Es ist Freitagabend, und ich habe gleich ein Date. Mit einem Mann aus dem Schwarzwald, der laut Profil seiner Dating-App gern Musik macht, knutscht und Tiere streichelt. Sympathisch und süß, dachte ich, als der 33-Jährige auf meinem Handybildschirm erschien. Aber jetzt liege ich auf meinem Bett, starre an die Decke und denke nur noch: Ich kann nicht mehr!
Mir ist in den vergangenen Jahren zunehmend die Lust auf Männer vergangen. Doch nach jeder enttäuschten Hoffnung auf eine gesunde Beziehung raffte ich mich wieder auf, meldete mich auf Dating-Apps an, hielt bei Partys Ausschau, verabredete mich für Kennenlern-Spaziergänge und Kennenlern-Limos, ließ mich auf Beziehungen ein.
Jetzt aber ist es anders. Nicht, weil mein Wunsch nach einer funktionierenden Partnerschaft verpufft wäre. Sondern weil ich Bilanz gezogen habe. Und die fällt nicht gut aus. Während ich die vergangenen Jahre bei Männern auf der Suche nach Liebe war, fühlte ich die meiste Zeit vor allem eines: Verunsicherung. Weil sie mir tagelang nicht auf Whatsapp antworteten, sich andere Frauen warmhielten oder widersprüchliche Aussagen über ihre Gefühle machten.
Während ich auf der Suche nach jemandem war, bei dem ich mich fallen lassen kann, fand ich vor allem eines: Stress. Weil ich alle zehn Sekunden mit der Hoffnung auf eine Antwort auf mein Handy starrte, weil ich durch die emotionale Arbeit, die ich in meinen Beziehungen leisten musste, so erschöpft war, dass ich meine eigentliche Arbeit nicht mehr erledigt bekam. Und weil ich mir das Hirn zermarterte, warum die Männer, die ich kennenlerne, sich nicht binden wollen, oder – wenn doch – mich trotzdem wie den letzten Menschen behandeln.
"Bin heute Abend raus", schreibe ich dem Schwarzwälder, "liege mit Bauchschmerzen flach. Sorry!" Doch insgeheim spüre ich, dass ich nicht nur heute Abend raus bin. Sondern auch morgen und übermorgen. Die nächste Woche und den nächsten Monat. Vielleicht sogar für immer.
Laura Catoni
Ähnlich wie die Frauen der 4B-Bewegung in Südkorea. Die vier Bs stehen auf Koreanisch für das, was ihre Anhängerinnen ablehnen: Dates mit Männern, Sex mit Männern, Ehe, Mutterschaft. Die Bewegung ist Ende der 2010er Jahre im Kontext eines Femizids entstanden. Gewalt gegen Frauen ist in dem Land weit verbreitet, und Feministinnen riefen dazu auf, sich Männern gänzlich zu verweigern – mit Körper und Seele.
Je mehr feministische Bücher ich die vergangenen Jahre las, je mehr ich mir der Kosten heterosexueller Partnerschaften für Frauen bewusst wurde, vom mental load über das Risiko psychischer und körperlicher Gewalt bis zur Altersarmut – desto öfter habe auch ich mich gefragt, ob ich ohne Mann an meiner Seite langfristig vielleicht ein entspannteres und gesünderes Leben führen würde.
Könnte das Leben ohne Männer entspannter sein?
Doch wie gut klappt das in einer Gesellschaft, die bis heute am Ideal der großen Liebe festhält, ganz im Sinne des Kugelmenschen-Mythos Platons, laut dem wir als halbierte Wesen durch die Welt irren und erst Ruhe finden, wenn wir unsere bessere Hälfte gefunden haben? In einer Gesellschaft, die die Hochzeit als schönsten Tag im Leben feiert und in der die meisten Bücher, Filme und Lieder die exklusive, heterosexuelle Paarbeziehung immer noch als Lebensziel darstellen?
Ich bin ein Mensch, der gut für sich sein kann. Ich arbeite allein, setze mich allein ins Kino, fahre allein in den Urlaub. Trotzdem gibt es Momente, in denen mich als Single die Einsamkeit packt, ein Gefühl, das gemeinhin als die wahrgenommene Diskrepanz zwischen den gewünschten und den tatsächlichen sozialen Beziehungen definiert wird.
