Die Bessermacher - Wohin reisen
Die Bessermacher - Wohin reisen
Sebastian Arlt Illustration: Studio Käfig
Wohin können wir noch reisen?
In die Alpen, an die Nordsee – mit dem Zug! Der hilft auch im Stadtverkehr ­weiter. Und von Patagonien kann man träumen, als wäre man dort. In der neuen Folge der "Bessermacher" trifft Willi Weitzel die Familien Gosmann/Schelhas sowie Bonertz/­Hertlein.
26.02.2020

Willi Weitzel: Nike, wo warst du im Urlaub?

Nike Gosmann: Wandern, in den ­Alpen.

Willi: Hast du ein Traumurlaubsland?

Nike: Ich würde gern mal eine andere Kultur erleben. Japan wäre toll!

Willi: Wie ist es, nach den Ferien zu erzählen, dass man eben nicht in ­Japan, sondern in den Alpen war?

Nike: Alle wissen, dass ich gern in den Bergen bin. Die finden das cool.

Ines Schelhas, Sven ­GosmannPrivat

Ines Schelhas, Sven ­Gosmann

Ines Schelhas, 43, und Sven ­Gosmann, 48, haben zwei ­Kinder: Nike, 14 und Eli, 9. 2018 und 2019 hat die Familie die ­Alpen überquert – zu Fuß.

Familie Bonertz/­Hertlein

Die Familie Bonertz/­Hertlein lebt zwei Stockwerke unter Ines und Sven. Tina Bonertz, 46, und Frank Hertlein, 47, sparen schon deshalb viel CO2, weil sie mit Josefine, 13, Cilli, 11, und Julius, 9, auf 72 Quadratmetern leben.
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Willi Weitzel

Willi Weitzel, Jahrgang 1972, ist Moderator, Reporter und Autor. Er wurde bekannt als Gesicht der TV-Sendung "Willi wills wissen", in der er von 2001bis 2009 einer ganzen Generation an Kindern die Welt erklärte. Viele Folgen sind heute noch auf "YouTube" zu sehen. Samstags ist er im BR Fernsehen mit der Sendung "Gut zu wissen" zu sehen. In der edition chrismon ist sein Buch "Der Islam. Fragen und Antworten für alle, die’s wissen wollen" erschienen (mit Mouhanad Khorchide).

Willi: Und findest du es cool, dass die anderen an viel coolere Orte reisen?

Nike: Das ist mir eigentlich egal.

Sven Gosmann: Viele fliegen weit weg, nach New York zum Beispiel.

Willi: Was motiviert dich – die Freude an den Bergen oder der Klimaschutz?

Nike: Beides. Wenn ich fliege, hätte ich ein schlechtes Gewissen.

Willi: Machst du den anderen Vorwürfe?

Nike: Nein, aber ich ­habe mal eine Mitschülerin gefragt, warum sie von München nach Amsterdam geflogen ist. Sie sagte, sie hätten den Flug kompensiert, ­dafür wurden Bäume gepflanzt. Oje, ich muss gleich los, zur Nachhilfe!

Willi: Wie kommst du dort hin?

Nike: Mit den Öffentlichen, ich habe einen Schülerausweis, damit kann ich umsonst fahren.

Willi: Liebe Eltern von Nike, habt ihr überhaupt noch ein Auto?

Sven: Ja, wir haben es von den Schwiegereltern übernommen, benutzen es aber nur sehr selten. Zum Beispiel, um in die Berge zu kommen.

Ines Schelhas: Wir haben die U-Bahn vor der Haustür. In der Stadt ist es oft unpraktisch, mit dem Auto unterwegs zu sein. Aber gestern habe ich mit den Öffentlichen doppelt so lange zur Arbeit gebraucht, wie ich mit dem Auto gebraucht hätte. Ärgerlich!

Frank Hertlein: Es kommt darauf an, wann du fährst. Zur Arbeit würde ich mit dem Auto länger brauchen als mit dem Rad.

Tina Bonertz: Die U-Bahn stockt schon mal . . . 

Frank: Mit der Bahn ist man strenger, Auto­fahrer wundern sich nie, wenn sie im Stau stehen.

Willi: In der Stadt ist es leichter, CO2-freundlich unterwegs zu sein . . .

Frank: Aber ich sehe viele Autos mit Münchner Kennzeichen im Stau ­stehen. Die hätten andere Möglichkeiten.

Ines: Meine Eltern, 70 Jahre, ­haben ihr Auto an uns abgegeben, die erledigen nun viel mit dem Radl. Sie wohnen in Fürstenfeldbruck. Wenn sie im Sommer mit S-Bahn und Bus zum Baden fahren, tun immer ­alle so, als hätten meine Eltern eine Weltreise zu Fuß gemacht! Aber sie fühlen sich wie befreit vom Auto.

