Die Abgeordneten im Bundestag waren sich einig: Wir möchten mehr Organspenden. Uneinig waren sie sich nur über den Weg dahin. Breit abgelehnt wurde der Vorschlag, dass jeder Mensch als Spender gesehen wird, der nicht aktiv widersprochen hat. Beschlossen wurde dagegen: Organspenden sind weiterhin nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt – aber man will die Bereitschaft zum Spenden erhöhen. Durch mehr Information (Broschüren etwa, wenn man den neuen Pass abholt) oder durch eine Beratung in der ärztlichen Praxis. Und man kann sich bald online in ein Spenderegister eintragen.
Ob das richtig viel ändern wird? Kaum.
Liegt es denn überhaupt an einer mangelnden Bereitschaft der Menschen, dass Deutschland bei den Organspenden zu den Schlusslichtern in der EU gehört? Nein.
Christine Holch
Seit Jahren sagen in Umfragen regelmäßig drei von vier Deutschen, dass sie Organspenden grundsätzlich gut fänden. Zwar füllen die meisten dann trotzdem keinen Organspendeausweis aus, aber im Ernstfall ist die Spendebereitschaft hoch: Denn bei gut zwei Drittel der Menschen mit unwiderruflichem Hirnversagen, die als mögliche Spender gemeldet wurden, stimmten die Angehörigen einer Organspende zu. Das ist ein beeindruckend hoher Wert.
Verdreifachung der Spendeorgane möglich
Woran hakt es denn dann? An etwas ganz anderem: Die Kliniken melden zu wenige der möglichen Organspender. Das hat eine Forschungsgruppe um Kevin Schulte in Kiel herausgefunden. Die Zahl der Organspenden könnte sich verdreifachen (!), wenn tatsächlich alle potenziellen Organspender in den Hirntod-Diagnoseprozess eingeschleust würden. Das würde fast allen Menschen das Leben retten, die auf der Dringlichkeits-Warteliste für ein Organ stehen.
Aber warum bloß werden diese möglichen Organspender nicht gemeldet? Weil es ethische Binnenkonflikte im Krankenhaus gibt, sagt Claudia Wiesemann, Medizinethikerin an der Uni Göttingen. Manche Mitarbeitende der Intensivmedizin kommen nicht damit klar und konnten darüber aber auch nie offen sprechen, dass sie zunächst unter vollem Einsatz um das Leben ihrer Patientin, ihres Patienten kämpfen und dann, wenn ein Hirntod vermutlich eingetreten ist, umschalten müssen auf "organprotektive Maßnahmen", um Organe wie Leber oder Herz am Laufen zu halten - für einen anderen Patienten. Womöglich haben Einzelne auch Zweifel an der Gleichsetzung von Hirntod und Tod. Für diese MitarbeiterInnen, sagt die Ethikprofessorin, muss es Lösungen geben, sich unter Wahrung ihrer moralischen Integrität am Organspendeverfahren zu beteiligen.
Wahrscheinlich haben manche Krankenhausbeschäftigte ganz ähnliche Fragen wie manch andere in der Allgemeinbevölkerung, die sich bislang weder für noch gegen eine Organspende entscheiden mochten. Es gibt nämlich einige Fragen, die bislang nicht offen oder nicht oft genug oder nicht glaubwürdig genug beantwortet werden.
Zu Hause sterben trotz Organspendeausweis? Ja, geht!
Eine Beispielfrage ist sicher diese: "Kann ich dann nicht mehr zu Hause sterben, wenn ich einen Organspendeausweis unterschrieben habe?" Doch, natürlich! Denn wann stirbt man üblicherweise zu Hause? Wenn man eine schon länger dauernde Krankheit hat, für die es keine Besserung mehr gibt. Krebs zum Beispiel. Als Krebserkrankte kommt man gar nicht in die Situation, Organspenderin werden zu können. Weil nicht zuerst das Gehirn ausfällt, sondern das Herz.
Nur 0,5 Prozent der Verstorbenen haben vor dem Herzstillstand einen Hirntod erlitten. Ein Hirntod ist also etwas extrem Seltenes. Das passiert nur bei einem plötzlichen Ereignis wie einem Unfall, bei dem das Gehirn schwer geschädigt wird. Dann liegt man auf der Intensivstation, wird beatmet – und schließlich stirbt das Hirn ab, etwa wegen einer starken Blutung. Nur dann könnte man zum Organspender werden und mit im Schnitt drei Organen anderen Menschen ein Weiterleben ermöglichen.
Solche Informationen – natürlich ausführlicher – wünscht man sich. Vielleicht schafft das neue Gesetz die Grundlage dafür. Wäre schön. Denn es ist viel wahrscheinlicher, dass man plötzlich selbst ein Organ braucht, etwa wegen einer katastrophalen Herzentzündung, als dass man Organspender sein kann.
Der Nächste als Strohhalm
Für die mangelnde Bereitschaft gibt es viele Gründe.
1. Gleichgültigkeit.
2. Befürchtung, dass zu früh entnommen wird.
3. Furcht, dass es weh tun könnte.
4. Angst vor der körperlichen Endgültigkeit.
6. Gefühl als Toter amputiert zu sein.
4. Ungewissheit, dass man nicht "heil" ins Jenseits kommen könnte.
Aber all diese emotionellen "Beschädigungen" sind null und nichtig wenn es um das eigene Leben geht. Dann hätte man gerne. Dann muß es doch noch den Nächsten als Strohhalm geben. Leider steht der gerechten Lösung die ärztliche Ethik und das christliche Wertebild entgegen. Denn wenn nur der ein Recht auf ein fremdes Organ hätte, der seit mindestens 10 Jahren selbst zur Spende bereit ist, gäbe es das Problem nicht.
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Kostenübernahme
Ich weiß nicht, ob es rechtlich möglich ist. Man könnte auch ein Geschäft wittern. Aber wäre es nicht möglich, bei den Unsummen, die eine Organtransplantation im Krankenhaus kostet, dass für die Hinterbliebenen nicht dann wenigstens die Kosten für die Bestattung des Spenders übernommen werden?
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