Eine Krankenschwester füllt eine Patientenakte aus.
epd-bild / Werner Krüper
Ferndiagnosen per Video, ein elektronisches Rezept oder eine digitale Patientenakte - für manche Länder Alltag, für Deutschland noch Zukunftsmusik. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung.
29.11.2018

Die Bertelsmann Stiftung fordert von der deutschen Politik, den digitalen Wandel im Gesundheitswesen aktiver und entschlossener zu gestalten. "Während Deutschland noch Informationen auf Papier austauscht und an den Grundlagen der digitalen Vernetzung arbeitet, gehen andere Länder schon die nächsten Schritte", betonte Brigitte Mohn vom Vorstand nach Vorstellung einer Studie im Auftrag der Stiftung am Donnerstag in Gütersloh. Auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, fordert vom Staat, Verantwortung zu übernehmen und steuernd tätig zu werden.

Deutschland landete von 17 untersuchten Ländern auf dem vorletzten Platz vor Polen, wie die Studie "SmartHealthSystems" der Bonner Forschungsgesellschaft empirica ergab. Auf dem ersten Platz liege Estland, gefolgt von Kanada und Dänemark.

"Dass Deutschland einen solchen Rückstand hat, liegt nicht an fehlenden Technologien oder gar am mangelnden Innovationspotenzial des Landes", heißt es im "Spotlight Gesundheit" der Stiftung. Vielmehr seien viele erfolgreiche Projekte nur regional oder auf einzelne Versorger begrenzt. Neben der politischen Führung müsse Deutschland auch ein nationales Kompetenzzentrum aufbauen, welches für die Koordination und Einbindung aller Akteure verantwortlich sei. In allen untersuchten Ländern außer Deutschland und Spanien gebe es "Agenturen für digitale Gesundheit", die etwa technische Standards oder Datenformate definierten, hieß es.

Bundesamt für Digitalisierung im Gesundheitswesen

Die Politik hat laut Thomas Kostera, Studienleiter bei der Bertelsmann Stiftung, in der Vergangenheit die Verantwortung für die digitale Transformation an die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen delegiert. "Hier haben sich die Akteure lange Zeit gegenseitig blockiert", kritisierte er.

Dieser Analyse stimmte die Deutsche Stiftung Patientenschutz zu. "Die Bertelsmann-Studie legt den Finger in die Wunde", sagte Vorstand Brysch in Dortmund. Der Staat müsse bei der Digitalisierung Verantwortung übernehmen. Es reiche nicht aus, wenn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) über populäre digitalen Ideen rede, betonte er. Als Minister müsse Spahn die Umsetzung verantworten. "Notwendig ist ein Bundesamt für Digitalisierung im Gesundheitswesen, das einheitliche Konzepte für digitale Anwendungen entwickelt", erklärte Brysch. So könne der Staat auch für die sichere Speicherung der Patientendaten sorgen.

Die Bertelsmann Stiftung erklärte, dass erfolgreiche Länder in der Digitalisierung des Gesundheitswesens schrittweise vorgingen und Prozesse nach und nach einführten. Zudem sei es wichtig, die Akzeptanz bei allen Beteiligten zu fördern und die Endnutzer bei der Planung miteinzubeziehen.

Vertiefende Länderstudien

"Mit Blick auf die konkreten Anwendungen könnte sich Deutschland nach dem Vorbild anderer Länder zunächst auf zwei zentrale, relativ schnell umsetzbare Nutzungsfälle fokussieren", heißt es in der Studie. Dazu zählten eine elektronisch Kurzakte, auf die Ärzte und Kliniken Zugriff hätten sowie damit verbunden ein elektronischer Medikationsplan und die Einführung eines elektronischen Rezeptes. Danach sei es auch möglich, andere Anwendungen zu realisieren.

Die Studie besteht aus zwei Teilen. Nationale Korrespondenten in Estland, Kanada, Dänemark, Israel, Spanien, England, Schweden, Portugal, den Niederlanden, Österreich, Australien, Italien, Belgien, der Schweiz, Frankreich, Deutschland und Polen hätten zunächst Daten erhoben und bewertet. Daraus sei ein Digital-Health-Index gebildet worden, der die politische Aktivität, die technische Umsetzung und die tatsächliche Nutzung erfasse. In einem zweiten Schritt folgten vertiefende Länderstudien zu Dänemark, Frankreich, den Niederlanden, Israel und der Schweiz.

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