Wie schätzen Sie die Gaspreisbremse ein?
Volker Quaschning: Ich hätte nicht in der Gaskommission sitzen
wollen. Das Problem ist, dass die Politik monatelang nichts gemacht
hat, dann hat man festgestellt, dass die Gasumlage aus sozialer Sicht
eine Katastrophe ist, und dann sollte innerhalb weniger Tage ein
Konzept für eine Gaspreisbremse ausgearbeitet werden. Dass dabei kein
gutes, durchdachtes und gerechtes Konzept herauskommen kann, liegt in
der Natur der Sache.
Worin sehen Sie konkret die Probleme daran?
Die Entlastung suggeriert: Das Gas wird wieder billig.
Das reduziert den Sparanreiz. Nun könnte uns in der zweiten Hälfte
des Winters das Gas ausgehen, und das hätte dann ganz andere Folgen
als die, dass es zu teuer ist. Ein weiterer Punkt ist, dass der
Millionär genauso davon profitiert wie der Hartz-IV-Empfänger. Aber
ich will den Kolleginnen und Kollegen, die daran mitgearbeitet haben,
keinen Vorwurf machen. Mir wäre in der Kürze der Zeit vermutlich auch
nichts Besseres eingefallen. Es geht jetzt wohl gerade nicht anders.
Es gibt Menschen, die von den hohen Preisen überfordert sind und die
Hilfe brauchen. Aber das Geld, das wir in die Gaspreis-Subvention
stecken, ist weg. Das fließt nach Katar oder in die USA. Das sind
keine Investitionen, die uns voranbringen. Das tut weh.
Volker Quaschning
Nils Sandrisser
Wie sähe eine nachhaltigere Lösung aus?
Wir müssen endlich die soziale und die Energiefrage trennen. Die soziale Frage dient seit jeher dazu, notwendige Veränderungen zu verhindern. Wir hören seit Jahren, dass wir nötige Reformen im Energie- und Verkehrsbereich nicht umsetzen können, weil sich die Hartz-IV-Empfängerin das nicht leisten könne. Aber dann müssen wir doch Menschen in die Lage versetzen, mögliche Mehrkosten zu bezahlen, beispielsweise durch ein höheres Existenzminimum. Die Preise für Öl und Gas werden nicht dauerhaft so hoch bleiben, aber
sie werden höher bleiben, als wir das von früher gewohnt sind. Wenn
man von Importen abhängig ist, ist man immer erpressbar. Das können
wir lösen, indem wir auf eigene Versorgung mit erneuerbaren Energien
setzen.
"Wärme, Verkehr und Industrie auf Windkraft und Solarenergie umstellen"
Wie viel an Zubau an erneuerbarer Energieerzeugung wäre dafür
nötig?
Beim Strom sind wir schon ganz gut unterwegs, da ist die Hälfte schon erneuerbar. Die Strompreise sind trotzdem hoch, das liegt aber an der Art, wie sie gebildet werden, also eine kleine Zahl an Gaskraftwerken den Preis für alle hochtreibt. Da müsste man also überlegen, ob die Strompreisbildung so sinnvoll ist. Strom macht aber nur ein Fünftel des Kuchens aus. Wir wissen, bei welchen Energieformen wir Potenzial haben in Deutschland, nämlich Sonne und Wind. Das bedeutet, wir müssen die Bereiche Wärme, Verkehr und Industrie, die vier Fünftel der Energie verbrauchen, auf Strom aus Windkraft und Solarenergie umstellen. Das hätte außerdem den Vorteil, dass Strom deutlich effizienter ist. Wenn ich eine Gasheizung ausbaue und eine Wärmepumpe einsetze, spare ich zwei Drittel an Energie ein. Auch beim Verbrenner geht viel Energie über den Motor als Wärme verloren.
In welchem Zeitraum wäre eine Umstellung denn zu schaffen?
Wenn wir die Folgen der Klimakrise einigermaßen erträglich halten wollen, müssen wir in 10 bis 15 Jahren unser komplettes System umstellen. Wir müssten die Ausbaugeschwindigkeit um den Faktor acht im Vergleich zum vergangenen Jahr erhöhen, um das zu schaffen.
Ist das realistisch? Wir haben ja auch Material- und
Fachkräftemangel.
Ad hoc natürlich nicht. Aber in ein oder zwei Jahren sieht alles ganz anders aus. Im Falle von Wärmepumpen zum Beispiel gehen wir davon aus, dass im kommenden Jahr doppelt so viele verkauft werden wie im vergangenen Jahr. Auch der Solarausbau zieht steil nach oben. Die Windenergie hinkt hinterher, unter anderem wegen langer Genehmigungsverfahren. Achillesferse Nummer eins in Deutschland ist die Bürokratie. Es ist nicht einzusehen, warum wir in vier Monaten ein Gasterminal planen und genehmigen können und für einen Windpark dafür acht Jahre brauchen. Wenn wir an die Erneuerbaren mit dem
gleichen Willen herangehen wie an andere Projekte, ist der Ausbau in
diesem Zeitraum zu schaffen. Das Problem ist, dass wir für Öl und Gas kontinuierlich bezahlen, während ich für ein Windrad oder ein Solarmodul ich das Geld am Anfang auf einmal auf den Tisch legen muss. Für Menschen mit gutem Einkommen ist das immer ein gutes Geschäft. Für Leute, die sich
solche Investitionen nicht leisten können, ist das schwierig, und da
müssen wir Wege finden, damit nicht nur die Besserverdienenden von
der eigenen Solaranlage profitieren können.
