Lena H. (Jahrgang 2000):
Im Fahrerhaus eines Lkws zu sitzen, ist ein tolles Gefühl. Hoch oben, über allen anderen, unter sich eine gewaltige Power. Auf der Straße ist das Fahren entspannt. Da ist genug Platz. Aber wenn es in die engen Feldwege zu den Rüben geht, muss man sich konzentrieren. Bei nassem Wetter passiert es schon mal, dass die Reifen durchdrehen. Da erlaubt man sich besser keinen Fehler.
Unser Job ist es, die am Feldrand gelagerten Zuckerrüben abzuholen und zu den Zuckerfabriken zu bringen. Die Hildesheimer Börde gehört zu Deutschlands wichtigsten Gebieten für den Zuckerrübenanbau und die Zuckererzeugung. Wenn in einer Fabrik der Betrieb läuft, müssen die Anlagen rund um die Uhr mit Rüben versorgt werden. Deshalb sind die Monate von der ersten Rodung im September bis zum Ende der Zuckerproduktion im Januar, Februar durchgetaktet – wir sagen dazu Rübenkampagne.
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Das alles kenne ich von klein auf, da ich auf einem landwirtschaftlichen Betrieb lebe. Mein Opa war noch hauptberuflich Landwirt. Heute ist unsere Fläche zu klein, um mit dem Verdienst eine Familie zu ernähren. Der Hof läuft im Nebenerwerb. Deshalb habe ich mir einen anderen Beruf ausgesucht, ich bin gelernte Kauffrau im Gesundheitswesen. Im Moment mache ich ein duales Studium im Bereich Gesundheitsmanagement. Bei meinem Hauptarbeitgeber bin ich für den technischen Bereich der Abrechnungen für ambulante Pflegedienste und Therapeuten zuständig.
Mit großen Reifen kommt man aus jeder Matsche raus
Bei der Ernte mitzuhelfen, ist für Hofkinder wie mich selbstverständlich. Seit ich denken kann, fahre ich Trecker. Ich weiß noch, wie ich mit 18 zum ersten Mal ein Gespann mit zwei Anhängern mit Weizen zum Hildesheimer Hafen gebracht habe. Das war aufregend! Denn auf dem Feld Trecker fahren ist einfach. Mit den großen Reifen kommt man aus jeder Matsche raus. Aber mit zwei voll beladenen Anhängern auf der Straße zu sein, das ist was anderes. Da muss man schon gucken, wie man über eine Kreuzung mit vielen Autos kommt. Bremsen und Anfahren dauert wesentlich länger. Und wir brauchen Platz.
Weil es nach der Ernte und der Aussaat für das nächste Jahr etwas ruhiger auf dem Hof wird, habe ich Zeit für andere landwirtschaftliche Tätigkeiten. Das Lkw-Fahren in der Rübenabfuhr fand ich schon lange faszinierend. Die Landwirte sind in einer Gesellschaft organisiert, die die Lkws anmietet und vermittelt, so dass jedes Fahrzeug bestmöglich ausgelastet wird. Das wollte ich jetzt auch mal ausprobieren. Allerdings gibt es Wartelisten. Das Rübenfahren ist ein lukrativer Nebenjob, um sich das Geld für Urlaube zur Seite zu legen.
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Beim Landkreis musste ich eine Fahrerkarte beantragen. Damit wird kontrolliert, ob man die gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten einhält. Das macht die Rübenkampagne organisatorisch so aufwendig: Wir dürfen höchstens neun Stunden am Tag fahren. Die Zuckerfabriken brauchen aber ständig Nachschub, die Maschinen laufen auch an Sonn- und Feiertagen, wenn Lkw-Fahrverbot ist. Deswegen müssen immer genug Rüben auf Halde liegen.
Später überwog das Glücksgefühl
Einen Lkw-Führerschein brauche ich nicht. Ich fahre mit dem Trecker-Führerschein eine Zugmaschine, die auf 60 Kilometer pro Stunde gedrosselt ist. Beladen wird mein Lkw mit 25 bis 26 Tonnen Rüben, so dass wir knapp 40 Tonnen Gesamtgewicht haben. Als neue Fahrerin habe ich erst einmal eine technische Einweisung bekommen. Auch die ersten Fahrten absolviert man mit Begleitung.
Mittlerweile habe ich meine erste eigene Fahrt geschafft, ganz allein vom Feld bis zur Zuckerfabrik. Auf dem Feldweg hatte ich teilweise schwitzige Hände. Später auf der Straße und an der Zuckerfabrik überwog das Glücksgefühl. Alles hat geklappt. Darauf bin ich stolz. Es ist was Besonderes, in der Landwirtschaft mitzuhelfen. Letzten Endes trage ich ja dazu bei, die Bevölkerung in Deutschland zu ernähren.
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Obwohl ich inzwischen Übung mit großen Fahrzeugen habe, flößt mir ein 40-Tonner Respekt ein. Nicht nur auf den Feldwegen muss man gut aufpassen, auch in der Zuckerfabrik braucht man Geschick beim Rangieren. Generell ist das Rübenfahren ein Männerding. Frauen trifft man nur vereinzelt. Auf der Straße kommt es vor, dass mir entgegenkommende Fahrer einen "Daumen hoch" zeigen. Ich mach bei der nächsten Rübenkampagne auf jeden Fall wieder mit.
Protokoll: Karina Scholz