chrismon: Es ist nicht verboten, sich selbst zu töten – und die Beihilfe dazu auch nicht. Warum soll sich das ändern?
Kerstin Griese: Das wollen wir nicht ändern, der Suizid und die Beihilfe dazu bleiben straffrei. Aber wir wenden uns gegen Sterbehilfevereine wie „Sterbehilfe Deutschland“ und Einzelpersonen, die geschäftsmäßig – also auf Wiederholung angelegt und mit der Absicht des Suizids als Hauptzweck ihrer Tätigkeit – Menschen zu Tode bringen. Solche Angebote nehmen zu. Sterbehilfe darf keine „normale Dienstleistung“ werden, das würde Menschen unter Druck setzen.
Was ist Ihnen an Ihrem Entwurf wichtig?
Unser Vorschlag greift am wenigsten in unsere gesetzlichen Grundlagen ein. Mir ist wichtig, dass der ärztliche Freiraum erhalten bleibt. Die Hilfe beim Sterben, wie sie in der ambulanten und stationären Hospizarbeit und in der Palliativmedizin so segensreich praktiziert wird, ist der richtige Weg – nicht die Ausweitung der Hilfe zum Sterben.
"Es dürfen keine Anreize für die Selbsttötung geschaffen werden"
Peter Hintze, CDU, evangelischer Pfarrer, pocht auf das Recht auf Selbstbestimmung. Sind Sie dagegen?
Gerade unser Vorschlag sichert diese Selbstbestimmung. Wir wollen Menschen davor schützen, sich rechtfertigen zu müssen, dass sie leben wollen. Der Gesetzentwurf von Peter Hintze würde ethische Grundsätze verschieben. Der Druck auf alte, kranke und einsame Menschen würde steigen, anderen nicht mehr zur Last zu fallen.
Haben sich solche Befürchtungen in anderen Ländern bewahrheitet?
Dossier
###drp|hUeN8R_QjqpPy89QPvna2ccG00107052|i-40|Foto: Werner Krüger/epd-bild|###
Lesen Sie Reportagen, Hintergrundberichte und mehr zumThema Sterbehilfe und assistierter Suizid auf der chrismon-Schwerpunktseite
Dürften Ärzte weiterhin Sterbewilligen helfen, wenn Ihr Entwurf Gesetz wird?
Ja, sie dürfen alle Maßnahmen der Palliativmedizin anwenden, auch wenn sie – wie manchmal bei der palliativen Sedierung – zum früheren Todeseintritt führen können. Entscheidend ist, dass die Absicht der ärztlichen Tätigkeit nicht der Suizid ist, sondern das Lindern von Schmerzen und Leid. Das ist vom Kriterium der Geschäftsmäßigkeit nicht erfasst – selbst dann nicht, wenn der Arzt im Einzelfall eine Gewissensentscheidung trifft und einem schwer leidenden Patienten hilft, ein für ihn nicht mehr erträgliches Leiden zu beenden. Wir wollen den Raum für Gewissensentscheidungen erhalten, aber es dürfen keine Anreize für die Selbsttötung geschaffen werden.