Denken Sie da an günstige Kredite für Hausbesitzer?
Für Hausbesitzer ist das Problem gar nicht so groß, denn
es gibt Mietsolaranlagen. Die baut eine Firma aufs Dach, und man
zahlt ihr dann von der eingesparten Energie eine Pacht. Solche
Modelle gibt es heute schon, und sie funktionieren auch. Vor
Problemen stehen eher Leute, die zur Miete wohnen. Die sind darauf
angewiesen, dass der Vermieter die Heizung austauscht, das Gebäude
dämmt oder eine Solaranlage aufs Dach schraubt. Da brauchen wir
gesetzliche Vorgaben, damit jeder Mieter Anspruch auf Strom vom Dach
hat. Für die Häuser, bei denen sich Solaranlagen nicht rechnen,
müsste der Staat Zuschüsse zahlen.
"Erzeugungskosten für Sonne und Wind sind günstiger als für Kohle oder Gas"
Die Erzeugung ist das eine, die Speicherung das andere. Die
Speicherung wird immer wieder als Problem der Erneuerbaren genannt.
Ja, nachts scheint die Sonne nicht, das haben wir in der
Forschung auch schon bemerkt (lacht). Es gibt natürlich Lösungen, die
man aufbauen muss. Im Strombereich reichen unsere Speicherkapazitäten
derzeit für eine gute halbe Stunde. Und wir müssten die sogenannten
Dunkelflauten, wenn zwei, drei Wochen die Sonne wenig scheint und
kaum Wind weht, überbrücken können. Das Problem ist: Diese Lösungen
rechnen sich erst, wenn wir einen höheren Anteil Erneuerbarer haben.
Deswegen haben wir sie noch nicht. Aber in dem Maß, in dem der Anteil der Erneuerbaren zunimmt und wir große Überschüsse aus Wind- und Solarkraft haben, werden auch Speicher wirtschaftlich interessant. Für kurzfristige Überbrückungen sind das intelligente Netze oder Batteriespeicher. Für längere Phasen wäre das Power-to-Gas-Verfahren geeignet, in dem man per Elektrolyse
aus überschüssigem Sonnen- und Windstrom Gas herstellt, das man
während der Dunkelflauten zur Stromerzeugung verbrennen kann. Die
Gasspeicher dafür sind schon da.
Kann man seriös berechnen, wie viel eine Kilowattstunde kosten
würde, wenn die Energieerzeugung auf Erneuerbare umgestellt ist und
die notwendigen Speicherkapazitäten ausgebaut sind?
Wir wissen ja, was heute die Erzeugungskosten für Sonne
und Wind sind. Sie sind mittlerweile deutlich günstiger als für Kohle
oder Gas, wenn es um die reine Erzeugung geht, bei Wind
beispielsweise fünf oder sechs Cent pro Kilowattstunde. Die Kosten
für Speicherung kämen obendrauf. Pi mal Daumen würden sich die
genannten Erzeugungskosten dadurch verdoppeln. Wenn man die jetzigen
Preise für Sonne und Wind nimmt und das Doppelte aufschlägt, ist man
immer noch deutlich unter den Preisen, die derzeit für Strom, Gas
oder Heizöl gezahlt werden.
Das Interview führte Nils Sandrisser vom Evangelischen Pressedienst.
Buchhinweis: Volker und Cornelia Quaschning: «Energierevolution jetzt!» Mobilität, Wohnen, grüner Strom und Wasserstoff: Was führt uns aus der Klimakrise - und was nicht?«, Carl Hanser Verlag, München 2022, 288 Seiten, 20 Euro.
Konjunktiv als Rettung.
Der Konjunktiv ist die höchste Form der Unverbindlichkeit. Der angeblichen Hoffnung auf Möglichkeit. Ein beliebtes "Spielzeug-Argument" für die unverbindliche Zukunft.
Können, könnten senken! Wenn sie denn zuverlässig und auf Dauer dazu auch in der Lage sind. Sind sie aber nicht. Und dann noch die Hoffnung, dass den Ingenieuren in höchster Not schon immer dazu ein Genius eingefallen ist. Die Physik sich je nach Bedarf zurechtwünschen. Ein Blick auf einschlägige Portale zeigt für 29.11. 6.00 Uhr: Energiebedarf DE: 62GW, Lieferung EE: 11 GW. Was nutzt die schönste kurzfristige Energie-Export-Meldung, wenn dann unvorhersehbar wegen Dunkelflaute und dem bösen Putin mangels spontaner Grundlastversorgung alle Räder still stehen und die Operation gestoppt werden muss. Im Dunkeln von der "Kanzel" runter steigen ist gefährlich.
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