Provokationen zu starten, das macht er am liebsten, der Gesundheitsminister Jens Spahn. In seiner kurzen Amtszeit hat er das schon wiederholt gezeigt. Eng vernetzt mit der Gesundheitsindustrie, geübt im Lobbyismus, weiß er: Nur wer 300 Prozent fordert, erhält 70 Prozent von dem, was er will. Jens Spahn will mehr Organe von Organspendern, doch offensichtlich scheuen manche Kliniken Kosten und Aufwand der Transplantation. Es wären mehr Spenderorgane verfügbar, wenn die Kliniken die gebotenen Möglichkeiten ausschöpfen würden. Doch Spahn dreht jetzt auch an einem anderen Rad. Er will die Zahl der Spender erhöhen. Sein Vorschlag: Wer einer Organentnahme nicht ausdrücklich widerspricht, kommt automatisch auf die Spenderliste.
Eduard Kopp
Das allerdings widerspricht fundamental unserem Rechtsverständnis. Denn nicht dem Staat gehören die Sterbenden, sie gehören allenfalls sich selbst. Ja, ein durch Maschinen "frisch" gehaltener Mensch ist ein Sterbender, kein Toter. Spahn bricht mit einem Tabu: dem der unantastbaren Menschenwürde. Einen fehlenden Widerspruch als Zustimmung umzudeuten, ist eine halsbrecherische Logik. Demzufolge wäre auch eine Körperverletzung (einschließlich Missbrauch) bei fehlendem Widerspruch zulässig, ebenso wie die Wegnahme von Eigentum oder eine Gesundheitsgefährdung durch Lebensmittel. Und jeder müsste ständig Zettel mit sich führen: "Ich will keine Organentnahme, keine Körperverletzung, keinen Diebstahl, keine Gesundheitsgefährdung." Ein merkwürdiges Rechtsverständnis zeigt Jens Spahn: Der menschliche Körper als Allmende. Das kann nicht sein Ernst sein.