Genaue Zahlen gibt es nicht. Aber die Corona-Pandemie dürfte dem globalen Yogaboom weiter Auftrieb verschafft haben. Onlinekurse und Youtube-Lehrerinnen haben vielen gezeigt, wie wohltuend sich die Kraft-, Dehn-, Atem- und Entspannungsübungen auf Körper, Geist und Seele auswirken können. Man muss nur eine ruhige Ecke in den eigenen vier Wänden finden, und los geht es. Doch was macht man eigentlich, wenn man Yoga macht? Ist es eine Religion, eine Meditation, Sport, Therapie, Glückstechnik, Lifestyle? Die schlichte Antwort lautet: Von allem etwas – je nachdem, was man selbst darunter verstehen will. "Yoga" ist schließlich kein geschützter Begriff.
Den wenigsten, die sich dafür begeistern, dürfte bewusst sein, dass Yoga, so wie die meisten es heute betreiben, auch eine unbeabsichtigte Folge des europäischen Kolonialismus ist. Das mag befremdlich klingen. Doch ist Yoga ohne die Globalisierungen des 19. und 20. Jahrhunderts nicht zu verstehen: als Reaktion, Anpassung und Verbindung. Als die Briten Indien beherrschten, verbreiteten sie ein negatives Bild der einheimischen Religionen und philosophischen Lehren, darunter auch Yoga in seiner traditionellen Form.
Besonders die Körperübungen von Fakiren und Gurus gab die Kolonialmacht der Lächerlichkeit preis. Im Gegenzug entwarfen moderne Inder einen Reformhinduismus. Berühmt wurde die Rede, die Swami Vivekananda 1893 im Weltparlament der Religionen in Chicago gehalten hat. Darin stellte er einen liberalen Hinduismus als die höchste, weil umfassendste und toleranteste Religion vor. Sein Verständnis von Yoga war dabei rein spirituell gedacht, ohne Einbeziehung des Körpers.
Welche Rolle spielt der Körper im Glauben?
In dieser Zeit nahm von Europa und Nordamerika aus die moderne Sportbewegung ihren Siegeslauf. Immer mehr Menschen arbeiteten nicht mehr körperlich und sehnten sich nach einem Ausgleich zu ihren intellektuellen Tätigkeiten. Das kam auch in der indischen Yogakultur an. Vor allem die Übungen des schwedischen Gymnastikpioniers Pehr Henrik Ling wurden dort aufgegriffen. Später entstand daraus ein erfolgreiches indisches Exportgut: das durchaus missionarische Hatha-Yoga.
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Ist Yoga eine neue Religion?
Schöner Text. Noch schöner wäre er, wenn der Autor wenigens ein Kleinwenig auf seine Quelle verwiesen hätte. Oder sehe ich das falsch, wenn doch sämtliche Facts und Argumente im EZW-Text 270 "Yoga und christlicher Glaube" zu finden sind? https://www.ezw-berlin.de/publikationen/publikation/ezw-texte-270/
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Sehr geehrtes Team der
Sehr geehrtes Team der Redaktion,
… Auch meine Yoga-Lehrerin hat mir gezeigt, »wie wohltuend sich die Kraft-, Dehn-, Atem- und Entspannungsübungen auf Körper, Geist und Seele auswirken«.
Dennoch halte ich inne, indem es in der Meditationszeit - und auch manchmal bei den Übungen - darum geht, z.B. wie und wo ich wie ein Baum wurzele, wie und wo die »Sonnen- und die Mondseite meines Körpers« mich stärken, halten und tragen. Dann klinke ich mich aus von den möglicherweise missionarischen Vorschlägen einer Praktik des Kopfkinos der Hatha-Meditation durch die Stimme der Mentorin und werde dadurch kritisch gelenkt, mich genau hier zu besinnen, wo meine seelische Wurzel mich stärkt, trägt und hält. Auf diese Weise gelange ich zum Text eines Paul-Gerhardt-Liedes, zu einem Psalm oder einem Pauluswort.
Unter dieser Prämisse tut mir die Meditation mit jedem Atemzug gut.
Danke für Ihren Artikel, der mich zu diesem Leserbrief ermutigte.
Mit freundlichen Grüßen aus Köln
Ihre Leserin Roswitha Baum-Erbert
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danke für die rückmeldung
Vielen Dank für diese beiden Reaktionen! Und in der Tat habe ich von diesem Text (und anderen Texten) der Kollegen von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen viel für meinen Text viel gelernt (zudem von der neuen Missionsgeschichte von Bernhard Maier). Leider sind bei solchen Artikeln keine Anmerkungen vorgesehen. Deshalb habe ich gleich nach Veröffentlichung meinen Dank direkt ausgerichtet.
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Ist Yoga eine Religion?
Ist Yoga eine Religion? lautete die interessante Überschrift des Titelthemas.
In der Antwort wurde das „durchaus missionarische Hatha-Yoga“ erwähnt mit dem Hinweis auf weitere Religions- und Kulturvermischung.
Bedeutet das nun nicht, dass die Anwendung von Yoga durch Christen, wenn sie ihre Nachfolge des Herrn Jesus ernstnehmen, Götzendienst ist? Es gibt so viele Gymnastikübungen, die unseren Körper erfrischen – es kann die Gottesbeziehung von Christen ernsthaft beschädigen (vgl. Offenbarung 22,15), wenn Christen wissentlich Gebetshaltungen im Yoga nachmachen.
Dr. med. Birgit Sohn
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yoga für christen
Vielen Dank für diesen Einwurf! Die Frage ist immer, ob und was "wissentlich" übernommen wird. Ansonsten würde ich sagen, dass nicht einzelne Übungen hinduistisch oder christlich sind. Es geht immer um die Haltung, mit der man sie macht. Und da kann man als Christ vieles ausprobieren und für sich gestalten.
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