Ukrainisches Kriegstagebuch
"Wir haben nicht auf die Befreier gewartet"
"Als ich im Krieg erwachte" ist ein berührendes, persönliches Tagebuch über den Krieg in der Ukraine. Eine Leseempfehlung
Ein persönliches Tagebuch einer Ukrainerin über den Krieg
Bitte lesen! Das Tagebuch von Julia Solska
Tamriko Sholi
Lena Uphoff
12.11.2024
3Min

Ukrainische Autoren veröffentlichen zunehmend in Deutschland. Das macht mich einerseits als Journalistin, Buchautorin und Ukrainerin glücklich.

Andererseits bin ich traurig, dass meistens das Thema der in Deutschland übersetzten Bücher der Krieg ist. Ich wünschte mir so sehr, dass dieses Thema im Leben meiner Landsleute nie hätte auftauchen müssen. Doch da es nun geschehen ist, müssen wir die Realität akzeptieren und unsere Lektionen fürs Leben lernen. Denn durch das Schreiben von Büchern, die auf wahren Begebenheiten basieren, besteht eben auch die Möglichkeit, eine historische Wahrheit festzuhalten. Dies geschieht beispielsweise bei der ukrainischen Schriftstellerin Julia Solska und ihrem Buch "Als ich im Krieg erwachte". Ich habe mit der Autorin gesprochen und sie hat mir von ihren Gefühlen und ihrer Motivation erzählt.

Die Hauptbotschaft des Buches:

"Die Wahrheit! Wir haben nicht auf die 'Befreier' gewartet. Ja, unser Leben war nicht perfekt, aber es wurde jedes Jahr besser. Und wir brauchten keine 'Hilfe' vom Nachbarn. Ich möchte, dass Ihr hier in Deutschland wisst, was wir vor Beginn der umfassenden Invasion und in den ersten Monaten dieses Krieges wirklich empfanden."

Deutschland und die Autorin des Buches:

"2014 kam ich im Rahmen eines Au-Pair-Programms nach Deutschland. Anschließend begann ich einen Masterstudiengang Germanistik. Danach lehrte ich Deutschkurse für Ausländer. Es war eine sehr interessante Aufgabe und eine wichtige Erfahrung. Trotzdem beschloss ich im Jahr 2018, in die Ukraine zurückzukehren.

Dann brach der Krieg aus und ich floh wieder nach Deutschland. Ich landete in Düsseldorf und wurde wieder Lehrerin für die deutsche Sprache in Integrationskursen – dieses Mal für Menschen, die wie ich aus meiner Heimat geflohen waren."

Wie die Idee zum Buch entstand:

"Als der große Krieg begann, begann ich sofort, mir jeden Tag Notizen zu machen – kurze Beiträge, in denen ich meine Gefühle zum Ausdruck brachte und beschrieb, was geschah. Solche Schreibpraktiken helfen, sich zu konzentrieren und zu strukturieren. Und erst später, schon in Deutschland, wurde mir klar: Meine Stimme ist wichtig, denn nicht jeder hat Zugang zur europäischen Gemeinschaft, nicht jeder spricht Deutsch. Aber ich habe diese Chance.

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Außerdem fühlte ich mich bei der Arbeit an dem Buch nützlich. Da ich noch keine Lohnarbeit gefunden hatte (ich wartete nur auf die Erlaubnis), gab das Manuskript meiner täglichen Existenz einen Sinn und lenkte mich davon ab, mich aufgrund der Geschehnisse in meinem Heimatland in den Abgrund heftiger Schmerzen zu stürzen."

Warum solltet Ihr das Buch lesen:

"In diesem Buch geht es um Krieg, aber ich wollte nicht nur von realen Ereignissen erzählen, sondern vielleicht auch Menschen inspirieren: Angesichts einer schwierigen Lebensphase kann jeder und jede sich entscheiden: zwischen 'nichts tun' und 'wenigstens etwas tun' entschied ich mich für die Aktion. Es muss nicht die große globale Veränderung sein, die ihr anpackt. Es reicht aus, jeden Tag Eure persönliche Entscheidung für die Wahrheit zu treffen. Es reicht aus, Eure persönliche kleine Verantwortung zu verstehen und anzunehmen."

Die wichtigste Lektion des Krieges:

"Die Erkenntnis, dass die wichtigsten Dinge im Leben meine Mitmenschen und Zeit für sie sind. Früher habe ich den negativen Seiten der Menschen, die ich liebe, viel zu viel Aufmerksamkeit geschenkt. Jetzt konzentriere ich mich mehr auf ihre guten Eigenschaften zu betonen. Ich sage ihnen öfter nette Worte."

Über Träume:

"Ich würde gerne mein nächstes Buch auch über die Ukraine schreiben. Aber nicht über den Krieg. Vielleicht wird es ein Reiseführer zu den Städten und interessanten Ecken unseres Landes. Eine Reise durch die Ukraine. Eine Reise durch die freie Ukraine."

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Kolumne

Tamriko Sholi

Wer bin ich, wenn ich keine Heimatgefühle mehr habe? Was machen Krieg und Flüchtingsdasein mit mir? Darüber schreibt die ukrainisch-georgische Schriftstellerin Tamriko Sholi in Transitraum