- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Eddington, New Mexico, 2345 Einwohner, Frühling 2020: Corona ist angekommen, selbst wenn man das zunächst schwer mit dieser Westernszenerie zusammenbringt. Doch es zeitigt die gleichen Verwerfungen wie anderswo auf dem Globus. Ari Aster zeigt uns in "Eddington" das titelgebende Wüstenkaff als Brennglas, in dem die gesellschaftlichen Konflikte der USA besonders scharf hervortreten. Und sein Drehbuch setzt in zweieinhalb Stunden Laufzeit alle Hebel in Bewegung, um das Chaos auf die Spitze zu treiben.
Die Protagonisten sind gleichwohl durchaus differenziert gezeichnet: Auf der einen Seite ist da der konservative, zunächst um Ausgleich und Vernunft bemühte Sheriff Joe Cross, gespielt von Joaquin Phoenix. Er ist ein Gegner des strengen Maskenzwangs, aber kein Anhänger kruder Verschwörungserzählungen. Seine labile Frau Louise (Emma Stone) ist dafür deutlich anfälliger, doch nicht so hoffnungslos wie ihre vom Deep State schwadronierende Mutter Dawn (Deirdre O'Connell).
Auf der anderen Seite: der progressive Bürgermeister Ted Garcia (Pedro Pascal), der Lockdown und Maskenzwang eisern durchsetzt und eine Agenda wirtschaftlicher Prosperität für Eddington verfolgt. So will er unbedingt das Großprojekt eines Rechenzentrums am Ortsrand durchsetzen, wenn er bei den kommenden Wahlen wiedergewählt wird. Nun führt aber ein eskalierender Streit zwischen dem Sheriff und dem Bürgermeister zur spontanen Gegenkandidatur von Joe. Unterfüttert ist der Streit von lange schon schwelenden Animositäten wegen einer früheren Liebschaft Teds mit Joes Frau Louise. Der wiederum passt Joes Kandidatur überhaupt nicht.
Von da an steht alles im Zeichen des eskalierenden Wahlkampfs, der die Gräben in der kleinen Gemeinde vertieft. Dann schwappen die Black-Lives-Matter-Proteste infolge des Todes von George Floyd nach Eddington, zudem tritt ein zwielichtiger QAnon-Guru namens Vernon Jefferson Peak (Austin Butler) auf den Plan und übt einen höchst unguten Einfluss auf Louise aus. Und schließlich mehren sich die Anzeichen für terroristische Umtriebe im Ort. Ist es die böse Antifa?
Es ist schon ziemlich virtuos, wie Ari Aster mit zunehmender Verschärfung der Konflikte bis hin zu Mord, Totschlag und großkalibriger Selbstverteidigung quasi alle Fronten in diesem Wüstenkaff eröffnet, die sich auch durch die US-Gesellschaft ziehen. Dabei lässt Aster sie sich so überlagern und bisweilen durchkreuzen, bis kaum einer von all diesen rechtschaffenen Bürgern – von den Stars mit großer Spielfreude verkörpert – noch weiß, wofür oder wogegen er steht. Beiläufig beleuchtet Aster auch die Rolle, die Internet und Social Media bei der Verschärfung der Konflikte spielen, und er zeigt, wie tief eingeschrieben Rassismus und Diskriminierung sind. "Eddington" spielt außerdem lustvoll mit den Archetypen der amerikanischen Kleinstadt und mit den Mythen der Frontier und des Westerns.
Doch trotz all der Virtuosität und des Scharfsinns, den der Film beweist, läuft seine Ambition letztlich ein wenig ins Leere. Das Szenario mit dem Kaff Eddington und etwas Wüste drumherum, das Ari Aster uns hier als Mikrokosmos der USA vorführt, wirkt allzu steril. Auch der Zynismus ist bisweilen zu abgeschmackt, um Reflexion oder Erkenntnis zu provozieren, gerade im schwächsten Handlungsstrang, wenn die Black-Lives-Matter-bewegten Jugendlichen zu grob gezeichneten Karikaturen werden. So ergeht sich diese durchweg spannende, doch letztlich unbefriedigende Mischung aus schwarzer Komödie und politischem Horrorfilm am Ende in einem etwas seelenlosen Spektakel mit weniger Humor, als anfangs zu vermuten war.
USA/Finnland 2025. Regie und Buch: Ari Aster. Mit: Joaquin Phoenix, Pedro Pascal, Emma Stone, Luke Grimes, Austin Butler, Deirdre O'Connell, Cameron Mann, Michael Ward. Länge: 148 Min. FSK: 16.
Weitere aktuelle Filmkritiken, Trailer und TV-Tipps finden Sie auf epd-film.de.



