergene ähneln sich. Deswegen haben viele Menschen, die im Frühjahr auf Birkenpollen reagieren, auch eine Apfelallergie. Wir nennen das eine Kreuzallergie.
Mit Ihrem Forschungsprojekt "Applecare" konnten Sie zeigen, dass eine Apfeltherapie sehr wirksam gegen Apfel-, aber auch Birkenpollenallergien sein kann. Wie ist das möglich?
Das ist möglich, eben weil die Allergene sich ähneln. Und wir wissen: Apfel-Allergiker vertragen vor allem Supermarkt-Äpfel wie Golden Delicious, Gala oder Jonagold nicht. Diese Sorten enthalten besonders viele Allergene.
Warum?
Weil man diese Sorten vor vielen Jahrzehnen so gezüchtet hat, dass sie süßer schmecken und länger haltbar sind. Dadurch nahm der Gehalt an Allergenen zu, da diese bestimmten Allergene im Apfel oder in der Birke auch für die Haltbarkeit zuständig sind. Alte Apfelsorten enthalten weniger Allergene und mehr Polyphenole, die den Apfel saurer machen. Viele Apfelallergiker vertragen diese alten Sorten. Wir haben den Patienten anfangs rotfleischige Äpfel gegeben, die viele Polyphenole und weniger Allergene enthalten, alternativ geht es auch mit alten Sorten.
Das heißt, Sie gaben Probanden alte oder rotfleischige Apfelsorten?
Genau, anfangs nur wenige Stücke, dann immer mehr. Und irgendwann einen ganzen Apfel am Tag. Die Menschen gewöhnten sich daran und wir konnten anfangen, ihnen auch neue Apfelsorten zu geben, wie wir sie das ganze Jahr über im Supermarkt bekommen. Anfangs wieder immer kleine Stücke und dann immer mehr bis zu einem ganzen hochallergenen Apfel.
Das kann jede Apfelallergikerin so zu Hause nachahmen?
Bitte Vorsicht! Jetzt im Herbst ist die Zeit der alten Apfelsorten. Der BUND in Lemgo pflegt eine Liste mit alten Sorten, dort kann man sich informieren. Und mit diesen Äpfeln sollte begonnen werden. Später kann man auch die Supermarktsorten testen, aber man sollte anfangs wirklich nur ganz kleine Mengen essen, nur wenige Gramm. So lief das auch in unserer Studie ab – erst alte oder rotfleischige Sorten, dann neue. Wir haben die Menge an neuen Sorten später gesteigert – bis die Menschen auch die neuen Sorten vertrugen.
Und was zeigte sich im Frühjahr bei Patienten, als die Birkenpollen wieder flogen?
Dass es von Jahr zu Jahr besser wurde! Weil die Allergene in Birkenpollen und Äpfeln ähnlich sind, konnten wir die Äpfel nutzen, um auch die Allergie gegen Birkenpollen deutlich zu lindern. Das steigert die Lebensfreunde der Menschen und spart Geld, weil es keine oder jedenfalls weniger Medikamente braucht.
Was ist Ihre Lieblingsapfelsorte?
Ich muss gestehen: Es ist keine alte Apfelsorte, sondern der "Kanzi", den es in vielen Supermärkten gibt. Den mag in meiner Familie jeder. Ich kann aber nur allen raten, die alten Apfelsorten kennenzulernen. Welche es wo gibt, unterscheidet sich von Region zu Region. Da kann man viel entdecken.