Tamriko Sholi
Glauben finden in schwierigen Zeiten
Wo ist Gott in Kriegszeiten?
In schwierigen Lebensphasen verlieren viele Menschen ihren Glauben: an Gott, an sich selbst, an Wunder. Ich bin keine Ausnahme. Es gelang mir jedoch, den richtigen Halt zu finden, um weiterzumachen
privat
14.05.2024
4Min

Ich bin in Lugansk aufgewachsen – einer Stadt im Osten der Ukraine, nicht weit von der Grenze zu Russland. In meiner Familie gab es keine religiösen Menschen. Meine erste Lehrerin machte mich mit der Kinderbibel bekannt. Eines Tages brachte sie viele schöne Bücher mit bunten Bildern zur Schule und verschenkte sie an uns. Damals, im Jahr 1992, waren Kinderbücher in Lugansk Mangelware. Vor allem so schöne. Daher war es uns Kindern egal, was genau das Thema dieser Bücher war. Unsere Lehrerin hat das Lesen zu einem echten Abenteuer gemacht: Wir lasen zwischen den Unterrichtsstunden ein Gleichnis und besprachen es. Damals erfuhr ich von der Weisheit Salomos, des barmherzigen Samariters, dem Stern über Bethlehem usw. “Was hat er oder sie getan?” – fragte die Lehrerin ständig nach den Helden und Heldinnen dieser Geschichten. Ich liebte diese Gleichnisse sehr, obwohl ich überhaupt nicht verstand, wer Gott war. Ich stellte mir vor, dass dies ein Zauberer war, der im Himmel lebte. Ich erzählte meinen Eltern Geschichten aus der Kinderbibel und sie antworteten: „Deine Lehrerin ist Baptistin. Sei vorsichtig.“ Ich verstand nicht, was „Baptistin“ bedeutete oder warum ich vorsichtig sein musste. Ich habe diese guten Geschichten einfach wirklich geliebt.

In diesen Jahren trank mein Vater zu viel Alkohol und sorgte zu Hause für schreckliche Skandale. Jedes Mal, wenn meine Eltern stritten und schrien, stand ich aus dem Bett in meinem Zimmer, kniete nieder, kreuzte meine Handflächen und betete zu Gott. Mein Gebet klang ungefähr so: „Lieber Gott, sorge dafür, dass meine Eltern aufhören zu streiten und gesund und lebend sind! Bitte-bitte!“ 

Irgendwann  hörten meine Eltern auf zu streiten und ich war mir sicher, dass das Gottes Hilfe war. In der siebten Klasse lernte ich ein echtes Gebet und las es jeden Abend vor dem Schlafengehen. Und später… Alles wurde immer schlimmer. Wir lebten noch ärmer als zuvor, meine Eltern konnten mein Universitätsstudium nicht bezahlen, die Skandale wurden noch schlimmer und ich entschied: Es gibt keinen Gott. 

Ich war 16 Jahre alt, ich war sehr beleidigt von der Welt und verlor jeglichen Glauben: an Gott, an Wunder, an Menschen. Ich habe fleißig studiert, ein Jurastudium begonnen und zwei Jahre später meinen ersten ernsthaften Job im Journalismus gefunden. Mein Leben wurde ohne Gott verbessert und ich kam nie wieder auf dieses Thema zurück.

Lesetipp: Sarah Vecera über Gott, Gesangbuch und Kolonialismus

Mein Erwachsenenleben hat sich unterschiedlich entwickelt: Es gab Höhen und Tiefen. Eines Tages putzte ich meine Wohnung und schaltete Musik auf YouTube ein. Als das Lied zu Ende war, spielte YouTube eine Liedempfehlung ab. Mir gefielen sowohl die Melodie als auch die Texte sehr gut. In diesem zufälligen Lied ging es um Liebe. Ich beschloss, es zu speichern und notierte den Namen der Gruppe. Stellen Sie sich meine Überraschung vor, als sich herausstellte, dass es sich um Hillsong handelte und es in den Worten um die Liebe zu Gott ging! Ich bin kein religiöser Mensch, aber ich habe entschieden, dass das nichts mit Musik zu tun hat.Deshalb habe ich mir viele Lieder dieser Gruppe angehört und mich in jedes einzelne verliebt. Jeder Akkord drang direkt in meine Seele und ich empfand unglaubliche Freude.

Später begann in der Ukraine der Krieg, der den Tod unschuldiger Menschen und Kinder sowie viel Zerstörung und Leid mit sich brachte. Ich kehrte wieder nach Deutschland zurück (wo ich zuvor gelebt hatte) und fand einen neuen Job. Zu meiner Überraschung war mein Arbeitgeber das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik! Außerdem begann ich, diese Kolumne hier zu schreiben, für ein evangelisches Magazin… Und ich dachte: Wer ist dieser Gott? Soll ich an seine Existenz glauben?

Lesetipp: Kann man vernünftig glauben? Kant und Gott

In den letzten zwei Jahren habe ich eine Menge Tod, Grausamkeit und Gewalt gesehen. Mehr noch: Die Zahl dieser Verbrechen auf der Welt nimmt täglich zu, nicht ab. Lohnt es sich danach, an Gott zu glauben? Sollte man an ein Wunder glauben?

Kürzlich war ich in Münster und ging zum Sankt Paulus Dom. Es ist ein sehr schönes, altes Gebäude und ich wollte es besuchen. Ich saß auf einer Holzbank, betrachtete das antike Buntglas und beobachtete, wie unglaublich schön das Licht durch die riesigen Fenster fiel. In diesem Moment wurde mir klar, dass Gott kein Wunder ist.

Gott ist deine innere Stimme, die du hören kannst. Was sagt diese Stimme? Wie selbstbewusst klingt diese Stimme?

Leseempfehlung
Die 16-jährige Mwenzi Tenebeo liebt das Tanzen und kommt auch deshalb in diese Kirche

Gott ist nicht das, was dir passiert. Gott ist deine eigenen Entscheidungen und Handlungen. Mir wurde plötzlich klar, warum meine Lehrerin in diesen Gleichnissen gezielt Fragen stellte, wer was tat. Sie wollte uns zeigen, dass Gott in unserem eigenen Handeln ist. Jedes Mal, wenn wir Liebe, Mitgefühl, Zärtlichkeit, Fürsorge, Optimismus, Selbstvertrauen und Hoffnung erfahren, ist das Gott.

Ich bin immer noch kein religiöser Mensch, aber ich höre gerne Hillsongs. Jeden Tag beobachte ich Tod und Ungerechtigkeit in der Ukraine und anderen Ländern, aber ich erlebe weiterhin Liebe, Zärtlichkeit und Mitgefühl. Für mich persönlich genau das ist Gott.

Permalink

Wer die Philosophie der Bibel wahrhaftig verstanden hat weiß, daß Gott Vernunft bedeutet, wie in Johannes 4,24 angedeutet.

An einen Gott zu glauben wie die "Geistlichen" dieser Welt in huldigen, der ist weiß Gott nicht auf dem wirklich-wahrhaften Weg und sollte sich der Mahnung in Jesaja 55,8-11 bewusst sein, wo das ganzheitlich-ebenbildliche Wesen Mensch auch durch ein anderes ganzheitlich-ebenbildliches Wesen ersetzt werden kann.

Beten allerdings, ist absolut abhängig vom wirklich-wahrhaftigen Glauben, möglichst in der Gesamtheit des ganzheitlich-ebenbildlichen Wesens Mensch, wie der beschriebene Frust des Jesus in Matthäus 21,18-22 aufzeigt.