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"Du weißt nicht, wofür das noch gut sein wird", sagen wir zu uns selbst und zu anderen, wenn etwas nicht nach Plan läuft. Die Bahn kommt zu spät oder gar nicht. Bei der Präsentation in der Chefetage haben wir einen Blackout. Kaum sitzen wir im Biergarten, beginnt es zu regnen. Warum? Wir wissen es nicht. Wir können nur akzeptieren, dass wir weder Bahn noch Wetter in der Hand haben.
Gisa Klönne
"Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg; aber der Herr allein lenkt seinen Schritt" (Sprüche 16,9) – heißt es dazu in der Bibel. Und das klingt prinzipiell beruhigend für die Achterbahnfahrt des Lebens. Schließlich gilt auch: Ein Desaster kann unverhofft zum Glück werden. Auf dem Bahnsteig begegnet uns der Mann oder die Frau unseres Lebens, und wir pfeifen auf die Chefetage.
Was aber, wenn das, was so unverhofft unseren Lauf stoppt, weitaus dramatischer ist und sich nicht zum Guten verwandelt? Wer einen geliebten Menschen verloren hat oder mit einer chronischen Krankheit lebt, weiß: Da wird nichts wieder wie zuvor. Es nützt auch kein Hadern. Da bleibt nur, Frieden zu schließen mit dieser Wirklichkeit, so brutal sie auch sein mag, damit leben zu lernen und sich für die Möglichkeiten zu öffnen, die vielleicht gerade daraus erwachsen.
Ist das der Sinn? Akzeptieren lernen, dass die dunklen Tage genauso dazugehören wie die hellen und genauso viel wert sind? Rein philosophisch gesehen klingt das richtig. In der Praxis ist das jedoch mit dem Gottver-
trauen so eine Sache. Eine berufliche Krise reicht, uns gehörig zu erschüttern. So jedenfalls erging es mir im Herbst vor zwei Jahren.
Ich wusste plötzlich keine Antwort
Es gab keinen dramatischen Auslöser dafür. Ich war gesund, soeben war mein achter Roman erschienen. Schon als Kind hatte ich davon geträumt, Bücher zu schreiben. Nun lebte ich diesen Traum. Ich konnte mir keinen besseren Beruf vorstellen. Auch in jenem Herbst fragten Leser und Verlag, wann mein nächster Roman komme. Nur ich wusste plötzlich keine Antwort. Ich hatte Ideen, wollte schreiben – aber es ging nicht. Wo mich vorher Begeisterung trug, fand ich nur Leere.
Nein, ich kann nicht behaupten, dass ich diese Krise auch nur ansatzweise notwendig, sinnvoll oder fair fand. Auf ein – gar göttlich geplantes – Happy End zu vertrauen, gelang mir auch nicht. Womit in Zukunft Geld verdienen? Wie aushalten, meinen Traumberuf nicht mehr ausüben zu können? Wer war ich denn, wenn nicht Autorin? Der Druck stieg, meine finanziellen Rücklagen schwanden, ich kämpfte am Schreibtisch und verwarf die Ergebnisse wieder, zweifelte, verzweifelte, kämpfte weiter.
Ich betrat neue Welten
Nebenbei begann ich eine Ausbildung zur Yogalehrerin. Weil ich Yoga liebte und in meinem zwischen Lesereisen und Lektoratsphasen eng getakteten Autorenalltag nie die Zeit für die Ausbildung gefunden hatte.
Wollte ich Yoga unterrichten, statt zu schreiben? Nein. Ich wurde auch nicht schlagartig erleuchtet. Ich betrat neue Welten. "Jetzt, immer nur jetzt" ist die zentrale Botschaft des Yoga. Nur das Jetzt kannst du kontrollieren, diesen einen Atemzug, den du in diesem Moment tust. Dieses eine Wort. Diesen Schritt. Dann den nächsten. Und immer so weiter. Ich begriff, dass auch der Erfolg meines Schreibens weniger in meiner Hand lag, als ich bislang geglaubt hatte.
Als ich mich eben damit anfreundete, mein Leben könnte auch ohne Romanschreiben schön sein, begann, was ins Stocken geraten war, wieder zu fließen. Ich schrieb. Die Erschütterung war noch zu spüren, aber ich schrieb mit neuer Kraft und mit Freude. Und ich verstand, dass mir beides schon lange gefehlt hatte. Ich hatte wohl diese harte Phase gebraucht.
Im Rückblick ist es leicht, einen Sinn zu benennen. Doch ich hoffe, wenn wieder alles stockt, werde ich mich daran erinnern. Könnte ja sein, dass auch darin ein Glück steckt oder sich ein neuer Weg öffnet. Und dass genau das Gottes Plan ist.
"Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg; aber der Herr allein lenkt seinen Schritt"