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"Donezk Girl" ist ein dynamischer Abenteuerroman über den Krieg in der Ukraine. Die ukrainische Schriftstellerin Tamara Duda verarbeitet darin, wie sich die Stadt Donezk im Jahr 2014 zu Beginn der Besetzung durch russische Soldaten verändert hat. Der Roman schildert, wie Häuser und ganze Stadtteile zerstört wurden, wie Raub und Gewalt an der Tagesordnung waren und wie die Bewohner der Stadt darauf reagierten. Wie sich der Alltag der Donezker veränderte und wie manche aus Angst um ihr Leben die Eindringlinge und ihre Herrschaft akzeptierten.
Ich komme aus der Ostukraine, meine Heimatstadt Luhansk liegt in der Nähe von Donezk. Viele der geschilderten Szenen decken sich mit meinen Erfahrungen oder denen von Freundinnen und Verwandten.
Die Protagonistin des Romans ist eine 30-jährige Frau aus einer unglücklichen Familie, die über das ganze Land verstreut ist. Im Laufe ihres Lebens gelingt es ihr jedoch, eine zweite "Familie" zu finden. Die Heldin, eine Glaskünstlerin, bringt unterschiedliche Menschen in ihrem kleinen Unternehmen zusammen, das exklusive Buntglasfenster, Mosaike und Kronleuchter herstellt. Als die Besetzung von Donezk beginnt, verteidigen sie alle ihre Stadt: ein verletzter ehemaliger Bergmann, ein Metalltechnologe im Rollstuhl, ein Wachmann mit krimineller Vergangenheit, eine ehemalige Gastwirtin und andere. Gemeinsam helfen sie der ukrainischen Armee, Menschen aus Donezk zu evakuieren. Sie selbst fliehen vor den Invasoren und lieben, als gäbe es kein Morgen.
An diese Zeit erinnere ich mich sehr gut. Ich lebte bereits in Kyjiw, aber meine Schulfreunde, Freunde unserer Familie und einige Verwandte blieben in der Ostukraine. Damals glaubte kein Ukrainer, dass unser Land mit Krieg überzogen werden könnte, schon gar nicht von Russland. Aber es geschah, und der erste Schlag traf 2014 den Donbass. Die Zivilbevölkerung war damals nicht auf eine militärische Konfrontation vorbereitet, alles ging zu schnell und zu chaotisch. In den Medien wurde wenig darüber berichtet, sodass viele glauben, die Besatzung sei damals ohne Schmerzen und Opfer abgelaufen. In Wirklichkeit gab es damals im Donbass viele Verbrechen, Folter und Mord. Ich erinnere mich an meine Schulfreunde, die mich anriefen und um Hilfe flehten. Wie sie mit kleinen Kindern fliehen mussten, weil ihre Häuser geplündert wurden und es auf den Straßen zu gefährlich war.
Vielleicht ist das Buch von Tamara Duda deshalb für mich so anschaulich und wichtig. Schließlich zeigt die Autorin auch, durch welche emotionalen Abgründe ein Mensch gehen muss, der sein gewohntes Leben verloren hat und in einer völlig anderen Realität neu anfangen muss. Als Mensch aus dem Donbass fühle ich mich schuldig, dass wir damals nicht lauter über all diese Verbrechen geschrieben haben. Wer weiß, vielleicht hätten wir den großen Krieg 2022 verhindern können?
Die Autorin Tamara Duda sagt in Interviews, dass sie all diese Ereignisse im Roman auf der Grundlage von Aussagen realer Menschen und Augenzeugen beschrieben hat. Es war ein langer Prozess, Details und Beweise zu finden. Nach Angaben der Autorin ist die Hauptfigur von einer echten Person inspiriert. Außerdem war die Autorin 2014 selbst als Freiwillige im Einsatz und hat vielen Menschen während des Krieges geholfen.
Der Roman "Donezk Girl" wurde nach seiner Veröffentlichung 2019 in der Ukraine schnell zum Bestseller und von der BBC Ukraine als "Buch des Jahres" ausgezeichnet. Das Buch ist jetzt im deutschen Buchhandel erhältlich.
Der Roman ist im Rahmen des Projektes Europastraße im Friedrich Mauke Verlag erschienen. Dieses Projekt lädt die Leser*innen zu einer Reise entlang der Europastraße E40 ein. Sie ist die längste aller europäischen Straßen und erstreckt sich von Calais in Frankreich bis in den Osten Kasachstans - über 8.000 Kilometer. Auf diese Weise vereint der Verlag Autor*innen aus den Ländern entlang des europäischen Weges - alle außer Russland. Auf der Website des Verlags finden Sie viele interessante und wichtige Bücher, die aktuelle Themen aufgreifen, die uns heute alle beschäftigen.