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Während ich diese Zeilen schreibe, kommt mein Sohn zu mir ins Zimmer gehüpft – die Freuden des Home -Office in den Kita-Ferien. Kurz zuvor hatte er sich einen Kugelschreiber vom Schreibtisch geschnappt und auf meine Bitten, nur in sein Malheft zu malen, mit einem andächtig-braven "Ja, Papa." geantwortet. Während er mit ernster Miene vor mir steht, sagt er: "Papa, hab an Popo gemacht." Er dreht sich herum und – was soll ich sagen – auf seinem unteren Rücken sieht man ein formvollendetes Labyrinth aus geschwungenen Kugelschreiberstrichen. Erinnerte mich an ein veritables Arschgesicht ... Nicht unbegabt, das Kind.
Während ich noch überlege, mit welcher Seife man Kugelschreiber am besten abwaschen kann, sagt er: "Ich muss auch ein Eiffelturm bauen". Diese architektonischen Ambitionen sind eine Erinnerung an unseren Frankreich-Urlaub einige Wochen zuvor. Leider muss der Bauklötzchen-Eiffelturm ausgerechnet auf meinem Schreibtisch entstehen und stürzt dann auf meine Tastatur.....wfaoöiw rj0239rjvm a0fw +ß woeifj20
Naja, Sie wissen schon.
Mein Sohn durchläuft gerade eine ausgeprägte Autonomie-Phase. Er macht, was er will – im guten wie im schlechten Sinne. Vielleicht ist es für ihn die schönste Erfahrung von Freiheit, weil er körperlich zu einigem in der Lage ist, aber ihm innerlich keine Grenzen gesetzt sind. Aus seiner Perspektive darf er alles, was er kann.
Die Grenze – die bin unter anderem auch ich. Wenn ich zum Beispiel morgens um 7:45 Uhr erkläre, dass wir jetzt keine Pizza bestellen, ist die Reaktion ein enttäuschtes Wutgeheul. Oder wenn ich alter Spaßverderber nach 20 Minuten den Wasserhahn abdrehe, weil das halbe Bad geflutet ist. Oder wenn ich ihm verbiete, Olivenöl über die Bananen zu gießen. Ich vermute, ich bin in seinen Augen zu einem wandelnden Stopp-Schild mutiert.
Während er lernt, mit solchen herben Enttäuschungen umzugehen, lerne ich, verschiedene Arten von Gesprächspsychologie anzuwenden. Drohen hilft zum Beispiel gar nichts. Bitten auch nicht. Wenn ich sage: "Kannst du bitte keinen Saft auf den Teppich schütten?", entgegnet er: "Bitte doch!" Etwas weiter komme ich mit Verhandlungen.
Vor ein paar Tagen hat er zum Beispiel alle seine Schuhe über die Wohnung verteilt. Ich bat ihn, sie wieder aufzuräumen. Aber warum sollte er das tun? Dass Papa sauer war, hat ihn nur mäßig bewegt. Interessanter fand er das Ganze, als ich Verhandlungsmasse ins Spiel brachte: Du willst einen Fruchtriegel? Dann räum bitte die Schuhe auf. Er überlegte kurz, aber das war ihm nicht genug. Am Ende standen nach 30-minütigen Diskussionen ein Fruchtriegel, eine Gurke, ein Schnuller vor dem Schlafengehen, einmal Höhle bauen, zweimal "Der Grüffelo" vorlesen und ohne Windel durch die Wohnung flitzen auf seiner Haben-Seite. Mir blieb der schwache Triumph, dass das Kind am Ende die Schuhe wieder ins Regal geschmissen hat. Ich muss definitiv an meinem Verhandlungsgeschick arbeiten.
Ein Freund erzählte mir kürzlich, dass sein sechsjähriger Sohn von einem eher mäßigen Unterhändler zu einem absoluten Spitzen-Diplomaten aufgestiegen ist. Wenn er früher Fernsehen gucken wollte und seine Eltern es nicht erlaubt haben, drohte er ihnen: "Wenn ich jetzt nicht Fernsehen schauen darf, dann schau ich nie wieder!" Das hat Mama und Papa natürlich nur wenig beeindruckt. Mittlerweile laufen die Verhandlungen eher so: Wenn ihm 10 Minuten erlaubt werden, fordert er 80. Am Ende darf er 40 Minuten gucken. Kein schlechter Deal! Vielleicht sollte ich bei ihm in die Lehre gehen.