Schulz von Thun im Gespräch
Riskiere den Streit!
Wann war eine Auseinandersetzung gut? Wenn der andere am Ende überzeugt ist? Der Kommunikations­psychologe Friedemann Schulz von Thun zeigt Auswege aus der Polarisierungsfalle
Illustration verschiedener Figuren, Menschen, die miteinander kommunizieren
Katharina Gschwendtner
Portrait Anne Buhrfeind, chrismon stellvertretende ChefredakteurinLena Uphoff
Florian Quandt
Aktualisiert am 09.10.2024
9Min

chrismon: Herr Schulz von Thun, beim Familienfest spricht der Schwager von den vielen Aus­ländern in seinem Stadtteil und erklärt: ­"Die Deutschen werden jetzt sowieso abgeschafft." Ich bin entsetzt – aber ich schweige, um des Familien­friedens willen. Was kann ich sagen, was kann ich tun, außer Kaffee ­kochen gehen?

Friedemann Schulz von Thun: ­"Jede Situation ist ein Ruf, auf den wir zu horchen, dem wir zu gehorchen ­haben", sagt Viktor Frankl. Und hinzufügen würde ich: Jede schwierige Situation können wir unter drei ­Aspekten anschauen. Als Zumutung, als Gelegenheit und als Herausforderung. Wenn Sie sich vor allem gegen die Zumutung wehren wollen, könnten Sie sagen: "Mensch, Roland, jetzt verdirb mir aber nicht die Festlaune mit den Thesen eines Herrn Sarrazin!" – Wenn Sie in dieser Situa­tion vor allem eine Gelegenheit sehen, welche wäre das? Vielleicht die Gelegenheit, mit Schwager Roland einmal wirklich in Kontakt zu kommen? Dann könnten Sie Ehrlichkeit mit Empathie verbinden und zum Beispiel antworten: "Ich bin entsetzt, wenn ich so etwas von dir höre. Aber womöglich hast du schlimme Erfahrungen gemacht, von denen ich nichts weiß?"

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