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Antisemitische Demonstrationen hier bei uns
Die antisemitischen Rufe, Slogans, Bilder und Aktionen, die bei den jüngsten pro-palästinensischen, anti-israelischen Demonstrationen auf deutsche Straßen und sogar bis vor Synagogen getragen wurden, haben schockiert, aber nicht unbedingt überrascht.
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
20.05.2021

Es ist das Gute am Schrecklichen, dass über diese Gestalt eines Antisemitismus mit Migrationshintergrund öffentlich gesprochen wird. Man muss ihn wahrnehmen, einordnen und verstehen. Dazu muss man nicht immer und sofort relativierend auf andere Formen des Antisemitismus oder auf problematische Seiten israelischer Regierungspolitik hinweisen. Man sollte über diese Form von Judenhass direkt und unbefangen sprechen und sie eindeutig zurückweisen. Das ist das erste und wichtigste – noch vor der schwer zu beantwortenden Frage, was man dagegen tun kann (diesseits von polizeilichen Maßnahmen).

Meine Kolleginnen und Kollegen von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste hatten am 22. April zum sogenannten „Al Quds-Tag“ (8. Mai) eine Erklärung veröffentlicht, die von den Ereignissen schnell überholt wurde und sich dennoch immer noch sehr überzeugend liest. Darin heißt es:

„Vorgeblich geht es um den Einsatz für die Rechte der Palästinenser*innen. Der antisemitische Charakter der Veranstaltung zeigt sich jedoch Jahr für Jahr: In Parolen wie ‚Kindermörder Israel‘, ‚Zionisten ins Gas‘ sowie in zahlreichen Transparenten, in denen Israel dämonisiert wird. Israelfeindliche Terrororganisationen wie die Hamas und Hizbollah werden verherrlicht. Auch Neonazis nehmen an der Veranstaltung teil. Diese Indikatoren zeigen, dass die von den Organisatoren vorgebrachte Argumentation, dass Antizionismus kein Antisemitismus sei, nicht trägt… Wir positionieren uns gegen jede Form von Israelhass und Antisemitismus und solidarisieren uns mit demokratischen Bewegungen im Nahen Osten, die sich für Verständigung und Frieden einsetzen. Wir solidarisieren uns mit Israel und allen Jüdinnen und Juden weltweit, gegen die sich der Hass des Al-Quds-Marsches richtet.“

Die ganze Erklärung finden Sie hier.

Ich selbst war nicht dabei, deshalb bin ich dankbar für Dokumentationen wie die von Democ. Das ist ein Verein, der sich gegen Demokratiefeindlichkeit engagiert und eine informative Website betreibt. Hier findet man zwei erschütternde Videos von dem, was am 14. Mai beim Berliner Hermannplatz (und anderswo in Deutschland) passiert ist. In dem Bericht dazu heißt es:

„Am 15. Mai 2021, hatte die PFLP-nahe Organisation ‚Samidoun‘ (‚Palestinian Prisoner Solidarity Network‘) zu einer Demonstration aufgerufen. So versammelten sich am Nachmittag schätzungsweise 3.500 Personen... Unter den Teilnehmern befanden sich Anhänger von PFLP, Fatah, der islamistischen Terrororganisation Hamas und der Boykott-Bewegung BDS. Zudem waren mehrere Personen unter den Demonstranten, die sich deutlich zur Symbolik der türkischen rechtsextremen Gruppierung ‚Graue Wölfe‘ bekannten. Immer wieder wurden offen antisemitische Parolen laut, mehrfach wurde zur Zerstörung Israels aufgerufen. Die Rufe waren dabei in der Regel in arabischer Sprache gehalten… Auch auf T-Shirts und Plakaten zeigten Teilnehmende ihren israelbezogenen Antisemitismus. So wurde dem jüdischen Staat das Existenzrecht abgesprochen, der Holocaust relativiert und das Rückkehrrecht für über 7 Millionen Palästinenser gefordert. Die Parole ‚Kindermörder Israel‘ war mehrfach sichtbar und hörbar - vor dem Hintergrund der mittelalterlichen Ritualmordlegende lässt sich auch diese eindeutig einem judenfeindlichen Tenor zuordnen.“

Den ganzen Bericht inklusive der Filmaufnahmen finden Sie hier.

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Kolumne

Johann Hinrich Claussen

Auch das Überflüssige ist lebens­notwendig: Der Autor und Theologe Johann Hinrich Claussen reist durch die Weiten von Kunst und Kultur