Mein Mann will ein Haustier. Und zwar eines, das nicht traurig guckt, wenn man nicht rausgeht mit ihm; das man nicht in Pflege geben muss, wenn man in Ferien fährt. Es soll selbstständig sein, aber doch auch hilfsbedürftig. Er will Bienen. Auf dem Balkon.
Äh, und wo soll ich dann sitzen? "Wir stellen die Kiste vor die Brüstung, die fliegen gerade raus ins Grüne, die interessieren sich gar nicht für dich", sagt er. Aber Bienen stechen! "Nee, die sind ganz friedlich, du darfst sie nur nicht drücken." Hab ich nicht vor. Er fragt dann doch lieber das Frankfurter Grünflächenamt, ob er 200 Meter weiter, auf eine städtische Wiese, eine Bienenkiste hinstellen darf, direkt am Bahndamm. Er darf.
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Noch hat er keine Bienen. Also trägt er sich in die Schwarmhotline ein. 50 Kilometer weit würde er fahren, um einen eingefangenen Bienenschwarm abzuholen. Und er beginnt einen Kurs bei einem Hobbyimker. Wenige Wochen später, Anfang Mai, ruft er aufgeregt aus dem Büro an: Es gebe einen Schwarm für ihn! Gleich nach der Arbeit fahre er hin. Ich soll zwei Kilo Zucker als Erstnahrung kaufen und Infozettel bei den angrenzenden Häusern einwerfen. Spätabends ist er zurück, zwei Pappkartons im Arm, aus denen es sumselt. Die kommen über Nacht in den Keller. Zur Beruhigung.
Werden die Bienen bei uns bleiben?
Eine Bienenkiste hat er schon aufgebaut. Leer, ohne vorgefertigte Waben, schließlich will er artgerechte Bienenhaltung machen, da bauen sich die Bienen ihre Waben selbst. Allerdings finden Bienen prinzipiell alle Behausungen, die Imker ihnen zur Verfügung stellen, unattraktiv: so auf dem Boden. Lieber würden sie oben in einer Baumhöhle nisten, wo kein Bär drankommt. Dass es keine Bären mehr gibt und kaum noch alte, hohle Bäume, hat sich irgendwie noch nicht rumgesprochen.
Es gibt einen Trick: Die Bienen werden unsere Unterkunft erst am Abend kennenlernen. Damit die Kundschafterbienen sagen: Leute, es wird dunkel, lasst uns heute Nacht hierbleiben, wir können morgen nach was Besserem weitersuchen. Sind sie erst einmal drin, fangen sie sogleich an, Waben zu bauen, heißt es. Könnte man die Bienen nicht auch in die Kiste schütten, Deckel zu? Nein, sie sollen sich selbst entscheiden können, findet mein Mann. Das sei würdevoller.
Das Einlaufen: ein Spektakel
"Was für ein Spektakel", sagt der Nachbar, als er mit Tochter beim "Einlaufen" der Bienen zuguckt. Mein Mann hat ein Brett schräg vom Boden hoch zum Eingang der Bienenkiste gelegt, darauf ein weißes Tuch. In beunruhigender Lage streben Bienen möglichst ins Dunkle, und sie laufen gern aufwärts – also zum Kisteneingang. So die Theorie. Der Mann schüttet die Pappkartons über dem unteren Ende der Brettschräge aus – prasselnd fallen Zehntausende Bienen heraus.
Dann verharren sie als wimmelnder Fladen. Bis ein paar Kundschafterinnen loskrabbeln, das dunkle Loch und die Höhle dahinter entdecken, ihre Duftdrüse freilegen, mit den Flügeln schwirren und so dem Haufen unten signalisieren: Kommt alle her, hier ist es okay! Aber der Haufen reagiert nicht. Mein Imkerneuling erinnert sich an seine Youtube-Videos und schaufelt mit dem Esslöffel ein paar Bienen hoch vor den Eingang – und endlich setzt sich die ganze Truppe in Bewegung.
"Stechen die?", fragt die neunjährige Nachbarstochter und streichelt bereits mit dem Zeigefinger einen Bienenrücken. "Total weich!" Derweil fang ich mir einen Stich in den Nacken. Boah, tut das weh. Eine Biene ist mir in die Haare geflogen, instinktiv hab ich draufgehauen. Selbst schuld. Ich sag lieber nichts.
Für die ersten Tage bekommen sie eine Schale mit Zuckerwasser reingestellt. Und, als einige darin ertrunken sind, auch noch Trittsteine aus Weinkorken-Scheiben. Nun machen sie alles von ganz alleine – bauen den ganzen Kasten mit Wabenwänden voll, innerhalb von acht Wochen.
Eine Wespe will eine Biene aussaugen
Dass wir uns immer wieder neu aufregen, kriegen die Bienen nicht mit. Fast unaushaltbar im Urlaub die Sorge um das Bienenvolk – ob es noch gesund ist, ob der Sturm das Dach abgehoben hat, ob Jugendliche Unsinn gemacht haben? Und dann, als wir wieder da sind: Warum fliegen die in Schwärmen vor dem Eingang herum, sind die verrückt geworden? Nein, das sind keine Kranken, recherchiert der Mann, das sind Jungbienen auf Orientierungsflug: Die schauen sich die Bienenkiste aus jeder Richtung an, um sich ihr Zuhause zu merken.
Dann die Wespen, die an den Honig wollen. Dramatische Kämpfe spielen sich auf dem Landebrettchen vor dem Einflugloch ab, wo die Wächterbienen auf ihren Hinterbeinen stehen und jeden, der reinwill, erst mal kontrollieren. Der Mann filmt mit der Slow-Motion-Funktion seines Handys, wie die Wespe einzelne Bienen aus der Verteidigungskette rauszureißen versucht. Die Kette hält.
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Honigbienen sind nicht vom Aussterben bedroht; weltweit hat die Zahl der Bienenstöcke in den letzten Jahrzehnten zugenommen, auch in China. Bedroht sind dagegen die Wildbienen. Das sind keine wilden Honigbienen, sondern ganz andere Bienen – manche sind noch nicht mal gestreift, sondern schwarz, dünn, winzig, aber auch die dicken Hummeln gehören dazu.
Auch Wildbienen und Schwebfliegen (die sehen aus wie kleine Wespen) tragen Pollen von Blüte zu Blüte, oft sind sie sogar effektivere Bestäuber als die Honigbiene, wie die Wissenschaftlerin Alexandra-Maria Klein in einer internationalen Studie herausfand. Wildbienen zum Beispiel fliegen auch bei kühlem Wetter und sogar bei Nieselregen herum, wenn Honigbienen lieber zu Hause bleiben. Ohne die Wildbienen sähe es nach einem verregneten Frühling schlecht mit Äpfeln aus. Grund für das rasante Insektensterben sind vor allem die zunehmende Bebauung freier Flächen und die intensive Landwirtschaft.