Köstlichkeiten auf dem Teller
Köstlichkeiten auf dem Teller
privat
Himmlische Gefühle
Es gibt Speisen, die ganz überraschend in einen Zustand der Entrückung versetzen - dafür allerdings braucht es viel Sorgfalt in der Zubereitung.
20.09.2023

Es gibt Geschmacksharmonie, die lässt ein himmlisches Gastmahl vermuten. Wer im Paradies kocht, weiß ich natürlich (noch) nicht – ob es Engel sind oder Starköche und -köchinnen, die eine neue, besonders schöne Aufgabe gefunden haben. Auf jeden Fall, wer auch immer in der Ewigkeit am Herd steht und für das Menü verantwortlich zeichnet: Es wird köstlich munden.

In unserem Urlaub in Tirol haben wir eine Vorahnung bekommen. Uns wurde eine Vorspeise serviert, die so delikat war, dass ich am liebsten nichts anderes mehr gegessen hätte. Vorspeisen bereitet man zuhause eher selten zu, vielleicht dann, wenn Gäste kommen. Oder wenn man bei kleinem Hunger ein kleines Gericht zur Hauptspeise befördern möchte.

Das geht in diesem Fall besonders gut, denn man braucht erst einmal Zeit, um diese Vorspeise zuzubereiten. Und dann sollte man in aller Ruhe genießen, was auf dem Teller liegt. In unserem Fall war es ein milder Ziegenfrischkäse - der Star auf dem Teller. Ein Star braucht Begleitung, andere, die ihn hervorheben - alleine kann man nicht wirklich glänzen.

Der Käse lag auf einem Bett aus fein geraspeltem, leicht und dezent mit Essig, Öl und Honig mariniertem Radicchio. Gekrönt wurde er von zart in Fett geschmolzenen und gesalzenen Zwiebeln. Das war aber längst nicht alles! Himmel, Paradies, das ist Fülle, Überfluss, im Wortsinn Überbordendes. Eine Grenzüberschreitung, die irdische Schranken luftig aufhebt.

Also tauchten neben dem Ziegenfrischkäse gedünstete Bio-Apfelwürfelchen auf, die auf der Zunge zergingen. In ihrer Gesellschaft befanden sich Sanddornkleckse. Sanddorn ist ein Ölweidengewächs, das sich auch auf kargen Böden durchsetzt. Dort, wo wir ihn gegessen haben, heißt er „Amritscherl“, eine liebevolle Veränderung seines botanischen Namens (Hippophae rhamnoides).

Sanddorn enthält viel Vitamin C, das Zehn- bis Zwanzigfache von Zitronen. Paradiesisches Essen ist eben nicht nur gut, sondern wohltuend für Leib und Seele. Teuer ist er auch, weil man ihn nicht gleich ernten kann, sondern ein paar Jahre warten muss, bis die Früchte sich verarbeiten lassen. Ein Glas ungesüßtes Fruchtmark mit 200 Gramm kostet ungefähr sechs Euro.

Wem das zu viel ist, der könnte preiswerteres Aprikosenmark nehmen. Das schmeckt auch sehr gut. Gleichfalls teuer sind die Schwarzen Walnüsse, die unsere Teller zierten. Die seltene Spezialität kostet eingelegt fast doppelt so viel wie Sanddorn. Deswegen waren wohl nur bescheidene zwei Scheibchen pro Person vorgesehen.

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Aber verständlich: Die Schwarze Walnuss hat eine rauhe, dicke Schale, deren Inhalt man sich mühsam erarbeiten muss. Die Reifezeit im Glas beträgt Monate - daher die Kosten. Man kann sich so eine Delikatesse ja einmal schenken lassen - zusammen mit dem Sanddorn. Präsente, die man isst oder trinkt, sind eh die besten, weil nicht für die Ewigkeit gemacht.

Auf meinem Teller hat sich übrigens ein Kräuterfussel fröhlich präsentiert - Sie sehen ihn auf den Apfelwürfelchen. Aber auf Erden ist, biblisch gesprochen, alles nur Stückwerk. Beim himmlischen Festmahl werden wir neue, vollkommene Freuden genießen. Vielleicht haben da trotzdem grüne Fussel Platz. Bei diesem Gott kann ich mir solchen Humor vorstellen.

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Kolumne

Susanne Breit-Keßler

Essen und Trinken hält Leib und ­Seele zusammen. Und darüber Neues zu lesen, macht den Geist fit. Viele Folgen lang hat Susanne Breit-Keßler Ihnen Woche für Woche ihre Gedanken dazu aufgeschrieben und guten Appetit gewünscht. Im Sommer 2024 endete die Kolumne. Die Texte sind weiter im Archiv abrufbar.