Die Kirche möchte helfen, die Spaltungen in der Gesellschaft zu überwinden - und ist doch Teil dieser gespaltenen Gesellschaft. Gerade in der sächsischen Landeskirche ist das momentan deutlich zu spüren. Und ausgerechnet hier, in Dresden, tagt seit Sonntag die EKD-Synode, das oberste Kirchenparlament. Im Mittelpunkt der diesjährigen Beratungen steht die Friedensethik. Damit rückt auch der Unfriede in den eigenen Reihen in den Blick.
Claudia Keller
Vor einem Monat hat der sächsische Landesbischof Carsten Rentzing sein Bischofsamt zur Verfügung gestellt, nachdem bekannt geworden war, dass er als Student Texte für die rechtskonservative Zeitschrift "Fragmente" verfasst hatte. Das Landeskirchenamt stufte die Essays als "elitär, in Teilen nationalistisch und demokratiefeindlich" ein. Der Vorgang ist ziemlich einzigartig in der Geschichte der EKD.
Rentzing schweigt bislang dazu. Aber mittlerweile kämpfen sächsische Gemeindemitglieder mit Mahnwachen und Unterschriftensammlungen für seine Rückkehr ins Bischofsamt. Die Internetplattform "Citizen Go" zeigt derzeit knapp 22 000 Unterschriften für dieses Anliegen an. Für diese Menschen sind Rentzings frühe Texte nichts weiter als legitime "Demokratiekritik". "Lasst uns das Verbindende suchen", bat der sächsische Oberlandeskirchenrat Thilo Daniel am Sonntagvormittag die 120 Synodalen in der Dresdner Kreuzkirche. "Der Frieden braucht wohl dauerhaften Einsatz, aber mehr noch eine Haltung, die von Hass nichts hält".
Online-Spendenkampagne #WirschickeneinSchiff startet am 3.12.
Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm dankte in seinem Rechenschaftsbericht vor dem Kirchenparlament den "sächsischen Geschwistern für ihren besonnenen Umgang mit dieser Situation und versicherte ihnen seine Solidarität bei ihrem Bemühen, die Gräben zu überwinden." Ob das nicht ein bisschen wenig sei?, wollte eine Journalistin später von ihm wissen. Warum die EKD die Situation nicht nutze, um grundsätzlich zu klären, wo ihre Grenzen nach rechts sind? Die Aufklärung der Causa Rentzing sei zunächst einmal Sache der sächsischen Landeskirche, entgegnete Bedford-Strohm, und die Grenze nach rechts sei da, wo gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit beginne. Doch wo genau ist das? Ja, darüber müsse man diskutieren, sagte Bedford-Strohm. Wie weit rechtes Gedankengut in den eigenen Gemeinden verbreitet ist, will die EKD wissenschaftlich erforschen lassen und hat dazu nun eine Studie in Auftrag gegeben.
In seinem Rechenschaftsbericht ging der Ratsvorsitzende auch auf die zivile Seenotrettung ein. Noch im November soll sich unter der Führung der EKD das gesellschaftliche Bündnis "United 4 Rescue" gründen. Am 3. Dezember soll dann unter dem Hashtag #WirschickeneinSchiff eine Online-Spendenkampagne starten. Mit den Spenden soll ein Schiff für die Organisation "Seawatch" gekauft werden. Bei der Aussprache zum Ratsbericht zeigte sich, wie sehr die Meinungen darüber auseinandergehen. Den einen ist das Spendensammeln für das Schiff zu wenig, den anderen ist das schon viel zu viel an politischem Engagement.
Warten auf den Kairos
Rechtspopulismus, Flüchtlinge, innerkirchliche Reformen, Aufarbeitung sexueller Gewalt: die Kirche steht vor großen Aufgaben. Deshalb machte Bischof Bedford-Strohm seiner Kirche Mut. "Manchmal kann aus etwas Kleinem etwas ganz Großes entstehen", sagte er und erinnerte an das biblische Gleichnis vom kleinen Senfkorn, aus dem ein Baum wachse. "Fromm und fröhlich" sollten die evangelischen Christen die nötigen innerkirchlichen Veränderungen anstoßen - und hier verwies er ausdrücklich auf Kirchengemeinden in Sachsen und in Laucha an der Unstrut. Hier gelinge es der Kirche, in die Gesellschaft auszustrahlen, "weil sie als Institution wahrgenommen wird, "die sich nicht nur um sich selbst dreht, sondern für das Gemeinwesen engagiert".
Wenn der Erfolg sich nicht gleich einstelle, solle man sich nicht entmutigen lassen. Man müsse als Kirche eben auch "Warten lernen" - warten auf jenen Kairos, auf jene Momente, in denen "die Arbeit und Mühe plötzlich Fürchte trägt, in denen sich etwas Neues entwickelt, das nicht einfach aus dem Alten abgeleitet werden kann." Das ist Balsam für die Seele der Synodalen.
Religion und Frieden
Schalom, Salam, Friede sei mit euch – in vielen Sprachen der Welt begrüßt man sich so. In der Religion steckt enormes Potenzial für den Frieden.