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Protestantische Auferstehungskirche Speyer, Sonntag, 10 Uhr:
Wohin an diesem Sonntag in Speyer? Die Gedächtniskirche – erbaut zum "Gedächtnis" an den Protest der lutherischen Stände 1529 beim Reichstag zu Speyer – bekommt eine neue Orgel und bleibt geschlossen. Im romanischen Dom (katholisch) und in der schönen Dreifaltigkeitskirche – erbaut nach Zerstörung der Stadt im Pfälzischen Erbfolgekrieg – fallen Gottesdienste wegen Corona aus. Bleiben die evangelischen Gemeinden in den Randbezirken. Die Wahl fällt auf die Auferstehungsgemeinde. Ihr Kirchraum wurde 2004, zwei Jahre nach Inbetriebnahme, auf der Architektur-Biennale in Venedig präsentiert.
Ein heller Glaskubus mitten im Wohngebiet. Vier Säulen rechts und links stützen die flache Decke. Hinter der Altarwand aus hellem Holz bricht strahlend gelb das Morgenlicht durch mattierte Scheiben. 17 Stühle sind auf dem rohen Estrich verteilt, im Vorraum drei weitere, alle sind besetzt. Man behält die Daunenjacke an; Heizluft würde die Aerosole verwirbeln. Auf der Orgelbank meditiert der Organist in Jeans und mit Vollbart. Pfarrer Uwe Weinerth beugt sich über sein Notebook auf dem Altar und schaut, ob alle digital Zugeschalteten mithören und -sehen können. Fünf vor läuten die Glocken, punkt zehn setzt der Organist ein. Er spielt engagiert, etwas Modernes.
Burkhard Weitz
Es wird ein kurzer Gottesdienst, 35 Minuten. Pfarrer Weinerth hält Begrüßung und Gebete knapp, liest zur Orgelbegleitung die Strophen der angeschlagenen Lieder, predigt keine acht Minuten – und zwar gut. Es geht um Jesu Wort aus Johannes 15: "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben." Jesus spreche in Bildern. Bilder drängten ins Bewusstsein. Das Bild vom Rebstock deute darauf, dass wir tief mit Jesus verbunden seien. "Du und ich, wir sind Teil des Göttlichen. Wir alle tragen die DNA Gottes in uns. In uns allen fließt Gottes Kraft und Liebe."
Schwierig werde es, wenn die Energie in eine falsche Richtung fließt, weil wir süchtig sind nach Anerkennung. "Wenn wir aber das Göttliche in uns selbst finden, verwandelt sich unsere Bedürftigkeit in Selbstvertrauen und unser Mangel in Nächstenliebe."
"Wer stirbt", so Weinerth weiter, "geht nicht als welkes Blatt verloren, sondern kehrt zurück. Wir sind auf immer und ewig mit Gott verbunden." Als das Orgelnachspiel verklingt, beugt sich der Pfarrer übers Laptop: "Einen schönen Sonntag auch euch, Tschühüss!"