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Als Konfessionslose einen Gottesdienst besuchen und die Erfahrung aufschreiben, das ist der Auftrag. Bei der Auswahl des Gottesdienstes hilft eine Frau vom Infotelefon der Landeskirche. Ein Musikgottesdienst in der St.-Johanniskirche in Altona-Ost. Ein Kammerorchester spielt Bachs Messe in F-Dur. Die Idee des gemeinsamen Innehaltens an einem schönen Ort gefällt mir. Musik ist mein Zugang zur Welt und vielleicht ja auch zur Religion.
Die St.-Johanniskirche ist als Kulturkirche bekannt. Ich kenne sie von meinen Spaziergängen im Wohlerspark, da ragt sie über die gerade erblühenden Bäume. Ein schönes Bild, das ich mit meiner Handykamera festhalte. Auch den Eingang der Kirche fotografiere ich. Da werde ich von hinten ermahnt: "Bist du jetzt bald fertig?" Einer Frau, die in die Kirche gehen möchte, gefällt es nicht, dass ich Fotos mache. Sie fordert von mir mehr Respekt. Irritiert fällt mir keine Antwort ein. Ich setze mich auf eine der hinteren Bänke. Was darf ich jetzt hier eigentlich? Etwas trinken? Muss ich das "Amen" mitsprechen? Leider hat diese Begegnung negative Assoziationen wachgerufen: In der Kirche ist alles reglementiert und Verfehlungen werden gerügt. Dabei wird doch Barmherzigkeit gepredigt.
Musik versöhnt
Die Messe beginnt. Die Orgel spielt, Pastor Michael Schirmer begrüßt die Anwesenden, es wird gemeinsam gebetet und gesungen. Ich versuche, nicht zu stören und fühle mich nicht angesprochen. Dann setzt sich das Orchester in die Vierung. Schon die ersten Geigentöne besänftigen mich.
Es folgt ein Gebet, eine Lesung, gemeinsamer Gesang und ein Stück mit Sologesang. Die klare Sopranstimme der Sängerin wandert bis unter die hohe Decke der neogotischen Kirche. Die Mittagssonne färbt den Raum in hellgelbes Licht. Dann beginnt die Predigt. Pastor Schirmer spricht von der Wirkung dieses Gebäudes, von Zeichen, die einem auf dem Weg von draußen in den Raum begegnen können. Die Zeichen leiten den Weg - oft auch unbewusst. Und dass auch die Menschen, die das Gebet nicht mitsprechen, nicht aufstehen, die Zeichen nicht verstehen, willkommen sind. Da fühle ich mich auf einmal doch direkt angesprochen. "Man muss nicht den ganzen Weg mitgehen, aber kann vielleicht von einzelnen Stationen etwas mitnehmen, sei es die Musik oder das gemeinsame Schweigen."
Die verärgerte Frau vom Eingang sitzt ein paar Reihen vor mir. Als sie sich umdreht, lächle ich. Ihr Ärger trifft mich nicht.