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Pauluskirche, Leer, Sonntag, 10 Uhr: Die Sonne scheint und die Temperaturen klettern auf winterlich milde acht Grad - Sonnenbrillenempfehlung. Bestes Wetter für einen Spaziergang durch die schöne Allee bis hin zur Pauluskirche. Von außen sieht sie typisch norddeutsch aus mit ihren roten Backsteinmauern. Tritt man ein, dominiert die Farbe Weiß. Keine Bemalungen, keine bunten Fenster. Hinter dem Altar ist der einzige Punkt, der dem Auge etwas bietet: ein riesiges oranges Bild.
Pastor Christian Erchinger reicht Gottesdienstbesucherinnen und -besuchern die Hand und begrüßt sie herzlich, bevor alle das Gesangbuch in den Händen halten. Das Orgelvorspiel erklingt und andächtige Stille kehrt ein. Die musikalische Untermalung ist recht gewöhnungsbedürftig, und es schleichen sich Fehler ein. Das ist schade, denn Musik steht im Fokus der Liturgie des Gottesdienstes. Aber Pastor Erchingers Gesang besticht.
Die Gemeinde singt nicht nur die fünf Lieder von der Liedtafel, sondern noch zwei zusätzliche. Die Texte kann man von der Wand ablesen. Ich fühlte mich gleich in die Schulzeit zurückversetzt, als noch der Overheadprojektor angeschmissen wurde. Aber das soll kein Hohn sein! Wie sagt man: Änder nicht, was nicht kaputt ist und sich bewährt hat.
Erchingers (Sing-)Stimme trägt durch den Sonntagmorgen, an dem sich etwa 15 weitere Besucherinnen und Besucher in der Pauluskirche einfinden, deren Schöpfe größtenteils ergraut sind.
Es geht im Leben auch um die Kontraste
"Zum Leben, da gehört das Licht – aber vergesst mir nicht: auch die Dunkelheit", predigt Pastor Christian Erchinger. Eindrücklich erzählt er davon, wie er kommende Woche den schweren Gang zum Trauergespräch antreten wird. Eine Konfirmandin ist plötzlich verstorben – so eine Beerdigung sei auch für einen Pastor keine alltägliche Aufgabe.
"Man erkennt in solchen extremen Momenten, dass das Leben aus Bergen und Tälern besteht", sagt Erchinger. Man dürfe - gar müsse - die Momente der Bitterkeit zulassen und sie als eine Facette des Lebens annehmen. Denn: "Wer auf einem Berg ist, der muss erst hoch und dann auch wieder runter - und all das zusammen nennt sich Leben." Ohne die Täler würde es die Berge nicht geben und umgekehrt - es gehe um die Kontraste, deshalb solle man Kummer nicht verdrängen.
Nach dem Gottesdienst scheint die Sonne immer noch, und dank Erchingers Worten genieße ich das Licht nun noch ein bisschen mehr. Auch zum Abschied reicht er allen die Hand. Lukas Münch