Der Flug nach Damaskus ist ausgebucht. Die meisten Passagiere waren, wie ich, seit vielen Jahren nicht mehr dort. Als das Flugzeug auf dem Rollfeld landet, rast mein Herz vor Freude; zugleich bin ich wie gelähmt. Widersprüchliche Gedanken schießen mir durch den Kopf. Angst überwältigt mich, und alles in mir sträubt sich, das Flugzeug zu verlassen. Ich bin plötzlich sicher, dass draußen Assads Geheimdienst auf mich wartet! Alle Passagiere sind längst ausgestiegen, nur ich sitze noch im Flugzeug. Die Flugbegleiterin schaut mich an, mitleidig fast, und sagt dann scherzhaft: "Unser Flugzeug ist schön, aber Damaskus ist noch schöner." Das löst meine Schockstarre. Ich nehme mein Handgepäck und steige aus dem Flieger.
2010 verließ ich meine Geburtsstadt Damaskus, ohne zu ahnen, dass ich 15 Jahre fort sein würde. Erst der Sturz des Diktators Baschar al-Assad am 8. Dezember 2024 macht es wieder möglich, dass ich zurückkehre. So wie ich machen sich in diesen Wochen und Monaten Millionen anderer Syrer auf den Weg: Wir wollen unsere überlebenden Familienangehörigen und Freunde sehen und wissen, was aus Syrien geworden ist. Natürlich schwingt bei vielen von uns auch die Frage mit, ob wir zurückkehren können und in Zukunft wieder in Syrien leben wollen.
Vom ersten Moment an am Flughafen von Damaskus spüre ich den gewaltigen Unterschied zwischen dem, was war, woran ich mich erinnere, und dem, was heute ist. Während Baschar al-Assads Herrschaft glich der syrische Flughafen einer Fotogalerie der Familie Assad, Vater und Söhne. Das große Porträt von Hafiz al-Assad an der Wand im Ankunftsbereich wurde entfernt. Heute hängt dort die neue Nationalflagge.
Das Flughafenpersonal ist viel netter, als ich es in Erinnerung hatte. Der Beamte, der meinen Pass kontrolliert, schaut mich an: "Gott sei Dank, Sie sind in Sicherheit", sagt er und ergänzt: "Was für ein Lichtblick, dass Sie wieder zurück sind!" So etwas sagten die syrischen Staatsbediensteten früher nur, um ein Trinkgeld zu bekommen! Ruhig und freundlich spricht dieser Grenzbeamte, ganz ohne die einschüchternde Arroganz, an die ich mich erinnere. Er stempelt meinen Pass ab, lächelt und sagt: "Willkommen!"
In der Halle stehen mein Bruder und seine Kinder und warten auf mich. Das Aussehen meines Bruders hat sich dramatisch verändert. Sehe auch ich so viel anders aus als damals? So gezeichnet von den Jahren? Wir versichern einander, dass wir noch so sind wie damals, als wir uns zuletzt gesehen haben, und umarmen uns dann lachend. Aus vollem Herzen. Seinen Töchtern zumindest haben die Jahre gutgetan: Sie sind zu wunderschönen jungen Frauen herangewachsen und da ist auch meine Schwester Aida. Sie ist eigens aus Jordanien angereist, um bei mir zu sein, wenn ich nach Damaskus heimkehre.
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