Liebe Leserin, lieber Leser,
haben Sie schon mal ein Zimmer, eine Wohnung, ein Haus Ihrer Eltern oder Großeltern ausgeräumt? Dann wissen Sie: Es ist nicht nur körperliche, sondern seelische Schwerstarbeit. Diese Zinnsammlung, jene Tagebücher – man wird als Aufräumerin bisweilen konfrontiert mit Seiten der eigenen Herkunft, die man gar nicht so genau beleuchten wollte. Ich habe vor einigen Jahren hier darüber geschrieben.
Dabei komme ich aus einer durchschnittlichen westdeutschen Nachkriegsfamilie. Um wie viel aufregender, aber auch verstörender hingegen das "Afrikazimmer", das der Urgroßvater von unserer Fotografin Anne Schönharting hinterlassen hat. Er war von 1908 bis 1914 Kakaoplantagenverwalter in Spanisch-Guinea, heute Äquatorialguinea. Und er hatte Speere, Masken, Kopfschmuck, eine regelrechte koloniale Sammlung mitgebracht. Für Schönhartings Eltern in der ehemaligen DDR eine Art "große Welt im kleinen Zimmer". Aber jetzt? Was tun damit, wie würdig zurückgeben, und an wen? Über den "weißen Blick" auf die Welt hat die Fotografin seither viel nachgedacht und künstlerisch gearbeitet, das Ergebnis sehen Sie hier.
Schönhartings Geschichte erzählt im Kleinen, was unsere Gesellschaft im Großen umtreibt: Welche Schuld hat Deutschland als Kolonialmacht auf sich geladen? Und wie prägt das bis heute den Umgang der reichen Länder mit den ehemals kolonialisierten des Südens? Welche Ungerechtigkeiten bestehen bis heute? Und wie gehen eigentlich unsere Museen damit um?
Wir laden Sie ein, mehr über dieses hochbrisante Thema zu erfahren und Ihre ganz persönlichen Fragen zu stellen. In unserem nächsten "chrismon live"-Webinar am 1. September um 12 Uhr. Wir veranstalten dieses Webinar in Kooperation mit dem Fernsehsender arte, der oft und kundig über dieses Thema berichtet. Auch arte hat die Veranstaltung angekündigt, klicken Sie auf "September".
Unsere Webinare kosten keinen Eintritt, Sie müssen sich aber hier anmelden.
Das sind unsere Gäste:
Anne Schönharting, die chrismon-Fotografin.
Dr. Wilfried Hauke, Filmemacher der vielschichtigen arte-Doku "Der weiße Blick". Der Film beleuchtet Künstler wie Emil Nolde und Max Pechstein, die Hand in Hand mit den Ethnologen ihrer Zeit ein merkwürdig reduziertes Bild der "Fremde" zeichneten. Einen Vorgeschmack auf den Film bekommen Sie hier – ich verspreche Ihnen: Sie werden manche Bilder schon oft als Postkarte verschickt haben. Jetzt erfahren Sie viel mehr darüber!
Dr. Rahab Njeri, Historikerin und Referentin für Rassismuskritik an der Universität Köln.
Rahab Njeri moderierte neulich im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum eine Veranstaltung über die Restitution einer sakralen Skulptur der Bangwa. Eine königliche Delegation war extra aus Kamerun angereist. Njeri sagt: "Für deutsche Museen mag es bei so einer Skulptur um eine Inventarnummer gehen. Für die Kameruner ist es ein spiritueller Gegenstand. Es wurde geweint und gesungen!"
Ähnliche emotionale Momente schildert die Leiterin des Weltkulturenmuseums in Frankfurt am Main, Dr. Eva Ch. Raabe im chrismon-Interview. Sie sagt: "Solche Rückgaben sind Teil eines Heilungsprozesses."
Und dieser Prozess hat gerade erst begonnen.
Diskutieren Sie mit uns!
Ich wünsche Ihnen eine anregende Woche.
Ihre
Ursula Ott
Chefredakteurin