Neulich fragte eine Kollegin ihre Pfarrerin in Köln, warum auf dem schönen Kirchendach ihrer Gemeinde noch keine Solaranlage sei. Ja, warum gehen nur so wenige Kirchengemeinden voran und setzen ein Zeichen? Seit Jahrzehnten reden die Kirchen laut über die Bewahrung der Schöpfung, und das Naheliegendste geschieht nicht. Jedenfalls nicht flächendeckend.
Burkhard Weitz
Und nun bricht über uns herein, wovor seit den 1970er Jahren gewarnt wird: Fossile Energie wird knapp und teuer. Sollte im Winter das Gas rationiert werden, darf sich niemand wundern, wenn es heißt: Kirchen und Gemeindehäuser seien nicht "systemrelevant"; die müsse man nicht heizen.
Dabei liefert eine Mischung aus Photovoltaik und Solarthermie auf einem großen unbeschatteten Süddach mit Neigung – egal wo in Deutschland – im Frühjahr und Herbst genügend Energie, um ein gut isoliertes Pfarr- und Gemeindehaus mit einer Kombination von Wärmepumpe und Solarthermie komplett zu heizen, um in den Sommermonaten ausreichend Strom für die Abend- und Morgenstunden zu speichern und überschüssigen Strom ins öffentliche Netz einzuspeisen. Gemeinden, die das können, entlasten nicht nur das öffentliche Stromnetz über die meiste Zeit des Jahres; sie müssen auch Gasrationierungen nicht fürchten.
Wichtiger als die Optik ist die Funktionalität
Gerade Kirchendächer sind perfekt geeignet, um Sonnenenergie zu ernten. Die meisten Kirchen sind nach Osten ausgerichtet und haben große unbeschattete Süddächer mit Neigung. Die evangelische Kirche im Schwarzwaldstädtchen Schönau hat das schon im Jahr 1997 erkannt und entschied sich für Solarenergie vom eigenen Dach – bevor die erste rot-grüne Regierung gewählt und ernsthaft auf Einspeisevergütungen zu hoffen war.
Um den Peaks bei der Stromeinspeisung während der Mittagszeit etwas entgegenzusetzen, werden nun sogar Ost- und Westdächer mit Neigung zunehmend interessant. Wichtig ist, dass sich eine Gemeinde gut informiert, welche Anlage für ihre Zwecke, für ihre Ziele die sinnvollste ist. Das Ziel ist es wert, ein überschaubares finanzielles Risiko einzugehen, sollte die Rentabilität von Aufwand und Investition infrage stehen.
Wer sich früh für den Umweltschutz entschied, lag richtig. Mittlerweile wird es schwer, überhaupt noch Handwerksbetriebe zu finden, die Zeit haben, eine Anlage zu installieren. Umso wichtiger, das Thema jetzt beherzt anzugehen. Für den anstehenden Winter reicht die Zeit vielleicht nicht mehr, dafür aber für einen der nächsten Winter.
Der Widerstand der Denkmalschützer war von Anfang an groß. Die Kirchengemeinde in Nordheim, Landkreis Heilbronn, nutzte schon im Jahr 2000 eine fällige Dachsanierung, um gleich eine Photovoltaikanlage zu installieren – gegen den Widerstand von Oberkirchenrat und Landratsamt. Das Regierungspräsidium Stuttgart verfügte sogar den Abbruch der Anlage. Die Gemeinde kämpfte sich bis vors Oberverwaltungsgericht Mannheim – und gewann.
Natürlich ist es gut, wenn sich Umwelt- und Denkmalschutz versöhnen lassen – mit dezenten, farblich abgestimmten Anlagen. Aber wichtiger als die Optik ist die Funktionalität. Es kann nicht sein, dass wir lieber in Schönheit sterben, als das Vernünftige zu tun. Und es wäre auch nicht verkehrt, wenn aller Welt deutlich wird: Die Kirchen sind schon deshalb systemrelevant, weil sie sich um die Fragen der Zukunft kümmern.
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