Frank: Wir haben vieles per Carsharing gelöst. Aber die Kinder abends vom Sport abholen – das war zu unpraktisch. Daher haben wir als Übergangslösung ein Auto angeschafft.

Ines: Wenn wir in die Berge wollen, nehmen wir auch schon mal die Bahn. Es dauert länger, ist aber entspannter.

Willi: Wir standen mal, auf dem Weg zum Skifahren, auf der A8 im Stau. Neben der Autobahn spazierte ein Storch – im Januar. Da dachte ich: Ich bin Mitverursacher dieses Klima­wandels und sitze hier im Auto . . .

Tina: Das Thema kann sehr über­wältigend sein. "Extinction ­Rebellion" hatte im Sommer in München Eis­blöcke aufgestellt. Darauf standen Protes­tierende unter einem Galgen, das Eis schmolz unter den Füßen . . . Puh. Das hat den Kindern Angst gemacht, das hilft nicht weiter.

Willi: Josefine, wie geht es dir mit dem Thema, mit deinen 13 Jahren?

Josefine: "Der Klimawandel betrifft alle. Man kann nicht weg­laufen, man kann es nur besser machen"

Josefine Hertlein: Wir gucken in Erdkunde Filme über Plastik im Meer und das Artensterben. Das macht Angst. Aber ich tue auch viel, kaufe Kleidung secondhand oder gehe zu FFF-Demos.

Cilli Hertlein: Wenn ich Sendungen über das Klima im Fernsehen sehe, mache ich mir schon Gedanken.

Josefine: Vor Krieg könnte man ­fliehen. Aber der Klimawandel betrifft alle. Man kann nicht weg­laufen, man kann es nur besser machen.

Willi: Glaubt ihr an die ­Technik, die das Klimaproblem löst?

Tina: Teils. In der Mobilität sind zum Beispiel Elektro­autos kein Gewinn. Auf erneuerbare Energien kommt es an.

Sven: Ganz ohne Verzicht wird es nicht gehen.

Ines: Der kann auch Spaß machen. Bestes Beispiel: unser Urlaub.

Willi: Wo wart ihr?

Ines: Wir haben zu Fuß die Alpen gequert, in zwei Etappen, zuerst von München nach Alleghe. Und im nächs­ten Sommer von Alleghe nach Venedig, immer entlang des Traum­pfades. Die Strecken, die wir nicht gewandert sind, haben wir mit der Bahn zurückgelegt. Das war die beste Zeit, die wir als Familie je hatten.

Willi: Und das geht mit zwei ­Kindern?

Ines: Ja! Weil alle Lust drauf hatten.

Willi: Wie war das Gefühl auf dem Markusplatz?

Eli: Toll!

Sven: Der ganze Weg war das Highlight. Sogar unser Hund war mit dabei.

Willi: Wie lange wart ihr unterwegs?

Eli: Das erste Mal drei Wochen, im zweiten Jahr zwei Wochen.

Willi: Redet man uns die Sehnsucht nach Fernzielen ein?

Ines: Auf jeden Fall. Ich würde auch liebend gern mal nach Patagonien ­reisen, klar. Aber wir haben die Alpen vor der Haustür, und ich kenne nur einen Bruchteil der Berge hier. Nur weil wir es können, haben wir nicht das Recht, uns die ganze Welt anzuschauen. Man darf auch Sachen in der Fantasie lassen und davon träumen.

Frank: Es ist gut, dass man andere Kulturen kennenlernen kann. Vor allem für junge Menschen, für unsere Kinder. Aber wofür brauche ich Inlands­flüge?

Willi: Greta ist ja mit dem Schiff gefahren. Wäre das eine Alternative?

Eli: Nein, da wird mir schlecht!

Willi: Cilli, ich bin wie du, der ­Mittlere der Geschwister, meine ­ältere ­Schwester wird bald 50, da will ich hin. Problem: Sie lebt in den USA. Das würde 4,5 Tonnen CO2 verursachen. Was soll ich tun?

Cilli: Wenn du eh nur wenig fliegst, kannst du das machen. Du musst ja nicht zum fünften Mal im Jahr nach New York zum Shoppen . . . Frank: Wenn wir uns nur kasteien, wird es schwierig. Man muss Mobilität so gestalten, dass sie für alle möglich wird. Und da können wir in den ­Städten viel mehr tun – für Fußgänger, für Radfahrer, für den Nahverkehr. 

Sven: Für zwei Wochen Türkei hätten wir weniger Geld ausgegeben als für eine Passage der Alpenquerung. Fliegen ist zu billig. Das muss sich ändern.

Infobox

Willi Weitzel, TV-Moderator, Reporter und Autor, besucht für chrismon ein Jahr Menschen, die vorangehen beim Klimaschutz: die Bessermacher.

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