Liebe Leserin, lieber Leser,
haben Sie noch Urlaub, können Sie richtig lange ausschlafen? Herzlichen Glückwunsch! Dafür sind die kurzen grauen Tage und die rotweinseligen Festessen unbedingt zu nutzen - richtig lange schlafen. Ach so, das können Sie gar nicht mehr? Weil dreimal in der Nacht das Baby schreit? Weil Sie sich ab vier Uhr in den Kissen wälzen und diese Präsentation, die Sie Mittwoch halten sollen, im Dunkeln noch monströser wirkt als tagsüber? Willkommen im Club. Viele Menschen – vor allem Jüngere und vor allem Frauen – haben in einer Emnid-Umfrage im Auftrag von chrismon gesagt, Sorgen und Grübelei halte sie nachts vom Schlafen ab.
Kenn ich. Die Kleinkindphase meiner Söhne ist seit 15 Jahren vorbei, die Jungs – die übrigens mühelos 14 Stunden am Stück schlafen können – sind aus dem Haus. Geblieben ist die mütterliche Habachtstellung. Ein Geräusch, und sei es vom Supermarktlaster, und ich bin wach. Ich höre dann Radio und bin inzwischen Expertin für Wortprogramm, das sich zum Einschlafen eignet (geht gut: Deutschlandfunk. Geht ganz schlecht: rbb info – zu viele Jingles). Solche Wieder-Einschlaf-Tipps haben wir in der chrismon-Redaktion gesammelt - die eine denkt an was Blaues. Der andere hört "Die drei ???".
Meine Kollegin Sabine Horst schreibt: Die Idee, acht Stunden am Stück zu schlafen, ist eine Erfindung der Industrialisierung. Davor haben die Menschen in Intervallen geschlafen. "Artgerecht" nennt das die Autorin des gleichnamigen Bestsellers, Nicola Schmidt: "Evolutionär macht es gar keinen Sinn, dass abends um zehn alle wehrhaften Erwachsenen ins Koma fallen. Das Feuer geht aus, Tiere fressen die Essensvorräte."
Aber wir schlafen ja nicht mehr in der sternlosen Savanne und wir arbeiten nicht mehr in der Manufaktur. Drum habe ich bei unserem Interview mit Nicola Schmidt ab und zu den Kopf geschüttelt. Immer das Baby bei sich im Bett haben, immer schlafen, wenn der Körper es verlangt, sogar auf Windeln verzichten, weil man als gute Mutter spürt, wann das Kind essen, pinkeln, schlafen muss. Hm. Für mich wäre das nichts gewesen – ich wollte auch mal wieder ins Kino und an den Schreibtisch. Passte zu meiner Art und klang gerecht. Oder wie sehen Sie das?
Die Erkenntnisse finde ich trotzdem hilfreich. Ich werde mein Leben nicht umstellen auf viermal am Tag Intervallschlafen. Aber ist doch prima, wenn man nachts aufwacht und denkt: Ist normal, kommt irgendwie von der Evolution. Kollegin Horst empfiehlt für die Pause zwischen Schlafintervall 1 und Intervall 2 übrigens: "konzentriertes Studieren, Beten oder Sex".
Da ist bestimmt was für Sie dabei. Kommen Sie gut ins neue Jahr - und heute Abend in den Schlaf!
Ihre Ursula Ott
chrismon-Chefredakteurin