Glatzköpfig 
in den 
Himmel?
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Glatzköpfig in den Himmel?
In der Bibel steht: Gott hat die Haare 
auf unserem Kopf gezählt. Ob er sie bei 
der Auferstehung zurückbekommt, 
wenn sie im irdischen Leben ausgefallen sind, 
fragt der Theologe J. Andrew Doole. 
Eine Glosse
07.04.2020

Ich habe eine Glatze. Ich hatte nicht immer eine Glatze. Aber seit etwa sieben Jahren habe ich oben am Kopf viel weniger Haare als an den Seiten. Wenn ich nicht zu den modernen und vielleicht zukünftigen Technologien greife, werde ich wohl für den Rest meines Lebens eine Glatze haben. Aber nach dem Tod?

J. Andrew Doole

J. Andrew Doole wurde 1984 in 
Belfast (Nordirland) geboren und ist seit 2015 Universitäts­assistent am 
Institut für Bibelwissenschaft und Historische ­Theo­logie der Universität Innsbruck. 
Sein Essay 
"Glatzköpfig in den ­Himmel?" ist zuerst 
erschienen bei 
feinschwarz.net.

Der christliche Glaube predigt eine leibliche Auferstehung der Toten. Aber wie dieser Leib aussehen soll, bleibt offen. Schon die frühen Christen diskutierten darüber. Paulus formulierte die entscheidende Frage so: "Wie werden die Toten auferweckt? Und mit was für einem Leib kommen sie?" (1. Korinther 15) Für ihn wird der auferstandene Leib anders sein als der ­irdische, genauso wie sich das Weizenkorn und der Weizen unterscheiden. Daher schreibt er: "Es gibt himmlische Leiber und irdische Leiber." Die auferstandenen Leiber werden "unvergänglich" und "verwandelt" sein. Aber wie?

Das neue Buch "Divine Bodies" der englischen Theologin Candida Moss ­untersucht antike und frühchristliche Jenseitsdarstellungen vom menschlichen Leib. Die Autorin beschäftigt sich unter anderem mit Jesu Ver­letzungen, die nach seiner Auferstehung noch sichtbar und tastbar sind (Johannes 20); mit Menschen, die nicht in die Hölle kommen, weil sie das eigene Auge ausmeißeln oder die eigene Hand abhacken (Matthäus 5), und mit jenen, die sich 
für das Himmelreich kastrieren (Mat­thäus 19). Doch wie Moss aufzeigt, ist nicht alles im Neuen Testament einheitlich und konsequent.

Gehören Narben zum ewigen Leben?

Den auferweckten Lazarus hat man offenbar erkennen können (Johannes 11). Beim auferstandenen Jesus gab es Schwierigkeiten. Wie berichtet wird, hält Maria Magdalena Jesus für einen Gärtner, und Kleopas und sein Kollege haben auf der Straße nach Emmaus eine lange Unterhaltung mit einem unkenntlichen Jesus. Doch Jesus 
besteht noch aus Fleisch und Bein ­(Lukas 24, 39) und trägt seine Wundmale (Johannes 20, 27). Aber sind sie noch offen? Nur bei Toten bleibt eine Wunde unverheilt. Doch Jesus lebt! Candida Moss folgert daraus: Wenn Jesus lebt, dann heilen seine Wunden und lassen nur noch Narben zurück. Gehören also Narben zum ewigen Leben?

Wie ist es mit den Körperteilen? Wenn eine Hand abgehackt wurde, kommt man nur mit einer Hand ins Himmelreich oder wird die fehlende Hand dann ersetzt? Obwohl Jesus Blinde sehend macht, Taube hören und Lahme gehen lässt, gibt es keinen Bericht in den Evangelien, in dem Jesus ein verlorenes Körperteil ersetzt hätte, ganz gleich, ob es bei einem Unfall, 
im Krieg oder bei einer Operation abhandengekommen ist.

Wer bin ich?

Kommen wir zum Thema Leib und Identität. Wer bin ich? Bin ich immer 
noch der, der ich einmal war? Diese 
philosophische Frage stellen sich Menschen seit der Antike. In Bezug auf die Auferstehung ergeben sich daraus weitere Unklarheiten: Wenn Sie sich freuen, Ihre Großeltern im Himmel zu sehen: Wie alt werden diese sein? Gleich alt wie Sie? Und was ist mit den verstorbenen Kindern? 
Werden sie als Kinder auferstehen?

Es gibt Körperteile, ohne die auf ­Erden fast nichts geht. Ich brauche ­meine Fingernägel, damit ich bei Juckreiz kratzen kann. Wenn es im Himmel keinen Juckreiz gibt, brauche ich dann keine Fingernägel mehr? Werde ich perfekt sehen können und meine Brille 
nicht vermissen? Dann gibt es körper­liche Entwicklungen, die 
sogar auf Erden ent­behrlich sind. Ich bin jetzt dicker als in meiner Jugend. Wie viel Fett nehme ich in den Himmel mit? Und muss ich einen Rasierer mit­bringen? Werden entfernte Blind­därme oder Mandeln wieder erscheinen? Und werden Männer, die mit Vorhaut sterben, ihre Vorhaut in der Anwesenheit eines Gottes haben, der davon nicht immer so ein Fan war?

