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Christuskirche, Köln-Dellbrück, Pfingstsonntag, 9.30 Uhr:
Es liegt eine Schwere auf diesem Sonntag in Köln. Dauerregen, die Stadt hockt noch im Lockdown, während nebenan in Düsseldorf schon das Freibad aufmachen durfte. Ein bisschen Schwung wäre gut. Schön, dass von weitem die Regenbogenfahne vor der Christuskirche zu sehen ist. Und die Orgel eine Drehorgel imitiert. Die Gemeinde hat zum Gottesdienst mit Zirkus geladen.
"Ich spielte auf seinem Erdkreis und hatte meine Lust an den Menschenkindern" − das Buch der Sprüche gibt das Motto vor. Pfarrer Ulrich Kock-Blunk hat zwei junge Artistinnen aus dem Familienzirkus Traber engagiert, der schleppt sich, so der Pfarrer, vom Sommerlager ins Winterlager, ins Frühlingslager. Die Mädchen besuchen die Zirkusschule der evangelischen Kirche, zweimal in der Woche kommt eine Lehrerin in den Wohnwagen. Trainiert wird unter freiem Himmel, der Auftritt heute ist der erste seit langem. Doch beim Proben ist Angelie gestürzt, drum tritt die 12-jährige Julina allein auf.
Anstelle der verletzten Cousine muss Papa Traber das Handy mit der Playlist bedienen, klappt nicht gleich – wie schön. Perfekte Shows haben wir ja nun anderthalb Jahre im Fernsehen gesehen. Live ist anders. Endlich ertönt "Despacito", Julina in türkisenem Dress mit Strass am Stirnband jongliert mit ihren Hula-Hoop-Reifen, kreist die Hüften, wirft sich in den Spagat und zur Brücke. Ihr Vater nimmt das Mikro, moderiert sie ab wie in der richtigen Manege. Tosender Beifall.
Ursula Ott
Als bräuchte es Scheinwerfer, blitzt plötzlich die Sonne durch die Kirchenfenster und macht es dem Pfarrer leicht, vom himmlischen Brausen zu predigen, von Frau Weisheit und ihrer Lust an Spiel und Experiment. Noch atemlos vom Turnen, liest Julina den Bibeltext, dann folgt Predigt, Teil 2. Wann hat uns das letzte Mal etwas "angeweht", wie gewinnen wir Heiterkeit und Lebenslust zurück? Zum Schluss tragen Konfirmand:innen ihre Fürbitten für Frieden in Gaza und in Myanmar und für die ertrunkenen Flüchtlinge im Mittelmeer vor.
Nach dieser beschwingten Stunde bittet der Pfarrer, sobald der Zirkus wieder in unsere Stadt kommt, auch wirklich hinzugehen. Bald könne man auch wieder Gottesdienst im Freien feiern, mit Gesang! "Es geht aufwärts", ruft er. Und wir nehmen uns vor: Auf keinen Fall schleppen wir uns vom Winterlager ins Frühlingslager, ins Sommerlager. Raus! In die Brücke, den Spagat – zumindest aber ins heitere Leben!