Young Carer
Wenn der Sohn für den Vater
Das Vorlesebuch über den achtjährigen Tom, der seinen Vater pflegt, ist eine Mutmachgeschichte über ein wenig beachtetes Thema: Young Carer. Die Autorin Julika Stich weiß, wovon sie erzählt.
Tim Wegner
27.06.2023

Oft ist da dieses Kribbeln in Toms Bauch. Manchmal rotiert ein ganzer Wirbelwind, der ihn davon abhält, konzentriert zu lernen oder wie andere Kinder ausgelassen zu spielen. Warum das so ist, das versteht Tom selbst nicht genau. Doch die Leser und Leserinnen – große wie kleine – erkennen bald: Dieses Gefühl überfällt den Achtjährigen immer, wenn er sich Sorgen um seinen kranken Vater macht, dem Tom im Alltag viel helfen muss.

Tom begibt sich mutig auf die Suche, erzählt Erwachsenen von seiner Situation. Die hören aber nicht richtig hin. Das entspricht leider der Realität: Aus Studien weiß man, dass in jeder Schulklasse ein bis zwei Kinder enge Angehörige pflegen und dabei viel zu viel Verantwortung tragen. Meist bleiben sie leider unsichtbar.

Julika Stich, die Autorin des Vorlesebuches "Tom passt auf Papa auf", weiß genau, wie dieser innere Wirbelwind sich anfühlt. Auch ihr war ihre Situation lange nicht bewusst. Wie ihre Figur Tom war sie ein sogenannter Young Carer, half schon früh dabei, ihre an Multipler Sklerose erkrankte Mutter zu pflegen. In einer chrismon-Reportage erzählte sie davon, wie sie selbstverständlich in diese Rolle hineingewachsen war und wie die ganze Familie nicht gemerkt hatte, dass die Belastungsgrenze für alle überschritten war.

Julika Stich: "Tom passt auf Papa auf" mit Illustrationen von Luise Hellmund. On demand als Hardcover oder Softcover, 30 Seiten, 22,50 Euro, ab 4 Jahren

Mittlerweile setzt sie sich mit ihrer Initiative Young Helping Hands für betroffene Kinder und Jugendliche ein. Mit dem Buch will sie Kinder ermutigen, sich in andere hineinzuversetzen, und besonders will sie betroffenen Kindern eine Plattform geben, auf der sie sich wiederfinden und Mut gewinnen.

Das gelingt ihr mit einfühlsamer und kindgerechter Sprache, auch in reflexiven Passagen, einem Happy End, und durch die Unterstützung ihrer Illustratorin Luise Hellmund. Diese begleitet Toms Gefühle und seine Suche mit tiefgründigen und farbstarken Illustrationen. Tröstende Bilder, die die Seele öffnen und auf denen die Kinder fast immer einen heimlichen, treuen Begleiter entdecken können.

Im Anschluss an Toms Geschichte gibt es für die Kinder eine Visualisierungsübung, unterstützt von der leuchtstarken Illustration einer Waldlichtung. Ein Ort, an den Kinder imaginär immer wieder zurückkehren und Kraft schöpfen können sollen. Und für Betreuer und Betroffene gibt es eine Liste mit Anlaufstellen.

 

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