Als Kinder liebten wir die wenigen Single-Schallplatten unserer Eltern. Die Platten hatten in der Mitte ein großes Loch, so dass man erst noch ein Zusatzstück in den Plattenspieler legen musste, um sie zu hören: Schon dieser Umstand verschaffte ihnen eine besondere Aura. Neben einer Werbeplatte für Medima-Angora-Unterwäsche aus Pappe war es vor allem die kleine Scheibe mit dem "Danke"-Lied, die uns faszinierte. Man musste ja die Geschwindigkeit des Plattenspielers auf 45 Umdrehungen erhöhen, vergaß es aber manchmal absichtlich, weil es dann noch ulkiger klang. Drei Jungs sangen dann mit Inbrunst abwechselnd "Medima, Medima" und "Danke . . .".
Prof. Dr. Peter Bubmann
Nachdem der Jesuit Aimé Duval, der Dominikaner Maurice Jean Cocagnac und die (später aus dem Orden ausgetretene) Nonne Sœur Sourire mit französischen religiösen Chansons Erfolge gefeiert hatten, entschloss sich die Akademie Tutzing 1960 zu einem Preisausschreiben: Neue religiöse Lieder waren gefragt, die dem musikalischen Resonanzvermögen der Jugend – auch von Jazz und Unterhaltungsmusik geprägt – entsprechen sollten.
Das Siegerlied des ersten Wettbewerbs, "Danke", wurde bei der Electrola mit dem Botho-Lucas-Chor auf Platte gepresst, erreichte eine Auflagenhöhe von mehreren 100 000 Exemplaren und lag vierzehn Tage in der Spitzengruppe der deutschen Hitparade.
Überraschender Erfolg
Sein Autor Martin Gotthard Schneider (1930–2017) war als Theologe und Kirchenmusiker eine Zeit lang als Religionslehrer tätig und ab 1970 als Kirchenmusikdirektor, Hochschuldozent und (Landes-)Kantor in Freiburg. Neben den zwei schlagerartigen Siegerliedern des Tutzinger Preisausschreibens "Danke" und "Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt" komponierte Schneider auch zahlreiche besinnlichere Weisen sowie Orgel- und Chormusik.
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Das Lied hat heute seinen festen Platz im Evangelischen Gesangbuch (EG 334) und in vielen anderen Gesangbüchern und Liedersammlungen. Es erklingt häufig bei Kasualien. Das war so kaum zu erwarten gewesen. Denn das Tutzinger Preisausschreiben zielte nicht primär auf neue Lieder für den Gottesdienst, sondern auf Alltagslieder von Christen für und in der Welt – "Werktagslieder", wie sie Schneider nannte.
Hochkomische Parodien
Natürlich ergeben sich durch die Nähe zum Schlager und zur Werbemelodie auch vielfältige Möglichkeiten der Parodie. Auf Youtube findet man hochkomische kabarettistische Versionen. Vielleicht erklärt das auch, warum kein anderes Lied in Kirche und Öffentlichkeit so kontrovers diskutiert wurde wie eben dieses "Danke". Schriftleiter etablierter Kirchenmusikzeitschriften und kirchenmusikalische Verbandsfunktionäre sahen die Apokalypse abendländischer Kirchenmusik heraufziehen. Andere feierten den Song als Befreiungsschlag gegen die Macht kirchenmusikalischer Eliten und als Siegeszug des Populären in der Kirche.
Eine fünfteilige Serie über die Geschichte berühmter Weisen – und was wir künftig in der Kirche singen:
Stille Nacht Ein feste Burg Lobe den Herren Danke Die Zukunft des geistlichen Liedes
Textlich wirbt der Song für einen wesentlichen Grundvollzug christlicher Lebenskunst, auf die eigene Lebenswelt zu blicken und sich dann dankend zu Gott hinzuwenden. Die Textvorlage stammt vom französischen Priester Michel Quoist: "Dank für den Müllabfuhrwagen und die Männer, die ihn begleiten, für ihre morgendlichen Rufe und die Geräusche der erwachenden Straße. [ . . . ] Dank für Mädchen, denen ich begegnet bin, für das Rouge auf den Lippen von Marie-Thérèse, sie hat die Farbe klug gewählt, für die Dauerwelle von Monika, die ihr so gut zu Gesicht steht, für die Grimasse von Anne-Marie und ihr befreiendes Lachen. [ . . . ]"
Gerade die Monotonie ist einladend
Aus solchen Zeilen gestaltete Schneider ein Lied in rhythmisch regelmäßiger Form. So entsteht ein kleines Dankritual. Dabei erzeugt gerade die Monotonie der Melodie (vergleichbar den Taizé-Gesängen) einen eigenen Raum der Besinnung. Offenbar ist das Bedürfnis weit verbreitet, wenigstens gelegentlich das eigene Leben zu bedenken und dafür zu danken. Dafür eignet sich der Song bestens.
1. Danke für diesen guten Morgen,
danke für jeden neuen Tag.
Danke, dass ich all meine Sorgen
auf dich werfen mag.
2. Danke für alle guten Freunde,
danke, oh Herr, für jedermann.
Danke, wenn auch dem größten Feinde
ich verzeihen kann.
3. Danke für meine Arbeitsstelle,
danke für jedes kleine Glück.
Danke für alles Frohe, Helle
und für die Musik.
4. Danke für manche Traurigkeiten,
danke für jedes gute Wort.
Danke, dass deine Hand mich leiten
will an jedem Ort.
5. Danke, dass ich dein Wort verstehe,
danke, dass deinen Geist du gibst.
Danke, dass in der Fern und Nähe
du die Menschen liebst.
6. Danke, dein Heil kennt keine Schranken,
danke, ich halt mich fest daran.
Danke, ach Herr, ich will dir danken,
dass ich danken kann.
Das Lied hinterließ auch Spuren in der säkularen Popmusik. Die Punkgruppe Die Ärzte hat eine eigenwillige Hardrock-Interpretation beigesteuert. Und Titel wie "Danke für nichts" von den Böhsen Onkelz, "Danke" von Guildo Horn oder der Rap "Danke" der Fantastischen Vier sind kaum ohne Bezüge zu Schneiders Song denkbar.
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Dabei dürfte es weiterhin darauf ankommen, um welche Mitte diese "Danke"-Lieder rotieren. Dass Schneiders Kirchenhit den "Herrn" des Lebens (Strophe 2 und 6) zum Adressaten des Dankens macht, dafür ist ihm bleibend zu danken.
Dieser Text ist ein leicht gekürzter und bearbeiteter Nachdruck aus: Peter Bubmann | Konrad Klek (Hrsg.): "Davon ich singen und sagen will. Die Evangelischen und ihre Lieder". Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2012. Noch lieferbar als PDF-E-Book (ISBN: 978-3-374-05576-0) und als E-Publikation (ISBN: 978-3-374-05577-7) jeweils für 16,99 €.
Zuerst erschienen in: Reformation und Musik. Das EKD-Magazin zum Themenjahr der Lutherdekade, Nr. 4 (2012), 51-52