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Johanneskirche, Bad Hersfeld, Sonntag, 11 Uhr: Die Sonne scheint durchs Oberlicht an der Altarwand. Im Kirchsaal auf dem Johannesberg, einer 70er-Jahre-Siedlung, sind die Stühle paarweise über den Raum verteilt. Die meisten sind besetzt. Die Türen zum Foyer stehen offen, etwa 25 Leute finden Platz.
Heute ist "Welttag der seelischen Gesundheit", sagt Pastorin Silke Kohlwes. Dazu passe das Thema des Sonntags: Krankheit und Heilung. Kohlwes liest Psalm 21 nach einer Übertragung von Hanns Dieter Hüsch und Uwe Seidel: "Keinen Tag soll es geben, da du sagen musst, niemand ist da, der mir die Hände reicht." Die junge Organistin intoniert Lied 612: "Fürchte dich nicht, gefangen in deiner Angst".
Die Lektorin liest aus Jesaja 43: "Fürchte dich nicht, . . . ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein." Predigttext ist das Danklied des biblischen Königs Hiskia (Jesaja 38), der von schwerer Krankheit genesen ist. Darin beklagt er die Zeit seiner sozialen Isolation: "Abgeschnitten, wie der Faden, den der Weber abtrennt, wenn er seinen Stoff einrollt."
Kohlwes schließt drei Erzählungen an Hiskias Danklied an. Die erste: Sie besucht eine Frau aus ihrer früheren Gemeinde, krebskrank, austherapiert. "Warum ich?", habe die Frau gefragt, "warum jetzt?" – sie wollte doch die neue Freiheit als Rentnerin mit ihrem Mann genießen. Dann erzählt Kohlwes von einem Mann im Kieler Krankenhauspark, wo sie selbst Patientin war. "Mein Leben hing lange am seidenen Faden", habe er gesagt. Er war dankbar, überhaupt noch am Leben zu sein. In der dritten Erzählung überreicht ihr eine Frau nach einem Gottesdienst im Klinikum Bad Arolsen ein Gesangbuch mit zusammengeflochtenen Lesebändern. Die Pfarrerin deutet die Farben der Bänder auf Taufe (blau), Beziehungen (rot) und Gott (gold).
Der Mann im Krankenhauspark habe – wie Hiskia – danken können. Und die "austherapierte" Frau? Kohlwes sagt: Wie die Gesangbuchfäden, so sei auch der Lebensfaden, den Gott in der Taufe flicht, mit anderen Menschen und mit Gott verflochten. Er reiße nicht ab. – Ob dieses Bild die Frau getröstet hätte?
"Da wohnt ein Sehnen tief in uns", singt die Gemeinde. Passt. Ihre Fürbitte widmet die Pfarrerin allen, "die krank sind", sie erbittet Trost für Sterbende. Vor dem Segen sammelt sich Kohlwes kurz wie zum Gebet. Die Sonne scheint durchs Oberlicht, die Gemeinde wartet gebannt, und dann breitet die Pfarrerin ihre Arme aus.
Evangelische Kirchengemeinde der Stadt- und Johanneskirche
Pfarrerin Silke Kohlwes (Pfarramt IV)
Gotzbertstraße 1
36251 Bad Hersfeld
Tel.: 06621 14486
Mail: silke.kohlwes@ekkw.de