Mit sichtbaren und unsichtbaren Grenzen beschäftigt sich eine Ausstellung mit dem Titel "Sag Schibbolet!", die von Mittwoch an im Jüdischen Museum München zu sehen ist.
27.05.2019

"Seit zwei Jahren spielen Grenzen im öffentlichen Diskurs eine immer größere Rolle", betonte Kurator Boaz Levin am Montag. Nach der Wahl zum EU-Parlament würden die kommenden Jahre zeigen, "ob Europa eine Union wird oder eine Festung, mit tödlichen Grenzen oder sicheren Häfen, mit Gleichheit oder Ungleichheit", sagte der in Jerusalem und Berlin lebende Künstler.

Die Ausstellung wolle abseits von Grenzklischees wie Mauern und Flüchtlingsbooten zeigen, wie Grenzen auch das Innere von Gesellschaften durchziehen. Entstanden ist die Schau, die bis Februar 2020 zu sehen ist, in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum Hohenems im österreichischen Vorarlberg.

Zwischen Erlaubtem und Unerlaubtem

Der Ort an der Schweizer Grenze sei 1938 ein "Hauptfluchtbrennpunkt" für Juden aus Deutschland gewesen, die von hier ans andere Rheinufer zu gelangen versuchten, erklärte der Hohenemser Museumsdirektor Hanno Loewy. Eigens für die Ausstellung habe der Fotograf Arno Gisinger das Werk "Schuss/Gegenschuss" geschaffen, das den Grenzfluss samt Grenzstein als Schwarz-Weiß-Negativ zeigt. Weitere zwölf Fotoserien, Videos und Objektinstallationen zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler thematisieren Grenzen zwischen Staaten wie den USA und Mexiko, aber auch Grenzen zwischen öffentlichem und privatem Raum, zwischen Erlaubtem und Unerlaubtem.

Kurator Levin erklärte, der Titel der Ausstellung verweise zudem auf die ausgrenzende Wirkung, die Sprache haben könne. Mit dem Wort "Schibbolet" entlarven im alttestamentarischen "Buch der Richter" die siegreichen Grenzposten von Gilead ihre Feinde aus Efraim, die versuchen, über den Fluss Jordan zu fliehen. Wissend, dass die Unterlegenen das "Sch" nicht sprechen können, wird der Befehl "Sag Schibbolet!" zum Todesurteil für jene, die mit einem "Sibbolet" antworten. "So wird das elementare Kommunikationsmittel Sprache zur Grenze, die jeder von uns im Mund trägt", erklärte Levin.

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