Ein Gefühl, das mich zum Beispiel am Samstagabend einholt. Während ich an allen anderen Tagen mein Alleinsein genießen kann, fühle ich mich an diesem ohne Verabredung verloren. Freitagabend darf ich erledigt sein von der Arbeit, Sonntagabend mich der Selbstfürsorge widmen. Aber am Samstagabend? Das sind doch die Stunden für Partys, Konzerte, Kino. Dinge, für die ich mir meine Gesellschaft als Single aktiv suchen muss, während Menschen in Beziehungen meist die Garantie haben, dass ihr Partner am Start ist.
Ähnlich geht es mir an Weihnachten, wenn Freunde ihre Schwiegereltern besuchen und mein Bruder, meine Cousins und Cousinen ihre Liebsten zum Familientreffen mitbringen. In solchen Momenten ist es, als täte sich neben mir eine Leerstelle auf, als wäre ich allein plötzlich nicht mehr genug. Genauso wie an Silvester, wenn die Partygäste wie selbstverständlich ihre Liebsten küssen, bevor sie ihre Freunde umarmen. Oder wenn jemand aus dem Freundeskreis eine Party schmeißt und allen klar ist, dass man seinen Partner mitbringt, aber nicht seine beste Freundin.
Besonders leicht hat es die Einsamkeit, wenn ich an meine Zukunft denke, an mein 40- oder 50-jähriges, an mein pflegebedürftiges Ich. Wie sieht mein Leben dann aus – ohne den Einen, von dem alle sicher zu sein scheinen, dass man ihn irgendwann gefunden hat? Mit wem verbringe ich dann meinen Alltag? Wer kümmert sich um mich, wenn ich, wie ich es aktuell plane, keine Kinder habe? Was, wenn ich vereinsame, während sich alle Freunde in ihr Beziehungs- und Familienleben zurückziehen, kurzum: ich übrig bleibe und es niemand bemerkt?
Sorgen, die auch Sarah Diehl kennt. In ihrem Buch "Die Freiheit, allein zu sein. Eine Ermutigung" lotet die Autorin die Chancen des Alleinseins vor allem für Frauen aus und skizziert Formen des Zusammenlebens abseits der klassischen Kleinfamilie. "Die Angst davor, ohne festen Partner, ohne eigene Familie zu vereinsamen, ist zentral für viele Frauen", erklärt die Kulturwissenschaftlerin. "Das liegt daran, dass Frauen in patriarchalen Gesellschaften sozial und finanziell systematisch vom Mann abhängig gemacht wurden. Obwohl sich das langsam ändert, wird uns bis heute vermittelt, dass unsere Anerkennung von einem Partner an unserer Seite abhängt."
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Zwar gilt die Paarbeziehung und ihre Erweiterung in der Kleinfamilie bis heute als Garant gegen Einsamkeit. Dabei birgt gerade dieses Lebensmodell ein hohes Einsamkeitsrisiko. "Weil diese Vorstellung dazu geführt hat, dass wir uns gar nicht mehr in größeren Gemeinschaften sehen, nicht mehr an die Fürsorge in Freundschaften denken", sagt Sarah Diehl. Stattdessen werden solche Beziehungsformen abgewertet.
Mit Freundschaft gegen die Einsamkeit
Auch ich bin mit dem Skript von der romantischen Liebe, die über allem thront, aufgewachsen. Umso mehr versuche ich es inzwischen umzuschreiben. Schon in meiner letzten Beziehung achtete ich darauf, meine Freundinnen weiter jede Woche zu treffen, anstatt im Honeymoon abzutauchen. Bekomme ich heute eine Einladung zu einer Party, bringe ich eine Freundin als Begleitung mit. Das Gleiche gilt für den Besuch bei meiner Familie. Denke ich an meine Zukunft, male ich mir ein Leben aus, in dem meine Freundinnen im Zentrum stehen, in der wir eine Seniorinnen-WG gründen, uns umeinander kümmern, wenn wir gebrechlich werden.
