Vertreter der sieben aussichtsreichsten Parteien im Landtagswahlkampf sind beim Wahlforum der drei großen sächsischen Tageszeitungen zur Debatte «Sachsen wählt» eingeladen
Vertreter der sieben aussichtsreichsten Parteien im Landtagswahlkampf sind beim Wahlforum der drei großen sächsischen Tageszeitungen zur Debatte «Sachsen wählt» eingeladen
Robert Michael / picture alliance / dpa
Wahl in Sachsen und Thüringen
Wir machen uns Sorgen
Ich kann beobachten, wie Menschen sich viele Sorgen um den Ausgang der Wahl machen. Ernsthafte und große Sorgen
26.08.2024
4Min

Am kommenden Sonntag finden in Sachsen und in Thüringen Landtagswahlen statt. Die Ergebnisse werden in ihren Auswirkungen besonders sein. Vor fünf Jahren, vor der letzten Wahl, hieß es zumeist: "Bei dieser Wahl geht es um viel." In diesen Tagen und Wochen höre ich nun oft: "Es geht um die Demokratie."

Wird die AfD in Sachsen stärkste Fraktion? Wie viele Stimmen bekommt das sogenannte "Bündnis" (Sahra Wagenknecht), das sich straff an einer populistisch sprechenden Person ausrichtet. Schaffen es die demokratischen Parteien SPD, Bündnis 90/ Die Grünen überhaupt noch in den Landtag? Oder bleibt die CDU alleine mit den beiden erstgenannten?

In meinen Begegnungen mit Menschen merke ich, dass viele sich mit diesen Fragen beschäftigen. Und dass sie so stark wie noch nie vor einer Wahl die Zeit unterteilen in ein Davor und Danach.

Vor ein paar Tagen nahm ich an einer Sitzung von vielen Organisationen der sächsischen Zivilgesellschaft sowie offizielle Vertretungen des Freistaates Sachsen teil. Über mehrere Stunden ging es um den Zustand der sächsischen Gesellschaft und der Demokratie vor den Wahlen. Ich wurde gebeten, die Sitzung zu moderieren. Nach meinen Abschlussworten gab ich an den Gastgeber ab, natürlich hatte er das letzte Wort. Und um Worte ist er eigentlich nie verlegen. Doch nun stockte er, die Stimmfarbe änderte sich und er suchte nach Worten. "Ich habe lange überlegt, was ich Ihnen heute zur Verabschiedung bis zu unserer kommenden Sitzung sage. Eigentlich weiß ich es noch immer nicht so richtig. Ich habe mich dazu entschlossen, Ihnen und uns Hoffnung zu wünschen." Im Raum bleibt es danach auffällig leise.

Menschen suchen Hoffnung. Sie brauchen sie. Und anscheinend haben sie mit Blick auf ihre Sorgen um den Wahlausgang oft nicht viel mehr.

Lesen Sie hier: Warum wir nicht nur über "Ostdeutschland" reden sollten

Eine zufällige Begegnung auf der Straße, ich treffe eine mitarbeitende Person in einem Ministerium. Wir sind beide in Eile. "Wann sehen wir uns wieder?", werde ich gefragt. Ich verweise auf ein Datum im August. Die Reaktion: "Ah, das ist noch vor der Wahl. Das ist gut." Ich bleibe mit dem Gedanken zurück, was die Person wohl alles beschäftigt, um zu so einer Antwort zu kommen. Denn eigentlich ist es absehbar, dass wir uns auch nach der Wahl wieder beruflich begegnen. Mir wird einmal mehr bewusst, wie viel Bedeutung in dem Wort "eigentlich" steckt. Wie viel Wirkung der Wahlausgang haben kann.

Mich erreicht eine normale berufliche E-Mail. Sie endet mit den Worten "und dann wird es ja in ca. einem Monat äußerst spannend, wie hier alles so weitergeht. Viele Grüße…" Die Abschlussworte fragen nicht, wie dies und jenes weitergehen könnte. Sondern sie handeln davon, dass alles betroffen sein kann.

Ich habe noch keine Zeit erlebt, in der es so viele Aufrufe, Kampagnen und Positionierungen für die Demokratie gab. Manchmal schwingen in den Worten auch Gedanken mit, dass wohl trotzdem ungute Veränderungen eintreten können. So versucht ein Aufruf in der Kinder- und Jugendarbeit sich mit den Worten "Egal, was passiert, wir bleiben bei unserer Haltung" zu motivieren.

Lesen Sie hier: Warum diese Männer in Ostdeutschland leben wollen

Und es wird vorgesorgt. Vorgesorgt für den Fall, dass nach einer deutlichen Veränderung der politischen Landschaft viele Organisationen für demokratische und soziale Arbeit kein Geld mehr bekommen könnten. Stiftungen aus der gesamten Bundesrepublik legen extra neue Förderprogramme auf, um dann einzuspringen. Sie wollen diese Arbeit weiter unterstützen, wenn dies durch eine neue Landesregierung nicht mehr getan wird. Über viele Jahre mühevoll aufgebaute Arbeit soll durch eine Art Schutzschirm gerettet werden.

Gerettet für den Fall, dass eine demokratisch gewählte Regierung Gruppen der demokratischen Arbeit keine Gelder mehr zukommen lässt.

Die Sorgen sind groß. Das spüre ich allerorten und in so vielen Situationen. Davor – und danach. Die Menschen spüren, dass der Ausgang der Wahl für persönliche Möglichkeiten und Schicksale, aber auch für die Zukunft der ostdeutschen Regionen deutliche negative Auswirkungen haben kann.

Noch sind wir in der "davor-Phase". So viele Veranstaltungen zur Wahl, Gespräche, Diskussionen werden von ganz unterschiedlichen Organisationen und Unternehmen organisiert. Unzählige Wahlprüfsteine sind erstellt worden. So viele sind engagiert, fleißig, unermüdlich. Sie möchten, dass der Unterschied zwischen davor und danach gering ist.

Der nächste Text in dieser Kolumne wird davon handeln, was aus all der Hoffnung geworden ist. Denn auch ich hoffe, ich hoffe sehr, dass die Hoffnung sich erfüllt…

PS: Ein Seh- und Hörtipp, vielleicht auch zum Weiterleiten an Menschen, die noch überlegen, wen sie wählen sollen: Deutschland, warum bist Du so? Politikreportagen von Eva Schulz aus Sachsen, Thüringen und Brandenburg

Kolumne

Christian Kurzke

Christian Kurzke ist Studienleiter an der Evangelischen Akademie Sachsen. Täglich diskutiert er mit Menschen, die anders denken als er. Er will versuchen, sie zu verstehen, und schreibt über diese und andere Fragen in seiner Kolumne, alle zwei Wochen montags.