Kann ein Blinder im Himmel sehen?

Man findet für solche Fragen wenige Anhaltspunkte im biblischen Text, wenn überhaupt. Daher die vielen Diskussionen der späteren Christen (und vermutlich auch Christinnen). In der christlichen Tradition ist ein Körper aber auf jeden Fall für Verdammte nötig, damit sie in der Hölle gefoltert werden können! Der Evangelist Mat­thäus ist überzeugt, dass die Verdammten Zähne haben zum "Zähneklappern" (Matthäus 8).

Obwohl die Bibel im 1. Buch Mose von ­Engeln berichtet, die mit Frauen schlafen, ist die gängige christliche Vorstellung ein Himmel ­ohne Sex 
(Offenbarung 14, 1–5). Das würde tatsächlich bedeuten, dass die Geschlechtsorgane überflüssig sind. Dasselbe müsste dann auch für Magen und innere Organe gelten, es sei denn, im Himmel gibt es Toiletten! Brustwarzen wären im Himmel für Frauen genauso zwecklos wie auf Erden für Männer. Aber wird das alles trotzdem beibehalten?

Das mag alles ziemlich lächerlich und albern klingen, aber es gibt auch ernste Überlegungen zur Gestalt eines auferstandenen Körpers. Wenn ein Mensch, der lebenslang im Rollstuhl gesessen hat, im Himmel gehen kann oder ein Blindgeborener sehen kann, wie in den Evangelien mehrmals berichtet wird, freut man sich für sie. Einige träumen davon, dass Kinder mit Behinderungen von ihren Einschränkungen "befreit" werden.

Wie ist das mit dem Downsyndrom?

Aber wie ist es mit einem Menschen mit Downsyndrom oder schwerem 
Autismus: Sollen sie auch "befreit" werden – und wären sie danach überhaupt noch dieselben Personen? Gehören sie nicht auch schon als die Menschen, die sie sind, ins Himmelreich? Es gibt keine 
einfachen Antworten.
Und wie sollen wir uns die irdische Vielfalt zum Beispiel der Hautfarbe und Augenlider im Himmel vorstellen? Verwandeln wir uns alle in einen uniformen Typus, während wir in weißen Gewändern hin- und herlaufen?

Es gab und gibt immer noch ­Leute, die das Leben im Jenseits nur "­spirituell" denken können. Aber Gott hat laut Matthäusevangelium die Haare meines Hauptes gezählt, und er hat im Lukas­evangelium versprochen: "Nicht ein Haar von eurem Haupt wird verloren gehen!" Ich habe also doch noch die Hoffnung, dass ich ­einen Kamm in den Himmel mitbringen muss.

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Ja, das ist in der Tat ein kaum lösbare Frage, ich kann sie nur so denken: All unser Tun und Begreifen ist irdisch gebunden, wir können nicht außerhalb unserer Welt (ja meistens nicht einmal außerhalb unserer näheren Umwelt) denken; das Denken selbst ist materiell gebunden. Irgendwo (ich habe die Stelle leider nicht gefunden) wird Jesus provokant gefragt, mit welcher von sieben(?) Frauen, die ein Mann der Tradition gemäß heiraten „musste“, er denn im Himmelreich zusammen wäre – und die Antwort weiß ich auch nicht mehr genau, sinngemäß meine ich aber hieß es, er werde das so nicht erleben. Dazu eine hübsche Parabel, die ich seit langem kenne:
Vor langer Zeit verabredeten zwei fromme Mönche, die sich viele Gedanken über das Leben und Sterben machten: Wer von uns zuerst stirbt, soll dem anderen erscheinen und vom Himmelreich berichten. Weil aber unklar war, wie viel Zeit oder Gelegenheit man dazu habe, sollte unter Umständen nur ein Wort gesagt werden: „sic!“ (so, wie wir es uns ausgemalt haben) oder „aliter!“ (anders). So kam es. Der zuerst erst Verstorbene erschien dem anderen und sprach: „totaliter aliter!“ Hinter dem belustigenden Szenario (ich würde nicht nur Zähne sondern auch viel Gold mitbringen) steckt die Wahrheit, dass wir es nicht wissen – können!
Rolf Jacob

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Die Haupthaare sehen bei der Auferstehung einer möglichen Umwandlung entgegen. Vielleicht gibt es ja auch eine Verwandlung bei den Fragewörtern? Dann könnte aus dem "Wie passiert mit dem Körper bei der Auferstehung?" des Originals ein grammatisch korrektes "Was passiert mit dem Körper bei der Auferstehung?" werden. Auferstehung hatte schon immer mit Hoffnung zu tun!

Max Zirom

Hallo Herr Zirom,

Sie haben natürlich Recht. Wir haben den Fehler korrigiert. Danke für den Hinweis!

Michael Güthlein

chrismon Redaktion

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Die Glosse hat auf- und ausgeräumt mit unserem naiven Verstehen vom Ende, vom Paradies, vom Tod. Was bleibt? Kommt jetzt eine Satire, von der niemand weiss, was sie meinen könnte? Zum Glück weiss auch ein Theologe nichts. Warum Glück? Weil in der Ungewissheit die Kraft schlummert, die uns vor der Urgewalt unserer menschlichen Schwächen und denen der noch Schwächeren bewahrt.