Flucht und Psyche
Wie umgehen mit traumatisierten Geflüchteten?
Asylbewerber vor allem als Gefährder zu sehen, schützt die Bevölkerung nicht vor Terrortätern - sagt der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer. Was wirklich helfen würde, schreibt er in seinem Essay
Ein Schild am Unglücksort in Aschaffenburg sendet eine eindringliche Botschaft: Trauern aus Liebe, nicht aus Hass!
Gedenken an die Opfer des Anschlags in Aschaffenburg am 22. Januar 2025
Michael Bihlmayer/picture alliance /Chromeorange
Volker Derlath / SZ Photo
24.04.2025
5Min

"Niemand darf aufgrund seiner Herkunft, seiner Kultur, seiner Muttersprache, einer Behinderung, seines Geschlechts oder Alters benachteiligt werden. Dazu zählt auch der diskriminierungsfreie Zugang zum allgemeinen Bildungssystem. (...) Auch später, im Arbeitsleben, ist Gleichberechtigung die Basis für persönlichen Erfolg. Gerade für Menschen mit Behinderung verspricht die Teilhabe am Arbeitsleben einen gleichberechtigten Platz in der Gesellschaft und bringt soziale Anerkennung. (...) Das Ziel: Inklusion aller Menschen. Oberstes Ziel ist, dass Menschen mit Behinderung in den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten kommen."

Die Zitate aus dem Internetauftritt des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales geben einen europäischen Standard wieder. Angehörige Behinderter werden ihre Zweifel haben, wie die staatlichen Anstrengungen zu bewerten sind, ihn zu erfüllen. Das ändert aber nichts an dem Ziel.

Behinderung hat viele Gesichter. Es tut wenig zur Sache, ob wir dieses Wort gebrauchen oder von Menschen mit besonderen Bedürfnissen sprechen. Wo der Körper eindeutig signalisiert, dass eine Person nicht so funktionieren kann wie Gesunde, ist das Ideal der "Barrierefreiheit" klar in Sicht. Schwieriger ist es mit der Barrierefreiheit angesichts geistiger und seelischer Behinderungen. Die Betroffenen haben in einer Psychose ihre innere Sicherheit verloren oder nehmen Medikamente mit heftigen Nebenwirkungen. Sie finden nach einer Traumatisierung nicht in ihr seelisches Gleichgewicht zurück, sind unsichtbaren Barrieren ausgeliefert, die ihre Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, in Berufsarbeit, Freizeit und Familie behindern. Dieses Feld der psychischen Beeinträchtigungen fordert gegenwärtig unser Sozialsystem weit stärker heraus als noch vor fünfzig Jahren. Waren damals Rückenschmerzen und Herzleiden die häufigsten Ursachen für Frühverrentungen in Deutschland, sind es inzwischen Depressionen und Ängste.

Während bei den körperlichen Behinderungen meist klar ist, dass die Betroffenen nicht können, sehen seelisch Behinderte nicht nur "normal" aus, es ist auch schwer festzustellen, was sie "können". Nun gibt es eine Gruppe in der Bevölkerung, die sicher viele Mitglieder mit seelischen Behinderungen aufweist, denen jedoch kaum je das Angebot einer Inklusion gemacht wird. Der Staat fördert und unterstützt sie nicht nur nicht, er grenzt sie aus, bedroht sie, treibt eine angespannte Kompensation ins Scheitern. Es handelt sich um Geflüchtete, die in Europa Sicherheit suchen.

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