Der Deutsche Bundestag berät gegenwärtig über mehrere fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe zum Thema Sterbehilfe. In Deutschland ist es nicht verboten, sich das Leben zu nehmen, folglich auch nicht, jemand anderem dabei zu helfen, im Fachbegriff: der assistierte Suizid. Anders verhält es sich bei der aktiven Sterbehilfe, also der Tötung auf Verlangen: Sie ist und bleibt eine Straftat. Eine Giftspritze zu verabreichen ist also strafbar (eben eine aktive Sterbehilfe). Ein tödliches Medikament zu besorgen, das der Patient dann selbst einnimmt, ist straffrei (weil es eben „nur“ Beihilfe zur Selbsttötung ist).
Ein neues Gesetz soll helfen, Ärzten, Angehörigen und professionellen Sterbehelfern Klarheit zu verschaffen. Bis zur zweiten und dritten Lesung im Deutschen Bundestag im November 2015 kann sich an den Gesetzentwürfen noch einiges ändern. Einer von ihnen (verfasst unter anderem von dem Protestanten und früheren Pfarrer Peter Hintze) will Ärzten die Sterbehilfe ausdrücklich erlauben, ein anderer von Renate Künast den Sterbehilfeorganisationen engere Regeln auferlegen. Dazwischen ist ein Entwurf angesiedelt (unter anderem aus der Feder der evangelischen Sozialpolitikerin Kerstin Griese), nach dem nur „gewerbsmäßige“ und „geschäftsmäßige“ Hilfe bestraft werden soll, also jedes auf Wiederholung angelegte Angebot. Nahe Angehörige wären davon nicht betroffen. Und es gibt den Gesetzesvorschlag, Sterbehilfe grundsätzlich zu verbieten.
Bis Jahresende soll nach dem Wunsch der Regierungsfraktionen eine breite gesellschaftliche Debatte über das Lebensende und „die Grundwerte unserer Gesellschaft“ stattfinden. Da sind auch die Kirchen gefragt. Aber wofür machen sie sich stark? Die Namen und Gesetzentwürfe zeigen: Es gibt keine in allen Details übereinstimmende evangelische Haltung. Protestanten kämpfen mit guten Argumenten für unterschiedliche Ziele. Aber: In wesentlichen Grundwerten stimmen sie überein.
Spielraum für Ärzte und Kranke
Erstens: Der Respekt vor dem menschlichen Leben ist das Allerwichtigste. Christen sagen zudem: Der Mensch ist Gottes Ebenbild und deshalb gilt es, seine Würde und sein Leben zu schützen, so gut es immer geht. Das Leben ist ein hohes Gut. Gerade professionelle Helfer sollen nicht die Gelegenheit erhalten, ihre Suizidbeihilfe nach allzu pragmatischen oder gar finanziellen Regeln zu praktizieren. Bei allem, was geschieht, muss trotz der Verzweiflung der Kranken und ihrer Angehörigen jeder Schritt sorgfältig bedacht werden.
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Demnach muss ein Sterbewilliger auch berücksichtigen, welche Wirkung sein Verhalten auf andere Menschen hat. Und er soll seine Entscheidung vor Gott tragen. Das setzt allerdings voraus, dass er angesichts seiner schlimmen Situation überhaupt in der Lage ist, dies alles zu tun. Die „Verantwortung für das eigene Leben vor anderen“ ist übrigens keine Maxime allein der Kirchen. Gerade ein Aufklärer forderte sie, Immanuel Kant: Menschen sollen ihr Verhalten so wählen, dass es zum Maßstab auch für andere taugt.
Die Frage der Autonomie ist für die evangelische Kirche von größter Bedeutung – weil eine ethische Entscheidung so der konkreten Lebenssituation am ehesten gerecht wird. Es geht um einen Ausgleich zwischen allgemeinen Prinzipien und den eigenen Bedürfnissen. Weil sich jede Situation von einer anderen unterscheidet, sind evangelische Ethiker besonders vorsichtig, all- und endgültige Maßregeln zu verkünden. Protestanten werden darauf achten, dass ein neues Gesetz Spielraum lässt für Gewissensentscheidungen. Das gilt für Ärzte wie für die Kranken.
Religion für Einsteiger
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