Freundlich-verbindlich trat er seinen Gesprächspartnern entgegen, stets interessiert an neuen Entwicklungen. Was ist los im Journalismus? Was tut sich im Internet? Wie geht es den evangelischen Verlagen? Gibt es neue Trends und Themenschwerpunkte? Ist etwas Besonderes aus der Theologie dabei? Hoch konzentriert folgt er den Berichten, sei es in einer U-Bahn oder in einer Kongresshalle. Eduard Lohse, der lutherische Theologe und Bischof, würde, wenn es denn überhaupt so wäre, niemanden seine Langweile merken lassen. Ein Mann, der den Eindruck vermittelte: Sein Gegenüber hat sicherlich etwas zu berichten, was ich noch nicht weiß. Und der sich ihm nicht seelsorgerlich routiniert und aus Pflicht, sondern aus Freude an Begegnungen zuwendete.
Ein Hanseat der besonderen, der sympathischen Art. Geboren 1924 in Hamburg, leistete er von 1942 bis 1945 Kriegsdienst, zuletzt als Schnellbootkommandant. Nach dem Krieg studierte er evangelische Theologie, wurde schon mit 32 Jahren Theologieprofessor in Kiel, später in Göttingen. 17 Jahre, eine halbe Generation lang, war er dann Bischof der hannoverschen Landeskirche.
Eine diplomatische Friedensdenkschrift
Auf die Fernsehbildschirme gelangte er vor allem in der Zeit der Nato-Nachrüstungsdebatte. Da war er Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (1979 bis 1985) und hatte es einerseits mit pazifistischen Pastoren und abrüstungswilligen Reformierten, der Friedensbewegung und dem Evangelischen Kirchentag (1981 und 1983) zu tun, andererseits mit einer Front von Abschreckungsbefürwortern aus Politik, Verteidigungsministerium und Militärseelsorge. Eduard Lohse bewies ein hohes Maß an Geschick dabei, Konfrontationen abzuschwächen. Aber die Anerkennung, die er von der Politik für seine diplomatischen Fähigkeiten erhielt, verwehrten ihm Linksprotestanten und Pazifisten. Ihnen war die Haltung der EKD, wie sie 1981 in der Denkschrift »Frieden wahren, fördern und erneuern« ihren Niederschlag fand und die von Eduard Lohse mitverantwortet wurde, unentschieden, gar unevangelisch. Wie passt die Drohung mit Atomraketen mit dem Gewaltverzicht im Sinne der Bergpredigt zusammen? Aber selbst wenn für Eduard Lohse die bärtigen, zerzausten Pastoren in ihrem Talar an den Zäunen der Atomraketensilos ein Graus gewesen sein müssen, er hat sich nie abfällig über sie geäußert, sondern allenfalls diskret verwundert.
Dummerweise gab die weitere politische Entwicklung den Hardlinern der Nato und der übervorsichtigen EKD-Spitze Recht: Das Sowjetsystem brach zusammen. Die Pazifisten und die Gradualisten, die für schrittweise vertrauensbildende Vorleistungen bei der Abrüstung warben, waren zumindest in diesem Fall widerlegt. Das allerdings hatte auch Eduard Lohse vorher nicht wissen können.
Ein erfolgreicher Theologieprofessor
Apropos Bergpredigt: Da konnten ihn die Pazifisten nicht so leicht aufs Glatteis führen. Eduard Lohse ist Autor eines sehr erfolgreichen Buches fürs Theologiestudium: „Umwelt des Neuen Testaments“. In dreißig Jahren erschien es in etlichen Auflagen, mindestens zehn Auflagen werden es sein. Es freute auch den 90-jährigen alten Herrn, wenn man ihm Zitate aus seinem eigenen Buch 30 Jahre später vortragen konnte. Was er dann mit den Worten kommentierte: „Da ist die Forschung inzwischen weitergegangen.“
Eduard Lohse hat der hannoverschen Landeskirche und auch der EKD ein Gesicht gegeben. Er verband diplomatische Klugheit mit profunder Theologie. Ein kluger, belesener Mann, der sich zum Erstaunen vieler als Bischof ein halbes Jahr Studienzeit in den USA genehmigte. In seiner Amtszeit stand – ja, damals auch schon – die Modernisierung der Lutherbibel an (1984). Ein Herzensanliegen für ihn. Wie schön, dass die nächste Revision der Lutherbibel erst gegenwärtig wieder notwendig wird. So muss sich der Göttinger Theologe und Bibelforscher nicht an ganz neue Übersetzungen gewöhnen.