Die Spatzen sind vom Aussterben bedroht. Jens Scharon ist Ornithologe udn Artenschutzreferent beim Naturschutzbund (NABU), Landesverband Berlin.
Tim Wegner
07.10.2010

chrismon: Der Spatz steht auf der Vorwarnliste der gefährdeten Arten. Ausgerechnet der Vogel, der überall nervtötend rumtschilpt und rumhüpft?

Jens Scharon: Doch, der Bestand ist seit 1980 in den meisten Bundesländern stark gesunken. In manchen sogar um die Hälfte.

Woher wissen Sie, wie viele Spatzen richtig sind?

Wir orientieren uns immer an den letzten 20 Jahren. Die Einstufung in die Vorwarnliste heißt nur, dass der Bestand stark rückläufig ist. Wahrscheinlich weil viele Gebäude wärmesaniert und Dächer ausgebaut und dabei Brutplätze verschlossen worden sind.

In Hamburg, Münster, Köln zum Beispiel ist der Spatz selten geworden. In Berlin nicht - warum?

Wegen der vielen Brachflächen. Und weil hier Hauseigentümer, wenn sie bei der Sanierung Nistplätze von Sperlingen oder Mauerseglern beseitigen, Ersatz schaffen müssen - etwa indem sie Nisthöhlen in die Wärmedämmung einbauen.

Könnten Spatzen nicht wie Buchfinken in Bäumen nisten?

Es gab mal Baumbrüter unter den Haussperlingen, aber die sind sehr selten geworden. Warum, wissen wir nicht. Es spielt eben auch eine Rolle, dass die Spatzen in Städten mit Rasen und Rhododendronparks kein Futter mehr finden.

Aber der Spatz frisst doch, was den Leuten vom Tisch fällt!

Mit Pommes und Weißbrot kommt vielleicht der Altvogel über die Runden, aber die Jungen muss er mit eiweißreichen Larven und Insekten füttern - die gibt es nur in blütenreichen Krautfluren.

Die Gärten sind voll von Blumen...

Ja, aber an Tulpen und Narzissen entwickeln sich keine Insekten. Bei vielen Blütenpflanzen nutzen Insekten nur den Nektar, legen dort aber nicht ihre Eier ab, es entwickeln sich also keine Larven, mit denen der Spatz seine Jungen füttern könnte. Gut sind einheimische Sträucher wie Weißdorn und Schlehe. Und es hilft, eine Ecke im Garten nicht zu mähen, dann hat man da bald Schmetterlinge, Grashüpfer, Schwebfliegen.

Wieso geht es den Vögeln sogar auf dem Land schlecht?

Weil heute auf den Feldern die Stängel so dicht stehen, dass keine Sonne durchkommt. Das ist ein Problem für Wiesenbrüter wie Kiebitz oder Lerche: Das Gefieder der Jungvögel bleibt nass, sie können nicht ausfliegen, sondern verenden. Und Rapsfelder sind dermaßen dicht, dass da eh kein Vogel mehr brüten mag.