Vitello Tonnato
Vitello Tonnato
privat
Langsam kochen bringt Qualität ins Leben
Genuss, Verstand und Langsamkeit: Susanne Breit-Keßler über Slow Food und die Kunst zu genießen.
04.10.2023

Vitello Tonnato ist eine feine Vorspeise aus der piemontesischen Küche. Nahezu jedes italienische Restaurant in Deutschland hat sie auf der Speisekarte. Allerdings wird das Vitello oft als Fast Food serviert: Eine Scheibe Roastbeef auf den Teller, labbrige, dünne Thunfisch-Sauce mit ein paar vereinsamten Kapern draufgeklatscht. Fertig.

Echte italienische Küche, die Mutter allen feinen Essens, bedeutet Slow Food. Da wird nix presto serviert. Also piano piano und molto sensazione durante la cottura, viel Gefühl beim Kochen. Ich stelle heute eine Variante des Vitello vor, die auf Thunfisch verzichtet und stattdessen mit heimischer, geräucherter Forelle arbeitet: Vitello Trotato.

Als erstes braucht man ein Stück Kalbfleisch. In vielen Rezepten wird empfohlen, pro Person 200 bis 250 Gramm zu rechnen. Das ist viel zu viel. Auch richtige „Carnivoren“ brauchen deutlich weniger für eine Vorspeise. Weniger sieht überdies feiner aus und ist dadurch eine Delikatesse für besondere Gelegenheiten.

Ich schlage für vier Personen 400 Gramm vor. Das reicht leicht. Das gesalzene Fleisch lege ich im Ganzen über Nacht in Weißwein ein. Der macht es mürbe. Am nächsten Tag gebe ich es mit dem Wein, eventuell mit etwas Brühe ergänzt, in einen Topf. Dazu kommt Gemüse: Möhren, Sellerie und Zwiebeln, Pimentkörner,  Lorbeerblatt und wenig Gewürznelke.

Gerne nehme ich auch mal Pilze, Knoblauch, Oregano und Thymian dazu oder lasse weg, was ich nicht habe. Man kann mit einheimischen Produkten nichts falsch machen. Das Fleisch samt Beilagen kurz aufkochen und dann etwa anderthalb Stunden sanft vor sich hin simmern lassen - bei höchstens 70 Grad. Starke Hitze macht das Fleisch hart!

Nach dem Kochen gemütlich auskühlen lassen. Jetzt kommt die Herausforderung. Ich schneide schon Brot krumm und schief – wie erst das  zarte Fleisch? Aber die Scheiben müssen hauchdünn sein, sonst schmeckt es nicht! Für Grobmotoriker wie mich braucht es also entweder ein glattes Elektromesser oder eine Schneidemaschine, die man fein einstellen kann.

Ist diese Challenge bewältigt, geht es an die Sauce. Hier mache ich eine große Portion. Reste kann man am nächsten Tag hervorragend mit Brot zusammen aufessen. Die Mayonnaise mache ich nicht selbst. Ich habe höllische Angst vor Salmonellen, nachdem ich einmal mitbekommen habe, wie sich eine solche Infektion auswirkt. Rohe Eier kommen bei mir nicht auf den Tisch.

Ich verwende ausschließlich Bio-Mayo, die schmeckt bestens. Sie wird vermischt mit pürierter, geräucherter Forelle, einem Hauch Sardelle, einem Spritzer Zitrone, Salz, Pfeffer und für die richtige Konsistenz mit etwas von dem durchgeseihten Sud des Fleisches. Piano, piano: Das Fleisch mit der Sauce bedecken und noch einmal ein paar Stunden durchziehen lassen.

Leseempfehlung

Zum Servieren rechtzeitig aus dem Kühlschrank nehmen, damit das Gericht Raumtemperatur annehmen kann. Reichlich Kapern dazu, als Kick noch mit etwas angebratenen Kapernäpfeln garnieren. Slow Food: Genuss braucht Verstand und Langsamkeit. Die Bewegung ist wie das Vitello im Piemont entstanden.

Publizist und Gründer Carlo Petrini sagt, worum es geht: Essen muss buono, pulito e giusto sein – gut, sauber und fair. Ich gehe jetzt in die Küche. Wir treffen uns erst nächste Woche wieder. Piano.

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Kolumne

Susanne Breit-Keßler

Essen und Trinken hält Leib und ­Seele zusammen. Und darüber Neues zu lesen, macht den Geist fit. Viele Folgen lang hat Susanne Breit-Keßler Ihnen Woche für Woche ihre Gedanken dazu aufgeschrieben und guten Appetit gewünscht. Im Sommer 2024 endete die Kolumne. Die Texte sind weiter im Archiv abrufbar.