Seitdem ich das alles tue, merke ich immer wieder: Es ist nicht die Diskrepanz zwischen meinen tatsächlichen und meinen gewünschten Beziehungen, die die Einsamkeit auslöst. Sondern der Vergleich meines Lebens mit dem, was bis heute als normal gilt und vor allem von Frauen erwartet wird: nämlich in einer festen Partnerschaft zu sein.
Je bewusster mir diese Erwartung wird, desto leichter kann ich mich von ihr lösen. Je mehr Energie ich in meine Freundschaften stecke, anstatt nach einem Partner zu suchen, desto mehr Liebe erfahre ich in diesen Beziehungen. So schließt sich langsam die Leerstelle neben mir, die sich an den Samstagabenden ohne Verabredung, an Weihnachten und an Silvester auftut. Umso weniger Raum hat die Einsamkeit.
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Sarah Diehl findet es in gewisser Weise beruhigend, dass Frauen in der 4B-Bewegung und auf Social Media den Männern abschwören und ihre Freundschaften hochhalten: "Das zeigt, dass Frauen es nicht mehr einsehen, allein an der Gleichberechtigung in heterosexuellen Beziehungen zu arbeiten, die sie immer noch in patriarchale Muster drängt", sagt sie. Die 47-Jährige ist keine Gegnerin der romantischen Liebe, sie ist selbst mit einem Mann zusammen. Trotzdem sieht sie für Frauen großes Potenzial im Singledasein: Die Idee loszulassen, die eigenen Gefühle von Vollkommenheit und Verbundenheit hingen von der Existenz eines Partners ab, könne eine große Erleichterung fürs Herz sein.
Auf Küsse, Zärtlichkeit, Sex, die meine Freundschaften mir nicht geben können, muss ich deswegen ja nicht verzichten. Bis vor kurzem hätte ich das – wie manche Anhängerin der 4B-Bewegung – noch als Kapitulation vor dem Patriarchat, als Zeichen der Schwäche gedeutet, inzwischen würde ich es als reine Selbstfürsorge bezeichnen. Auch wenn eine Frau, die selbstbestimmt Single ist und trotzdem Sex hat, in den Köpfen vieler immer noch für Irritationen sorgt.
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Allerdings auch nicht mehr als eine Frau ohne Mann und ohne Sex. Zwar hat der Feminismus der vergangenen Jahre dazu geführt, dass alte Rollenbilder zunehmend hinterfragt werden. Trotzdem gilt ein Solomann für viele weiterhin als Abenteurer, als ewiger Junggeselle, während der ledigen Frau immer noch das Stigma der bedürftigen, alten Jungfer droht, die nach ihrem Tod von ihren Katzen aufgefressen wird. Das Bild der nicht gewollten Frau ist bis heute unglaublich wirkmächtig.
Hat Publizistin Sarah Diehl einen Tipp für Einsteigerinnen ins Alleinsein? "Ich empfehle den Museumsbesuch, weil man da in der Masse untergehen und erfahren kann, wie toll es ist, wenn die eigene Aufmerksamkeit von niemandem gestört wird", sagt sie: "Als würde einem für einen Moment die ganze Welt gehören."
Mein eigener ultimativer Joker für unverplante Samstagabende ist der Kinobesuch. Denn sind wir mal ehrlich: Wenn es einen Ort gibt, an dem man nun wirklich keine Begleitung braucht, dann das Kino, wo man sowieso nicht reden kann. Wenn ich es mir mit meiner Tüte Popcorn auf meinem reservierten Platz gemütlich gemacht habe, wird der Kinosaal für mich zu einem großen Wohnzimmer. Hier bin ich aufgehoben und fühle, dem Handy-Flugmodus sei Dank, eine beruhigende Distanz zum Rest der Welt – und damit auch zum Vergleich mit anderen.
Sogar am Valentinstag schaute ich mir allein einen Film an. Als ich den Kinosaal betrat, war nur eine einzige Frau in den Reihen zu sehen. "Ach, schade", sagte sie scherzhaft, "ich dachte, ich habe das Kino heute für mich allein."