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Eine bedrohliche Frühlingsnacht in Norwegen
Was es in den nordischen Literaturen für Entdeckungen zu machen gibt! Den einst für den Nobelpreis gehandelten Norweger Tarjei Vesaas (1897 – 1970) zum Beispiel, dessen beunruhigende, magische Prosa man nun auf Deutsch (wieder) lesen kann. "Frühlingsnacht", 1954 zuerst erschienen, erzählt von Geschwistern, dem vierzehnjährigen Hallstein und seiner vier Jahre älteren Schwester Sissel, die ein Wochenende allein zu Hause verbringen. Vor ihrer Haustür bleibt ein Auto stehen, dessen merkwürdige Insassen, darunter eine Hochschwangere, Unterschlupf erbitten – und binnen weniger Stunden alles auf den Kopf stellen. Ein bedrohliches Kammerspiel, eine faszinierende Erzählung von Geburt und Tod, die mitunter so nah beisammenliegen.
Isländische Grenzgängerinnen
Die Isländerin Ásta Sigurðardóttir (1930 – 1971) erzählt von nicht minder düsteren Dingen. Als junges Mädchen nach Reykjavík gekommen, sorgte sie als grell geschminkte Bohemienne sofort für Furore und schrieb Texte, wie man sie bislang nicht kannte. Die Erzählungen in "Streichhölzer" handeln von unkonventionellen Frauen, die von Männern als Freiwild angesehen werden, von der brutalen Einsamkeit des bäuerlichen Lebens, von einem Fräulein, das Trost allein von einer im Käfig eingesperrten Rotdrossel erwartet, und von der zerstörenden Macht des Alkohols – der auch die sechsfache Mutter Ásta Sigurðardóttir in den frühen Tod trieb.
Tarjei Vesaas: Frühlingsnacht. Übers.: Hinrich Schmidt- Henkel. Guggolz. 240 Seiten, 25 €.
Ásta Sigurðardóttir: Streichhölzer. Übers.: Tina Flecken. Guggolz. 221 Seiten, 24 €.